Untergangspropheten in London zweifeln, ob Grossbritannien seine Position als beliebteste Destination der Reichen dieser Welt bewahren kann. Die Realität sei vielgestaltiger, erklärt David Durlacher, der Chef von Julius Bär im Vereinigten Königkreich.
Herr Durlacher, ist Grossbritannien wegen dem Brexit für vermögende Kunden bereits weniger attraktiv?
Nein. Weder verlassen wohlhabende Kunden das Vereinigte Königreich, noch sind sie davon abgeschreckt, überhaupt hierherzukommen. Eine kürzlich von EY veröffentlichte Umfrage zeigt, dass Investoren Grossbritannien immer noch als hochattraktiv empfinden.
Ausländische Direktinvestitionen liegen immer noch auf dem gleichen Niveau wie vor dem Brexit. Und das Land zieht nach wie vor ein Zehntel aller grenzüberschreitenden M&A-Deals weltweit an.
Was hätte ein Brexit ohne Abkommen – ein sogenannter No-Deal Brexit – für Auswirkungen auf Ihre Klientel?
Die einheimischen Reichen würden die Auswirkungen vermutlich wegen dem Effekt aufs Pfund und auf die Aktienpreise von kleinen und mittleren Firmen spüren. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass nur sehr wenige unserer Kunden grössere Investitionen in Pfund-Vermögenswerten besitzen und die meisten würden wohl Auswirkungen dank ihrer globalen Diversifikation kaum spüren.
Die Kehrseite der Münze ist, dass Pfund-Vermögenswerte für ausländische Kunden vergleichsweise billig würden, und dass möglicherweise ein harter Brexit zu vermehrten Zuflüssen von Vermögenswerten führen würde.
Julius Bär ist als einer der wenigen internationalen Vermögensverwalter mit einer grossen Onshore-Präsenz auch ausserhalb Londons. Sind diese Investitionen durch die Aussicht auf einen Brexit (unter welchem Szenario auch immer) in Gefahr?
Nein, unsere Kunden erwarten von uns, dass wir eine globale Sichtweise für ihre Investitionen einbringen. In diesen volatilen Zeiten sind diese Einsichten so wichtig geworden wie nie zuvor. Wir sind Grossbritannien langfristig verpflichtet, was auch immer im Oktober passiert.
David Durlacher ist der CEO von Julius Baer International in London und leitet das Geschäft in Grossbritannien und Irland. Er kam 2013 als Leiter des Kundenmanagements zur Schweizer Bank, nachdem Julius Bär das internationale Vermögensverwaltungsgeschäft der US-Bank Merrill Lynch übernommen hatte, wo Durlacher seine Karriere 1999 begann. Er studierte an der University of Edinburgh.