Raiffeisen Schweiz arbeitet fieberhaft auf das Delegiertentreffen vom November hin. Doch die wirklich schicksalsschweren Ereignisse gehen erst nächstes Jahr über die Bühne, wie finews.ch erfahren hat.
Der Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz, der St. Galler Zentrale der 246 Schweizer Raiffeisenbanken, hat alle Hände voll zu tun. Nur noch gut zwei Monate sind es hin zur ausserordentlichen Versammlung der Raiffeisen-Delegierten am 10. November im aargauischen Brugg.
Dort werden die rund 160 Abgesandten der Genossenschaftsbanken unter anderem über die Neubesetzung des Verwaltungsrats und allenfalls über die Entlastung (Décharge) für das bisherige Aufsichtsgremium befinden.
Entsprechend herrscht Hektik am Raiffeisenplatz in St. Gallen. Wie finews.ch erfahren hat, soll bis Mitte September feststehen, wer Raiffeisen Schweiz künftig präsidiert.
Gehrig-Bericht als Schlüssel
Ebenfalls müssen vier neue Verwaltungsräte gefunden werden – auch hier steht offenbar eine so genannte Shortlist an Kandidaten. Schliesslich sollen im November Kernerkenntnisse aus dem «Gehrig-Bericht» vorliegen, mit dem Raiffeisen die Ära Vincenz durchleuchtet.
Jene Erkenntnisse brauchen die Delegierten, um über die Décharge zu befinden. Ob die (bereits letzten Juni verschobene) Entlastung auf den November traktandiert wird, gilt jedoch zum jetzigen Zeitpunkt als ungewiss.
Wird sie erneut verschoben, gesellt sie sich zu den wichtigen Entscheidungen und Vorgängen, die bei der Raiffeisen Gruppe erst nach dem November über die Bühne gehen – immer mehr zeichnet sich deshalb ab, dass 2019 zum eigentlichen Schicksalsjahr für die Erneuerung der dritten Kraft im Swiss Banking wird.
Das sind die vier wichtigsten Ereignisse:
1. Neuer CEO
Die Suche nach einem Nachfolger für den amtierenden Raiffeisen-Chef Patrik Gisel hat begonnen; wie bei jener nach den neuen Raiffeisen-Schweiz-Verwaltungsräten wurde der Zürcher Headhunter Guido Schilling damit beauftragt. Doch es kommt zu Verzögerungen, weil erst der im November konstituierte Raiffeisen-Verwaltungsrat den neuen CEO wählen wird. Eine Ernennung wäre also frühestens im selben Monat möglich. Als realistisch gilt jedoch das Jahresende respektive der Januar 2019. Solange bleibt Gisel im Amt.
2. Prozess gegen Ex-Chef Pierin Vincenz
Erst nächstes Jahr rechnen Beobachter mit dem Prozess gegen Gisels Amtsvorgänger Pierin Vincenz. Ihm wird von der Zürcher Staatsanwaltschaft ungetreue Geschäftsführung in Zusammenhang mit Beteiligungen von Raiffeisen und der Zürcher Zahlungsspezialistin Aduno vorgeworfen. Nachdem Vincenz vergangenen Juni aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist, lässt die Anklageschrift auf sich warten. Vom Prozess muss angenommen werden, dass er die Bankengruppe nochmals in den Grundfesten erschüttert.
3. Interne Reformen
Diesen August hat Raiffeisen-Schweiz-Vizepräsident Pascal Gantenbein «Fokus 21» angekündigt. Das Strategieprogramm soll die Bankengruppe fit fürs 21. Jahrhundert machen und die Zusammenarbeit zwischen den Raiffeiseninstituten und der Zentrale verbessern. Wie zu erfahren war, geht es dabei um eine Grundsatzdiskussion: Wie viel Mitsprache erhalten die Institute, was wird an die Zentrale gezahlt, und welche Leistungen soll letztere noch erbringen – so lauten die drängendsten Fragen.
Eine vertiefte Diskussion dazu dürfte erst im ersten Quartal 2019 stattfinden.
4. AG (k)ein rotes Tuch
Im Enforcement-Bereicht vom vergangenen Juni verpflichtete die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) die Bankengruppe, «die Vor- und Nachteile einer Umwandlung von Raiffeisen Schweiz in eine Aktiengesellschaft vertieft zu prüfen», wie es damals hiess. Laut Raiffeisen Schweiz ist diese Prüfung «ergebnisoffen» – doch zwischen den Zeilen liest sich das als klare Weisung der Aufsicht. Die Finma sieht deutliche Governance-Vorteile bei einer AG, ebenfalls die leichtere Kapitalbeschaffung im Krisenfall.
Eine AG ist aber für viele Raiffeisen-Genossenschafter aus ideologischen Gründen ein rotes Tuch. Entsprechend dürften sich die Gemüter erhitzen, wenn Raiffeisen Schweiz im ersten Quartal 2019 ihren Vorschlag zur Finma-Weisung in die Diskussion schickt. Wie zu vernehmen war, tritt die Zentrale für die Genossenschafts-Form ein, kann aber auch der AG Positives abgewinnen. Es ist also nicht zu erwarten, dass Raiffeisen Schweiz der Finma einfach einen Korb gibt.