Das Vorgehen von Cerberus bei der Commerzbank ist exemplarisch für die Welle von aktivistischen Investoren, die geschwächte Unternehmen angreifen. Die UBS will davon profitieren – und hat einen Prognose-Algorithmus programmiert.
Amerikanische Hedgefonds und Private-Equity-Häuser haben in den letzten Jahren ihren Fokus verstärkt auf europäische Unternehmen gerichtet: Diese scheinen verletzlicher, seit Europa strukturell langsamer wächst als die USA oder China. Prominentes Beispiel ist derzeit die deutsche Commerzbank und der US-Investor Cerberus, der nun CEO und Aufsichtsrat der Bank zum Rücktritt bewegt hat; und dies mit dem Gewicht von gerade mal 5 Prozent der Commerzbank-Aktien.
In der Schweiz sind Aktionärsaktivisten beispielsweise beim Asset Manager GAM investiert. Die UBS hat selbst mit forschen Aktionärsforderungen Erfahrung: Der Asset Manager Knight Finke forderte wiederholt eine Abspaltung der Investmentbank.
Jährlich investieren Aktivisten einen zweistelligen Milliardenbetrag in Unternehmen, die aus ihrer Sicht unterbewertet sind. Investmentbanken haben dies erkannt und ihre M&A-Beratungsteams entsprechend ausgerichtet.
Aus der Küche des Aktivist Defence Teams
Die UBS Investmentbank hat nun ein Prognose-Werkzeug entwickelt, das die Wahrscheinlichkeit für Unternehmen berechnet, Angriffsziel von aktivistischen Investoren zu werden. UBS-Guard (Global Utility for Activism Risk and Defence) wurde von Darren Novak (Bild unten) und seinem Team in London entwickelt. Novak war letztes Jahr vom Co-Chef der UBS-Investmentbank Piero Novelli eigens von New York nach London beordert worden, um mit einem «Aktivist Defence Team» in Europa tätig zu werden.
Die UBS war damit reichlich spät dran, US-Investmentbanken haben in Europa inzwischen den grössten Marktanteil im Beratungsgeschäft. Mit UBS-Guard hat Novak nun zumindest ein interessantes Werkzeug entwickelt, dass es den Investmentbankern ermöglicht, Unternehmenskunden zu gewinnen.
Tool für Prognose und Prävention
Guard basiert auf einem Algorithmus, der Unternehmen aufzeigt, ob, wann und warum sie Angriffsziel von aktivistischen Investoren werden könnten, wie einer Mitteilung der UBS zu entnehmen ist. So liefert Guard auch sehr gut verwertbare Informationen, welche die eigenen Investmentbanker für einen «Pitch» bei bestehenden oder portenziellen Unternehmenskunden verwenden können.
Denn Guard analysiert Unternehmensbilanzen und kann Szenarien aufzeigen, auf welche Schwachpunkte sich Aktivisten stürzen werden. Unternehmen können – mit Hilfe der Banker – wiederum Prävention betreiben, um Aktivisten fernzuhalten.
Machine Learning
Laut UBS nutzt Guard über 220 Millionen verschiedene Datenpunkte und analysiert über 5'000 aktivistische Ereignisse aus der Vergangenheit, um die Wahrscheinlichkeiten zu berechnen und Angriffe zu definieren. Im Fokus sei dabei ein grosser Bereich von Unternehmen. Der Algorithmus lernt dabei ständig neu dazu und verwertet auch diese Daten.
Das Timing für die Lancierung von Guard in Europa scheint richtig: Die Coronakrise und die Marktverwerfungen haben unterschwellige Probleme bei Unternehmen und bestehende Schwächen verschärft und transparenter gemacht, was aktivistische Investoren vermehrt auf den Plan rufen dürfte.
«Wir gehen von mehr M&A-verwandten Aktivisten-Kampagnen im zweiten Halbjahr sowie im Jahr 2021 aus», sagte Novak gemäss Mitteilung. Guard ist für Unternehmenskunden selber zugänglich und lieferte die Analysen. Doch die Interpretation des Banker im UBS Activist Defence Team sei wesentlich, um daraus die Bedürfnisse der Kunden abzuleiten, so Novak.