In die Branche der unabhängigen Vermögensverwalter kommt Bewegung. Wie Recherchen von finews.ch zeigen, sind gleich mehrere Übernahmen in Vorbereitung.
Und sie bewegt sich doch: Seit Jahren wird eine Konsolidierung der Schweizer Vermögensverwalter-Szene herbeigeredet, seit Jahren verflüchtigen sich die Szenarien aber gleich wieder. Doch nun berichten Branchenkenner, dass sich der lang aufgestaute Druck entladen wird.
«Es kommt Schwung hinein», sagt Reto Hossli, Gründungspartner beim aufs «Matchmaking» zwischen Vermögensverwaltern und Vermögensverwaltungs-Firmen spezialisierten Zürcher Startup DR-RH. Die extrem zersplitterte Branche mit mehr als 2’000 Einzelfirmen und insgesamt gegen 400 Milliarden Franken an verwalteten Vermögen kennt er aus langen Jahren als Banker: Bei der Credit Suisse (CS) hatte er unter anderem das Geschäft mit den externen Vermögensverwaltern (EAM) unter sich.
Grosse Akteure auf dem Sprung
«Bei DR-RH stellen wir eine erhöhte Aktivität bezüglich Zusammenschlüssen unter Schweizer EAMs fest. Insbesondere für standortübergreifende Fusionen sehen wir eine solide Nachfrage», so Hossli weiter. In einzelnen Verhandlungen ist er selber involviert und daher zum Schweigen verpflichtet.
Ebenfalls keine Namen nennt Anthony West, Leiter Corporate Finance beim Big-Four-Beratungsunternehmen Deloitte. «In den Markt kommt bezüglich Übernahmen in diesem Jahr sehr viel Bewegung, und in den nächsten Jahren erwarten wir eine Fortsetzung des Trends», sagt er auf Anfrage. Insbesondere grössere Vermögensverwalter mit Kundengeldern über einer Milliarde Franken wollten das neue regulatorische Umfeld nutzen, um sich gezielt zu verstärken, berichtet er. Auch West berät derzeit mehrere Transaktionen in diesem Bereich.
«Geredet wird viel»
Sofort zukaufen würde Reuss Private, wie deren CEO Felix Brem auf Anfrage bestätigt. Die Vermögensverwaltung-Gruppe, die zu den grössten im Land zählt und in Deutschland bereits sehr aktiv kleinere Mitbewerber eingebunden hat, ist aber noch nicht fündig geworden.
«Geredet wird viel, gehandelt wenig», lautet Brems Fazit. Weiterhin hegten Verkaufswillige exorbitante Preisvorstellungen und zeigten wenig Wille, nach dem Verkauf noch über Jahre beim Unternehmen zu bleiben. Das sieht Brem jedoch als Voraussetzung an, um Kunden erfolgreich zu übernehmen.
Doch auch er stellt fest, dass der Druck zugenommen hat – und die immer wieder beschworene Konsolidierung nun tatsächlich näher rückt. So wie Reuss Private denken wohl diverse weitere Mitglieder der Allianz Schweizer Vermögensverwalter (ASV), eine Netzwerk-Plattform für die grösseren Akteure der Branche, wo auch Schwergewichte wie die Aquila-Gruppe oder Swisspartners mittun.
Finma prüft genau nach
Dass es nun zu handfesten Fusionen und Übernahmen kommen könnte, hat laut den Branchenkenner diverse Gründe. Eine Ursache, die immer wieder genannt wird, ist die Regulation: Bis Ende 2022 müssen sich alle unabhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz einer bewilligten Aufsichtsorganisationen (AO) unterstellen. Dies in Zusammenhang mit den Fidleg-Finig-Verordnungen. Nach einer Annahme durch die AO prüft dann noch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) jedes einzelne Gesuch.
Wie es heisst, ist die Bewilligungseingabe das eine; aufwändiger wird es jedoch, wenn die Prüfer vorbeischauen und Prozesse angepasst werden müssen, insbesondere im Bereich der Sorgfaltspflichten. Das wird über die nächsten Monaten für immer mehr Vermögensverwalter Realität werden – und damit die «Schmerzen» verursachen, wie ein Insider berichtet.
Mehr als 100 streichen die Segel
Andere haben bereits einen Entschluss gefasst: Laut der Finma werden 121 Vermögensverwalter entweder ihr Geschäft aufgeben oder es mit anderen zusammenlegen. Dies hätten die Kleininstitute letztes Jahr als Grund angegeben, kein Bewilligungsgesuch einzureichen.
Ex-Grossbanker Hossli beobachtet derweil, dass die AO-Unterstellung viele Akteure zum Nachdenken über Grundsätzliches bringt. «Die Regulierung ist ein Auslöser, um das bestehende Geschäftsmodell zu hinterfragen», erklärt er. Eine Integration sei ein mögliches Ergebnis solcher Überlegungen.
Übernahmen als Geschäftsstrategie
Zu bekannten «Konsolidieren» wie der Aquila-Gruppe oder Corum, die den Plattform-Ansatz pflegen, gesellen sich hier neuerdings auch Kräfte, die sich der Konsolidierung an sich verschrieben haben. Seit vergangenen März ist auch in der Schweiz Cinerius aktiv, hinter dem Unternehmen steht der amerikanische Finanzinvestor Summit Partners.
Ziel sind dort bis zu acht Übernahmen in der DACH-Region pro Jahr; wer als unabhängiger Vermögensverwalter bei Cinerius unters Holding-Dach schlüpft, muss mindestens 75 Prozent der Anteile abgeben.
Oder doch lieber auslagern?
Statt des Verkaufs könnten Schweizer EAM aber auch zum Schluss kommen, dass sie sich mehr aufs Kerngeschäft konzentrieren. «Arbeitsteilung heisst das grosse Schlagwort», erklärt Reuss-CEO Brem. Gerade kleinere Anbieter würden künftig fast gezwungen sein, Dienste an Service-Anbieter auszulagern. Nicht von ungefähr setzen diverse Schweizer Regtechs auf Aufträge von unabhängigen Vermögensverwaltern.
Ob das Outsourcing der Konsolidierung mittelfristig den Rang abläuft, wird sich weisen. Deutlicher ist, und hier sind sich alle befragten Branchenkenner einig: «Der Leidensdruck nimmt zu.»