Die Credit Suisse funktioniert wie zahlreiche andere Grossbanken auch noch auf teils völlig veralteten IT-Systemen. Chef-Informatiker Claude Honegger erklärt, warum das gar nicht so schlimm ist.
IT-Legacy-System ist in der digitalen Finanzbranche ein geflügeltes Wort und insbesondere für Grossbanken ein heisses Eisen: Denn die Ablösung einer alten IT-Plattform durch eine neue ist eine Herkulesaufgabe, die enorme Kosten verschlingt, Kapazitäten vereinnahmt sowie Zeit beansprucht und zudem mit hohen operationellen Risiken verbunden ist.
Dies erklärt Claude Honegger, der Chef-Informatiker der Credit Suisse (CS), anschaulich in einem Interview mit der Informatik-Webseite «Inside-IT».
«Wünsche viel Erfolg»
Aktuelle Schweizer Beispiele für laufende oder geplante IT-Migrationen sind derzeit Raiffeisen, wo das Projekt annähernd eine halbe Milliarde Franken verschlingt und einiges an unvorhergesehenen Mühen bereitet.
Auch die Postfinance wird an an Ostern auf ein neues Kernbankensystem wechseln – auch dies ein äusserst heikles Projekt, über das Honegger nüchtern sagt: «Ich wünsche ihnen viel Erfolg».
Im IT-Slang heissen solche Vollmigrationen «Big Bang» – denn der Wechsel erfolgt nach langen Vorbereitungen mehr oder weniger auf einen Schlag. Die CS hingegen wählt laut Honegger einen anderen Ansatz und nennt diesen «Managed Evolution». Dieser folgt einer etappenweisen Erneuerung der IT-Infrastruktur.
Vier bis sieben Jahre Aufwand
Honegger sagt weiter, die CS habe sich gegen einen «Big Bang» entschieden, weil ein Unterfangen dieser Grössenordnung die Bank für eine lange Zeit lähmen würde. «Den Zeitaufwand für einen Vollersatz würde ich auf vier bis sieben Jahre schätzen», so der IT-Chef. Von den Kosten spricht Honegger dabei nicht einmal.
Zahlreiche gescheiterte Projekte dieser Art haben Honegger genügend Anschauungsunterricht geliefert. Es habe in Europa verschiedene grosse Banken gegeben, die mittels «Big Bang» ihr Universalbankensystem hätten ersetzen wollen. «Alle mir bekannten Bemühungen hat man abgebrochen, meist aus Komplexitätsgründen», sagt er.
Anders als die UBS
Die IT-Erneuerungsstrategie der CS erlaube es hingegen, zielgerichtet zu investieren und somit das Implementationsrisiko zu vermindern. Es gebe schlicht kein IT-Paket auf dem Markt, das die CS-Plattformen abdecken könne.
So habe sich die Bank auch entschieden, keinen Ansatz wie die UBS mit ihrer kürzlich ausgerollten «One Wealth»-Plattform zu verfolgen. Die Rivalin hat ihr gesamtes Europa-Geschäft im Wealth Management auf eine Plattform migriert und plant weitere Schritte in Richtung globale Lösung. Für die CS komme so etwas aus Zeit- und Kostengründen nicht in Frage. Die UBS hat für «One Wealth» Ausgaben von über 1 Milliarde Franken veranschlagt.
Das Richtige im richtigen Moment
Honegger vergleicht die CS-IT mit einer Stadt, die aus älteren und neuen Gebäuden besteht und einer Infrastruktur, die man von Zeit zu Zeit erneuern müsse. «Vieles, was man heute als Legacy betrachtet, läuft sehr stabil und kosteneffizient», beruhigt Honegger. Die Kunst sei, das Richtige im richtigen Moment zu ersetzen.
Dabei kaufe die CS mehrheitlich Systeme ein. Doch habe sie zusammen mit Partnern im Bereich Compliance Lösungen entwickelt, die so gut seien, dass es dafür inzwischen eine Nachfrage gebe. «Es ist nicht so, dass wir ein Software-Provider werden wollen», erklärt Honegger weiter. Doch könne die CS auf diesem Weg ihre Kosten teilen.
Digitalisierung: Viel Geld für wenig Nutzen
Honegger hat auch klare Meinungen zum Digitalisierungs- und Blockchain-Hype. «Digitalisierung um der Digitalisierung willen ist sehr gefährlich», betont er. Man könne dafür viel Geld für wenig Nutzen ausgeben und sogar das eigene Geschäftsmodell negativ beeinflussen.
Zur Entwicklung von Blockchain-Anwendungen im R3-Konsortium sagt er, nur weil es die Technologie gebe, dürfe «es nicht sein, dass wir ein Problem suchen, das wir damit lösen können».