Nicht nur Mitarbeitende der Credit Suisse müssen nun um ihre Stelle bangen. Auch UBS-Bankern droht ein böses Erwachen. Denn bei einer Akquisition wird mindestens ein Drittel des Personals der übernommenen Firma weiterbeschäftigt. Das löst trotz Beteuerungen der UBS-Spitze eine zunehmende Verunsicherung unter dem «Fussvolk» aus.
Serge Fehr, der langjährige ehemalige Chef im Schweizer Private Banking der Credit Suisse (CS), hat den Absprung geschafft. Er wird im kommenden August zur Genfer Konkurrentin Lombard Odier wechseln, wie auch finews.ch am gestrigen Montag berichtete.
Eine gute Woche nach der Zwangsübernahme der CS durch die grössere UBS kommt der Personalie Fehr Signalwirkung für viele CS-Mitarbeitende zu. Sie sind mit der Ansage der Käuferin konfrontiert, bis im Jahr 2027 rund 6 Milliarden Franken an Personalkosten einsparen zu wollen.
Durchsage von Ralph Hamers ans CS-Personal
Wohl auch um Ängste zu beschwichtigen, hat sich Ralph Hamers am Montag erstmals direkt an das CS-Personal gewandt. Wie die Nachrichtenagentur «Reuters» aus einer Mitteilung des UBS-Chefs zitierte, appellierte dieser an die Zuversicht: Man habe die die Bank nicht übernommen, um sie hinterher zu schliessen.
Die Aufregung um die potenziell gefährdeten CS-Jobs überdeckt dabei das schleichende Unbehagen, das sich auch anderswo breit macht: nämlich bei den UBS-Mitarbeitenden selbst.
Jahrelang mit sich selbst beschäftigt
Denn obwohl UBS-Präsident Colm Kelleher die am 19. März 2023 beschlossene Übernahme der Lokalrivalin als «gewaltige Chance» dargestellt hat, dürfen die UBS-Mitarbeitenden nicht davon ausgehen, dass der Mega-Deal spurlos an ihnen vorübergeht.
Wie in der hiesigen Finanzszene zu vernehmen ist, artikulieren UBS-Bankerinnen und Banker ihre Befürchtungen zunehmend gegenüber Dritten: Bei manchen ist es die Befürchtung, für Jahre in einer Struktur tätig zu sein, die vorab mit sich selbst beschäftigt ist. Andere sorgen sich über den drohenden Verlust der Arbeitsstelle.
In diesem frühen Stadium der Transaktion erscheint dies vielleicht übertrieben. Aber abwegig ist es nicht. So haben die Ökonomen von BAK-Economics bereits vorgerechnet, dass die Übernahme allein in der Schweiz bis zu 12’000 Arbeitsstellen kosten könnte – und damit ist nicht nur CS-Personal gemeint. Kenner des hiesigen Stellenmarkts wissen, dass ein Personalabbau nicht ausschliesslich auf die CS beschränkt ist.
Nicht zwingend bessere Karten
Das Drehbuch bei Übernahmen sehe in der Regel vor, dass die kaufende Partei mindestens ein Drittel der Beschäftigten des übernommenen Unternehmens weiter beschäftigt, erklärt Reto Jauch, Managing Partner der Executive-Search-Firma Schulthess, Zimmermann & Jauch in Zürich. Dies, damit eine gewisse Gewähr bestehe, dass die neue Organisation funktionstüchtig sei. «Im Fall der UBS/CS-Transaktion führt der Umkehrschluss dazu, dass bei der UBS bis zu einem Drittel der Beschäftigten – vor allem in den Managementfunktionen – in Gefahr ist», so Jauch.
Auch Jonas Neff, Mitgründer der ebenfalls im Executive-Search-Bereich tätigen Firma Biermann Neff, berichtet, dass die Unsicherheit aufseiten der UBS zugenommen habe. «Es ist zu erwarten, dass heutige CS-Angestellte in gewissen Bereichen aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Kundenkontakten die besseren Karten haben, für ein Stellenprofil in Frage zu kommen.» Bei der UBS bereits angestellt zu sein, mahnt er, sei keine Jobgarantie für die Zukunft.
«Wir freuen uns auf neue Kolleginnen und Kollegen»
Die UBS unterstreicht auf Anfrage das Potenzial des Riesenprojekts. Mit der Übernahme entstehe der weltweit führende globale Wealth Manager mit verwalteten Vermögen von insgesamt 5 Billionen Dollar. Konzernchef Hamers hatte dazu bereits am vorletzten Sonntag erklärt: «Das Zusammengehen von UBS und CS baut auf unseren Stärken auf und wird es ermöglichen, unsere Kunden auf der ganzen Welt noch besser zu bedienen sowie unsere Angebote für sie zu erweitern. Es unterstützt unsere Wachstumsambitionen in den Regionen Americas und Asien und verschafft uns mehr Präsenz im europäischen Geschäft», liess sich der UBS-Chef zitieren.
Und: «Wir freuen uns, unsere neuen Kundinnen und Kunden und unsere neuen Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt in den nächsten Wochen bei uns willkommen zu heissen.»
Wer die Durchsage zwischen den Zeilen liest, erkennt, dass die Frontleute im Wealth Management wohl die besten Karten haben: UBS und CS agieren in dieser Sparte oft komplementär, und Private Banker mit gut gefülltem Kundenbuch sind grundsätzlich begehrt. Weniger klar nimmt sich die Zukunft von Investmentbankern aus.
Diesem Business will die UBS noch maximal 25 Prozent der risikogewichteten Aktiven in der Bilanz zugestehen. Derweil gibt es im Schweizer Filialnetz und in den rückgelagerten Diensten zahlreiche Überschneidungen, die einen grösseren Abbau wahrscheinlich machen.
Umbau im Europa-Geschäft
Aber selbst die UBS-Vermögensverwaltung ist nicht vor Reorganisationen gefeit, wie sich vor kurzem in der Region Europa, Nahost und Afrika (Emea) zeigte. Wie auch finews.ch berichtete, wurde damals das mit den Russland-Sanktionen schwierig gewordene Geschäft mit reichen Osteuropäern unter Caroline Kuhnert in die Region Europa unter Christl Novakovic integriert.
Im Zuge dieses Zusammenschlusses kam es zu weiteren so genannten Vereinfachungen, wie finews.ch erfahren hat. So wurde etwa der Posten von Sonia Gössi, Leiterin des Wealth Management in Nordeuropa, aufgehoben. Sie bleibt aber bis auf Weiteres der Grossbank treu, wie es auf Anfrage hiess.
Solche Umstrukturierungen lösen in der Regel für sich selber genommen zusätzliche Fliehkräfte aus; im jetzigen Umfeld könnten sie noch stärker bei den Mitarbeitenden nachwirken. Bei der Grossbank ist man sich der angespannten Lage für das eigene Personal wohl bewusst. Dem Vernehmen nach ist die UBS-Führung sehr bemüht, intern laufend zu informieren und allfällige Unsicherheiten so klein wie möglich zu halten.
Zu viel Management-Kapazität
Dennoch werden manche Mitarbeitende das in wenigen Monaten erwartete Closing der Übernahme nicht abwarten wollen. Es ist gut möglich, dass sich unter ihnen Talente finden. «Wer einen spannenden Business-Case bieten kann, wird auch ausserhalb des Übernahmeprojekts gesucht sein», sagt Headhunter Neff. Kleinere Konkurrenten hätten immer schon ein Bedürfnis gehabt, Know-how von den Grossbanken zu rekrutieren. Das werde sich nicht ändern.
Weniger rosig könnte sich mittelfristig die Lage für jene UBS-Bankerinnen und Banker präsentieren, die nicht direkt im Kundenkontakt stehen. Dazu zählt nicht zuletzt das Kader. Mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS gelange sehr viel Management-Kapazität in den Arbeitsmarkt, sagt Jauch von Schulthess, Zimmermann & Jauch. «Die Schweizer Bankbranche wird dies nicht wie in der Vergangenheit einfach absorbieren können.»
Mitarbeit: Claude Baumann