Über 10 Milliarden Dollar verwaltet die UBS in ihrem China Opportunity Fonds. Das Vorzeige-Vehikel ist brutal in den Sog des Vorgehens gegen chinesische Technologie-Konzerne gerissen worden, wie Recherchen zeigen.
Vergangenen April gewährte Bin Shi dem hauseigenen Kanal der UBS ein Interview. In seinem Ausblick zeigte er sich zuversichtlich, dass die heftigsten Massnahmen der chinesischen Behörden gegen Grossfirmen vorüber seien. Er fühle sich wohl dabei, sagte der in Hongkong basierte Fondsmanager, weiterhin auch die in Schanghai und Shenzen gelisteten A-Aktien zuzukaufen.
Wenn Shi etwas zu sagen hat, sind andere Investoren geneigt, zuzuhören. Im Jahr 2006 wechselte der Investment-Profi in den Dienst des grössten Wealth Managers der Welt. Mittlerweile führte er für die UBS vier verschiedene Vehikel mit Fokus auf China-Aktien – doch keines ist nur annähernd so gross wie der China Opportunity Fonds.
Gold, Sterne und Bestnoten
Mit einem Volumen von 14,4 Milliarden Dollar per Ende 2020 gehört er zu den gewichtigsten Aktienfonds in der Palette des Geldhauses und ist dabei erst noch höchst erfolgreich. Über die letzten fünf Jahre resultierte im Fonds eine annualisierte Rendite von mehr als 12 Prozent; das Vehikel hat ein «Gold»-Rating sowie fünf Sterne des einflussreichen Analysehauses Morningstar genossen. Der Branchendienst «Citywire» bewertet Fondsmanager Shi lange mit der Bestnote.
Das hat sich herumgesprochen. Auch in der Schweiz ziehe der UBS-Fonds Neugeld an wie ein gewaltiger Magnet, berichten Konkurrenten am hiesigen Finanzplatz. Man könne richtig neidisch werden.
Steil bergab
Doch in den letzten Monaten dürfte sich die Anziehungsraft des Riesen-Fonds verringert haben. Denn anders, als Shi erwartet hatte, ging es mit den A-Aktien wie auch den im Ausland gelisteten China-Werten seit vergangenem Frühling steil bergab. Vergangenen Sommer schrieb der Fonds Buchverluste im zweistelligen Prozentbereich. Im Juli wurde ihm ein Morningstar-Stern aberkannt. Aufs bisherige Jahr besehen resultiert laut den Fondsdaten der UBS ein Minus von fast 22 Prozent.
Damit bleibt das Produkt sogar hinter dem MSCI China Index sowie den Fonds seiner Kategorie zurück. Das Fondsvermögen beträgt aktuell noch rund 10,4 Milliarden Dollar. Im Halbjahresbericht des Fonds ist festgehalten, dass bis Ende vergangenen Mai Rücknahmen von rund 3,8 Milliarden Dollar erfolgten, die aber durch Zeichnungen von 4,2 Milliarden Dollar mehr als wettgemacht wurden. Wird die Marktperformance beim Vermögensverlust seit Anfang Jahr abgezogen, ergeben sich Abflüsse von bis zu 1,2 Milliarden Dollar.
Für den erfolgsverwöhnten Shi wie die UBS muss das ein schwerer Schlag sein. Seitens der Grossbank hiess es auf Anfrage von finews.ch, die Bank habe eine langfristige Perspektive bei der Identifizierung von Marktgewinnern und investiere in Unternehmen mit starkem Management und langfristiger Vision, die gut gerüstet sind, um geopolitischen, regulatorischen oder anderen externen Ereignissen standzuhalten. «China ist volatiler als andere Märkte, und ein solches Umfeld schafft die Möglichkeit für aktive Manager, Mehrwert zu schaffen», so ein Sprecher.
Ant zerschlagen
Wie sich zeigt, wettete der Fonds Milliarden Dollar just auf die chinesischen Firmen, welche die Anti-Kartell-Massnahmen und weiteren Restriktionen durch die Behörden besonders zu spüren bekamen. Die Monopolstellung der mächtigen Internet-Plattformen und Super Apps soll fallen. Auf die Online-Medienfirma Tencent entfallen in Shis Portfolio 9,76 Prozent. Auf einen Anteil von 5,74 Prozent kommt die Handelsplattform Alibaba von Jack Ma, zu der auch der Finanzarm Ant gehört. Dieser wird gerade von der Aufsicht zerschlagen, wie auch finews.ch berichtete. Der Fonds hatte zuletzt gegenüber dem Vergleichsindex ein Übergewicht bei Finanzwerten.
Chinas Regierung hat derweil auch Umtriebe im Versicherungs-Sektor angeprangert, wo Ping An ein grosses Rad dreht (5,29 Prozent im Portfolio). Behörden gehen zudem gegen die Spielbranche vor. Dort zählt Netease (4,97 Prozent im Portfolio) zu den globalen Grössen der Videospiel-Produzenten.
Warnungen vom Doyen
Der brutale Fall der klingendsten China-Aktien hat unter Börsianern inzwischen heftige Kontroversen hervorgerufen, die sich mit der politischen Diskussion um den Handelskrieg mit den USA, um die Coronakrise und Menschenrechts-Verletzungen in China mischen. Der Börsen-Doyen George Soros kritisierte jüngst den Vorstoss von Blackrock in den chinesischen Markt als «tragischen Fehler». Der grösste Vermögensverwalter der Welt werde damit Geld verlieren, warnte Soros – er wertet die Rundumschläge gegen die Tech-Riesen als Zeichen, dass Chinas Präsident Xi Jinping alles tun wird, um an der Macht zu bleiben.
Die als «beste Investorin» gelobte US-Fondsmanagerin Cathie Woods hat sich vorläufig von chinesischen Technologie-Aktien getrennt.
Eine Langfristwette
Riesen der Finanzbranche wie Blackrock und UBS sind aktuell gezwungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Für sie ist der chinesische Massenmarkt eine Langfristwette, bei der sich gerade die Schweizer Grossbank früher als die Konkurrenz positioniert hat. Und die UBS ist fest ist entschlossen, weiter in den Markt zu investieren. Das gilt auch fürs Fondsgeschäft: Die Produktepalette wird weiter ausgebaut, in Kürze legt die Bank etwa einen neuen China Healthcare Fonds auf.
Doch wenn die UBS-China-Fonds weiter bluten, könnte sich der Druck auf die Bank erhöhen. Denn vom Crash chinesischer Tech-Aktien ist vorab die Kundschaft ausserhalb der Volksrepublik betroffen, mit der das Institut weiterhin das meiste Geld verdient. Die ausländischen Investoren sind es denn auch, die den derzeitigen Ausverkauf von China-Aktien antreiben, wie die Agentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) jüngst bemerkte.
Sie haben genug vom Vorgehen der chinesischen Behörden, das aus ihrer Sicht so unberechenbar wie übertrieben drakonisch anmuten.