Grosse Vermögensverwalter werden im künftigen Wettbewerbsumfeld bessere Chancen haben als kleine Anbieter. Doch sie müssen sich stärker anpassen, folgert eine Studie von Oliver Wyman – 10 Thesen.
Trotz zahlreicher Unwägbarkeiten haben sich viele Vermögensverwalter im vergangenen Jahr wacker geschlagen – weltweit. Die Aussicht auf steigende Zinsen, Steuerentlastungen sowie auf weniger Bestimmungen und Gesetze für den Finanzsektor in den USA haben grosse Hoffnungen geweckt.
Doch die Lage bleibt angespannt, zumal die Kosten aus verschiedenen Gründen hoch bleiben; zum einen aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung, zum andern wegen der gestiegenen Kundenwünsche und «last but not least» aufgrund der bereits eingeführten Regeln und Richtlinien.
Das global tätige Beratungsunternehmen Oliver Wyman hat vor diesem Hintergrund einige Thesen formuliert, wohin sich das Wealth Management in den nächsten Jahren entwickeln wird respektive wohin sich die Vermögensverwaltungsbanken entwickeln sollten, um den vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden.
1. Grosse Firmen sind im Vorteil
In einer zunehmend komplexeren Welt (Stichwort: Regulation) und vielfältigsten Kundenerwartungen sind grosse Vermögensverwalter im Vorteil, weil sie besser auf die Wünsche der Klientel eingehen können – vor allem dank Skaleneffekten auch zu tieferen Kosten, wie die Spezialisten von Oliver Wyman feststellen.
2. Das Vermögenswachstum schwächelt
Die mit der Wahl von Donald Trump zum 45. US-Präsidenten verbundenen Effekte führten vor allem gegen Ende 2016 dazu, dass die globalen Kundenvermögen (Assets under Management, AuM) nicht wie erwartet 5 Prozent, sondern im Durchschnitt sogar 7 Prozent zulegten.
Dieser Trend werde sich 2017 aber nicht wiederholen, vermuten die Experten. Dafür sprechen verschiedene Gründe: Der Aufwind an der Börse dürfte im laufenden Jahr schwächer werden; viele Kunden begegnen Alternativen Anlagen trotz allem nur sehr zurückhaltend und investieren lieber in passive Produkte, was mehrheitlich aber zu tieferen Renditen führt.
3. Das Kreditgeschäft gerät ins Stocken
Vor allem in Asien hat die Kreditvergabe an Privatkunden in den vergangenen Jahrzehnten das Wachstum in der Vermögensverwaltung enorm beschleunigt – und den Banken schöne Erträge vermittelt. Doch immer mehr asiatische Unternehmer oder deren Nachfahren ziehen es nun vor, ihr Geld ins Trockene zu bringen, es teilweise sogar nachhaltig anzulegen, anstatt weiter mit Krediten zu spekulieren. Vor diesem Hintergrund müssen sich die Wealth Manager nach neuen Ertragsquellen umsehen, folgert man bei Oliver Wyman.
4. Schwellenländer leiden unter dem Automatischen Informationsaustausch
War in der Vergangenheit vor allem davon die Rede, dass die Schweiz nach dem faktischen Ende des Bankgeheimnisses deutliche Kapitalabflüsse erleiden werde – was sich recht eigentlich nicht materialisiert hat –, so droht dieses Schicksal nun einigen Schwellenländern. Vor allem wenn der Automatische Informationsaustausch (AIA) im nächsten Jahr im grossen Stil in Kraft tritt.
Allein in Asien rechnen die Fachleute von Oliver Wyman damit, dass etwa 520 Milliarden Dollar aus klassischen Offshore-Destinationen, sprich, wo man es in der Vergangenheit mit den Steuern nicht so genau nahm, verschwinden werden. Und in Lateinamerika werden es etwa 210 Milliarden Dollar sein. Davon werden einerseits die klassischen Finanzplätze profitieren sowie jene Banken, die in den jeweiligen Ländern eine starke Onshore-Präsenz aufgebaut haben.
5. Digitalisierung erfasst immer weitere Bereiche
Anfänglich ging es in Sachen Fintech vor allem darum, dem Kunden mehr Annehmlichkeiten online anzubieten – dies mit mehr oder weniger Erfolg, je nachdem, ob es sich beim jeweiligen Tool bloss um ein Gadget oder um eine digitale Dienstleistung mit Mehrwert handelte.
Nun ist die Finanzbranche bereits einen Schritt weiter. Fintech heisst jetzt vor allem, Kosten in den administrativen Bereichen (sogar in der Compliance) einsparen zu können. Das macht die Geldhäuser sicherlich effizienter. Doch geht dies – verbunden mit anhaltenden Personalauslagerungen – auch auf Kosten der Beschäftigten.
6. Alternative Anlagen sind der Rettungsanker
Vieles deutet darauf hin, dass das Zinsumfeld in den nächsten Jahren nicht gross ändern wird. Vor diesem Hintergrund kommen immer mehr Banken zum Schluss, dass die klassische Vermögensverteilung (Asset Allocation) überholt ist.
Die Kunden können heutzutage und in Zukunft nur noch Geld verdienen, wenn sie in Alternative Anlagen investieren, also in Private Equity, Hedgefonds, Infrastrukturvorhaben; Investmentvehikel, die der grösseren Klientel vorbehalten sind. Das Kunststück wird für die Banken darin bestehen, solche Anlagen auch der Massenkundschaft irgendwie zugänglich zu machen.
7. Onshore-Banking wird zum Erfolgsfaktor
Gerade weil sich für viele Finanzhäuser das frühere Offshore-Geschäft nicht mehr rechnet, liegt der Fokus nun auf dem sogenannten Onshore-Banking, wo es darum geht, mit lokaler Expertise aufzutrumpfen. Gleichzeitig müssen Banken in globale Plattformen investieren. Denn dies ist auf Dauer günstiger, als in jedem Land eine eigene IT zu haben.
8. Cross-Selling: Bloss alter Wein in neuen Schläuchen?
Der Ansatz wird zwar in Fachkreisen schon seit Jahren propagiert, doch bislang konnte sich das sogenannte Cross-Selling, bei dem sich diverse Abteilungen die Kunden zuführen, bei kaum einer Bank richtig durchsetzen. Doch die Experten von Oliver Wyman kommen ganz klar zum Schluss, dass kein Weg an dieser Art von Kooperation vorbeiführt, zumal die Betreuung sehr guter Kunden immer komplexer und kostspieliger wird.
9. Mehr Verständnis in der Beratung nötig
Genauso, wie sich die klassische Asset-Allokation überholt hat, erreicht auch der klassische Beratungsansatz mittlerweile seine Grenzen. Kunden bloss in finanziellen sprich in spekulativen Belangen zu beraten ist passé; heute zählt ganzheitliche Beratung anhand der verschiedenen Lebenszyklen, die ein Kunden respektive seine Familie durchmachen. Bloss sind im Moment noch viele Banken mit dieser Art von Beratung nicht so weit, vor allem nicht, wenn verschiedene dieser Dienstleistungen auch noch digital angeboten werden sollen.
10. Auf drei Dinge kommt es künftig an
Das Bankgeschäft spielt sich heute und in Zukunft vor allem über eine hochleistungsfähige Plattform ab, die länder- und kundenspezifisch sein muss, aber gleichzeitig skalierbar ist. Um diese Plattform zu bewirtschaften, braucht es Daten respektive einen gezielten Einsatz und Umgang mit den verfügbaren Daten. Zudem geht es darum, an den Scharnierfunktionen das menschliche Know-how einzusetzen. So präsentiert sich das Geschäftsmodell der Zukunft – den Finanzhäusern ist es überlassen, je nach Strategie ihre Akzente zu setzen.