Hinter dem heute begonnenen Cum-Ex-Prozess in Zürich steckt mehr Politik, als man auf den ersten Blick vermutet. Gleichzeitig schlägt auch die Bank J. Safra Sarasin eine neue Gangart ein.
Seit dem heutigen Dienstag um 08:15 Uhr stehen drei deutsche Staatsbürger vor dem Zürcher Bezirksgericht. Die Vorwürfe, gegen den sie sich behaupten müssen: Geheimnisverrat, Wirtschaftsspionage und Verstoss gegen das Bankgeheimnis.
Hinter den Fallnummern DG180059-L, DG180060-L und DG180061-L stehen die drei Angeklagten, so der Anwalt Eckart Seith, ein ehemaliger Ex-Sarasin-Rechtschef sowie ein weiterer Ex-Angestellter der Bank. Sie sollen gemeinsam einem Kunden der Bank, dem schwerreichen deutschen Drogerie-König Erwin Müller zum Sieg verholfen haben, als dieser gegen die Bank J. Safra Sarasin prozessierte. Seith war Müllers Anwalt.
Wie auch finews.ch Mitte Februar berichtete, musste J. Safra Sarasin Müller insgesamt 50 Millionen Euro zahlen. Dies für die Verluste, die dieser mit Investitionen in Cum-Ex-Fonds erlitten hatte. Zur Erinnerung: Mit Cum-Ex-Geschäften wurden mehrere Staaten in ganz Europa um über 55 Milliarden Euro geprellt.
Am Prozess verdient?
Laut der Agentur «dpa» ging das folgendermassen: Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttungsanspruch rasch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende sei dem Fiskus nicht mehr klar gewesen, wem die Papiere überhaupt gehörten. In der Folge hätten Finanzämter über mehrere Jahre Kapitalertrags-Steuern rückerstattet, die gar nicht bezahlt worden waren.
Laut der Zürcher Staatsanwaltschaft hat nun aber Müller den Prozess nicht ganz redlich gewonnen. So sollen die zwei ehemaligen Sarasin-Angestellten dem Anwalt Unterlagen, unter anderem ein Gutachten der Bank über die Chancen des Prozesses sowie bankinterne Mails und Aufzeichnungen von Kundengesprächen mit Müller, zugespielt haben. Dafür soll ihnen eine Beteiligung am Prozesserlös versprochen worden sein, so der Vorwurf.
Die Angeklagten bestreiten den von der Staatsanwaltschaft beschriebenen Hergang. Seith sieht sich ausserdem laut der «Neuen Zürcher Zeitung» als Whistleblower. Denn schliesslich habe er die Dokumente nicht nur für den Prozess verwendet, sondern ausserdem der deutschen Finanzaufsicht weitergeleitet und ausserdem Strafanzeige wegen der Cum-Ex-Geschäfte bei der Kölner Staatsanwaltschaft eingereicht.
Amtshilfe aus Deutschland
Dafür sei er nun ins Visier der Schweizer Justiz geraten. Tatsächlich gibt es Stimmen, die den Schutz von Whistleblowern in der Schweiz bemängeln, so die Nichtregierungs-Organisation Transparency International.
Das sieht man in Deutschland ähnlich. So schickt das deutsche Aussenministerium laut dem deutschen «Handelsblatt» einen Prozessbeobachter nach Zürich, und daneben wird ausserdem ein Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, Fabio De Masi, im Gericht anwesend sein.
Interessanterweise gehen im Cum-Ex-Komplex auch deutsche Behörden gegen Enthüller vor. So hat die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Rechtshilfebegehren der Zürcher Kollegen angenommen, die gegen den Chefredakteur des deutschen Recherchenetzwerks «Correctiv» ermitteln wollen.
Aggressivere Bank
Der wurde von der Bank J. Safra Sarasin angezeigt, wegen den Enthüllungen des Cum-Ex-Skandals.
Von Seiten der Bank sollte so ein aggressiver Auftritt eigentlich überraschen, hüllen sich Privatbanken doch eher in Schweigen und handeln diskret hinter den Kulissen. Doch wer sich mit J. Safra Sarasin auskennt, der weiss, dass sich diese Zeiten seit der Übernahme der Bank Sarasin geändert haben.
Die Bank trete, heisst es aus informierten Kreisen bezüglich ihrer Rechtsfälle, eher als Investment- denn als Privatbank auf, sprich aggressiv und öffentlichkeitswirksam. Auch im am Dienstag beginnenden Prozess steht die Bank als Privatklägerin auf der Seite der Staatsanwaltschaft.