Kaum hat die Bank Vontobel ein starkes Semesterergebnis hingelegt, macht ihr ein akutes Reputations-Problem zu schaffen.
Die Halbjahres-Zahlen, welche die Bank Vontobel am vergangenen Freitag präsentierte, hatten es in sich. Nicht nur die starken Neugeldzuflüsse waren beeindruckend, sondern auch die Tatsache, dass alle Bereiche zum guten Ergebnis beigetragen haben, wie auch finews.ch berichtete.
Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der geplanten Integration der übernommenen Notenstein La Roche Privatbank dürfte das Institut seinen Erfolgskurs fortsetzen. Darum war es auch nicht ganz erstaunlich, dass das Zürcher Traditionshaus sich gleich noch neue Profitabilitätsziele setzte.
Negative Schlagzeilen
Und selbst wenn Vontobel-CEO Zeno Staub in seiner im typischen Art vor jeglichem Überschwang warnte, lässt sich dennoch festhalten, dass er in den vergangenen Jahren einen hervorragenden Job geleistet hat. Das schlägt sich nicht zuletzt auch in der beachtlichen Aktienkurs-Entwicklung nieder. Allein seit Anfang 2018 haben die Papiere um gut 20 Prozent zugelegt, was Vontobel zum attraktivsten Privatbanken-Titel hierzulande überhaupt macht.
Umso ärgerlicher ist es nun, dass Vontobel ungewollt für negative Schlagzeilen sorgt. Es geht um folgendes: Zunächst hatte die «Bild am Sonntag» (Artikel kostenpflichtig) berichtet, der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn habe eine Bankverbindung mit Vontobel. Das alleine wäre noch nicht verwerflich. Doch weil er damit offenbar auch in Deutschland anfallende Steuern nicht bezahlt hätte, erwachse daraus auch für die Zürcher Bank ein Reputationsproblem.
Sensible US-Justiz
Tatsächlich haben die US-Justizbehörden im vergangenen Mai einen Haftbefehl gegen den 70-jährigen Winterkorn erlassen, wie diverse Medien berichteten. Das Justizministerium unterstellt dem früheren Topmanager Betrug. Er soll zudem «Teil einer Verschwörung» zum Verstoss gegen US-Umweltgesetze und zur Täuschung der Behörden gewesen sein. Winterkorn habe bereits im Mai 2014 von den Manipulationen bei Abgasmessungen gewusst, sich jedoch entschieden, den Betrug fortzusetzen, heisst es in der 40-seitigen Anklageschrift.
Auf Anfrage erklärte ein Sprecher des Zürcher Instituts, Vontobel beachte alle gesetzlichen Regelungen. Aufgrund der Schweizer Gesetze sei es der Bank jedoch nicht erlaubt, bestehende oder gar auch nicht bestehende Kontoverbindungen zu kommentieren. «Darüber hinaus weisen wir auf den seit 2017 bestehenden Automatischen Austausch von Informationen (AIA) über Finanzkonten zwischen der Schweiz und Deutschland hin, mit dem vollständige Transparenz gegeben ist», erklärte der Sprecher weiter.
Am Montag nun meldete die «Frankfurter Allgemeine Zeitung», dass die deutschen Behörden kein Ermittlungsverfahren gegen Winterkorn wegen Steuerhinterziehung führten. In dem Zusammenhang erlangte Erkenntnisse gehörten aber in die Akten. Denn die möglichen Transferierungen von Vermögen könnten eine Rolle spielen bei der Frage, ob und wann der Beschuldigte Kenntnis von den Diesel-Manipulationen erhalten und eventuell darauf reagiert hat.
Schlecht für die ganze Branche
Wie weit diese juristischen Verwicklungen Auswirkungen auf Vontobel haben könnten, lässt sich vorerst kaum abschätzen. Klar ist indessen, dass es für Schweizer Banken generell nicht besonders förderlich ist, im Zusammenhang mit US-Rechtsfällen erwähnt zu werden – vor allem dann nicht, wenn es dabei um Steuerfragen geht. Wie es die Geschichte gezeigt hat, reagieren die amerikanischen Behörden auf derlei Vergehen besonders sensibel.
Vontobel hat allerdings noch ein zweites Reputationsproblem – in Deutschland. Denn mit Winterkorn steht – nach FC-Bayern-München-Manager Uli Hoeness – erneut ein deutscher Kunde in den Schlagzeilen. Diese Häufung ist grundsätzlich unvorteilhaft für die gesamte Schweizer Bankbranche, die aus Sicht vieler Deutschen unabwendbar im Ruf steht, den Reichen bei Steuermauscheleien zu sekundieren – selbst wenn heute mit dem AIA und der Know-your-customer-Vorschrift gleich zwei Regelwerke in Kraft sind, die Steuerhinterziehung im Prinzip verunmöglichen.