Mit der stetigen Zunahme von neuen digitalen Finanzdienstleistern nimmt der Druck auf die Schweizer Banken zu. Aber treiben diese Challengerbanken die eingesessenen Institute tatsächlich vor sich her?

Yuh hat in kürzester Zeit mehrere zehntausend Nutzer gewonnen, Neon hat 2020 die Kunden verdreifacht, Inyova expandiert nach Deutschland, Yapeal hat das Angebot auf Crossborder-Geldtransfers ausgedehnt, Zak werkelt an einem Krypto-Angebot, CSX pumpt Millionen ins Marketing, Flow Bank wirbt mit einem einfachen Zugang zu Investmentprodukten, und mit Fea Money ist eine Banking-App nur für Frauen am Start – ganz klar, auf dem Schweizer Finanzplatz hat sich ein neues Konkurrenzfeld aufgetan.

Mit der Flut von neuen Schweizer Finanz-Apps, Neo- oder Smartphone-Banken ist der Hype um die ausländischen «Challenger», die britische Revolut und die deutsche N26 etwas in den Hintergrund geraten.

Keine Auswirkungen sichtbar

Aber es gilt als ausgemacht: Neo- oder Challengerbanken fordern das Schweizer Retailbanking heraus, stehlen ihnen mit ihren günstigen Angeboten und einfacher Nutzbarkeit Marktanteile, treiben den Strukturwandel voran und sorgen für einen zunehmend intensiveren Wettbewerb.

Aber ist dem tatsächlich so? finews.ch führte kürzlich mit einem Top-Manager einer bedeutenden Schweizer Bank ein informelles Gespräch über das Thema Challengerbanken. Aussage: Weder Revolut noch sonst einer der neuen Markteintritte habe bislang spürbare Auswirkungen auf die Erlöse in der Schweiz gehabt.

Es seien in erster Linie die neuen Hypothekar-Plattformen sowie Versicherer und Pensionskassen mit deutlich günstigeren Hypo-Kreditangeboten, welche dem Kerngeschäft etwas zu schaffen machen würden.

Wo lauern die Gefahren wirklich?

Die Aussage überrascht – und auch wieder nicht. Denn nach einem etwas differenzierten Blick erweist sich, dass keiner der sogenannten Challenger über ein Dienstleistungsangebot verfügt, das für eine etablierte Regional-, Kantonal- oder Grossbank eine echte Gefahr darstellen würde.

Nicht einmal Revolut, welche sich mit der Zahl von über 350'000 Kunden brüstet. Klar, die Revolut-Kreditkarte mit massiv günstigeren Auslandsgebühren punktet. Aber die Definition einer Schweizer Challengerbank erfüllt Revolut nicht.

Die einen können, die anderen wollen nicht

«Revolut hat sich in der Schweiz zwar eine beachtliche Kundenbasis aufgebaut, die mit Kreditkartzahlungen im Ausland viel Geld sparen können», sagt etwa Deloitte-Bankenberater Anthony West. «Aber ich würde Revolut nicht als Challenger der etablierten Schweizer Institute bezeichnen. Dazu fehlt es an einem umfassenden Dienstleistungsangebot, beispielsweise im Kreditbereich.»

N26, das zweite Neobanken-Unicorn mit Schweizer Geschäft, erfüllt die Kriterien noch viel weniger: Seit dem Markteintritt vor zwei Jahren hat sich am Angebot eines Euro-Kontos für Schweizer Kunden nicht viel geändert. Disruptiver Wandel sieht anders aus.

Neon, die erste unabhängige Schweizer Smartphone-Bank, will erklärtermassen «klein bleiben», was die eigenen Ressourcen betrifft und verfolgt mit der Anbindung von Dritt-Services eine Open-Banking-Strategie in der Nische.

Kontrast: Bewegliche Fintechs, träge Banken

Nischen besetzen auch andere Neu-Anbieter wie beispielsweise Inyova mit Impact Investing. Das funktioniert aufs Erste auch sehr gut, denn die Schweizer Bankenlandschaft zeichnet sich nach wie vor durch Uniformität und ein sehr geringe Beweglichkeit aus.

Dieser Kontrast zwischen der trägen Bankenlandschaft und der sehr lebendigen Fintech-Startup-Szene mag auch als Beleg dienen, dass den Schweizer Finanzinstituten bislang kein Challenger auf den Fersen ist. Ganz anders ist es beispielsweise in Grossbritannien oder in den USA, wo sich Anbieter wie Monzo oder Starling (GB), Chime, Current oder Varo Bank (USA) in anderen Sphären bewegen, hunderte von Millionen an Investorengeldern sammeln und über Kundenzahlen im zweistelligen Millionenbereich verfügen.

Weder finanzielle Mittel noch Dringlichkeit vorhanden

Gleichzeitig stecken US-Grossbanken wie Goldman Sachs oder J.P. Morgan jährlich bis zu 30 Milliarden Dollar in ihre technologische Transformation, um die Oberhand zu behalten. Das sind Summen, mit denen keine Schweizer Bank mithalten kann.

Wer sich in den Chefetagen der grösseren Schweizer Finanzinstitute umhört, erkennt auch keine wirkliche Dringlichkeit. Zu gering ist der Druck der Herausforderer und auf die eigenen Erträge. Die Basler Kantonalbank, beziehungsweise Cler mit der eigenen Smartphone-Bank Zak, zerreisst keine grossen Stricke, weder was Wachstum, noch was Beweglichkeit betrifft.

CSX, das vergangenes Jahr lancierte Digital-Angebot der Credit Suisse, wird derzeit wieder massiv mit Marketing-Millionen gepusht, was nicht darauf schliessen lässt, dass CSX als Publikumsrenner gestartet ist.

Im Preisgefüge ist Bewegung

CSX, so heisst es vielfach auch innerhalb der CS, ist nicht als Antwort auf Revolut und Konsorten lanciert worden, sondern um jene CS-Retailkunden aufzufangen, denen die Standard-Bankingpakete (Konto und Kreditkarte) schlicht zu teuer geworden sind.

Damit stimmt auch die Feststellung, dass das Preisgefüge im Schweizer Banking in erster Linie durch eigene Preissenkungen in Bewegung gekommen ist, weniger aufgrund des Drucks von vermeintlichen Challengerbanken.

Man tut sich nicht weh

Insofern sind bankeigene Angebote wie Zak oder CSX sowie Startups wie Inyova, Neon oder Yapeal als komplementär zum bestehenden Banken-Angebot zu interpretieren. Sie bringen eine Vielfalt und fördern die Transparenz. Aber man tut sich nicht weh, will auch das Bestandesgeschäft nicht kannibalisieren und ein Leidensdruck ist angesichts anhaltend guter Geschäftszahlen weit und breit nicht spürbar.

Der Schweizer Markt ist, so sieht es aus, nicht gemacht für Challengerbanken, wie auch Deloitte-Berater West bemerkt: «Ich zweifle daran, ob der Schweizer Markt für eine echte Challengerbank mit hoher Dienstleistungstiefe einschliesslich Kreditgeschäft überhaupt attraktiv ist. Die Kundenakquisitionskosten sind für diese beschränkte Marktgrösse schlicht zu hoch.»