Der Name Wolfsberg weckt vor allem bei gestandenen «Bankgesellen» noch allerhand Erinnerungen. Heute lebt die Idee dahinter vor allem in Asien weiter.
Der Wolfsberg ist ein Ausbildungszentrum im thurgauischen Ermatingen, das der legendäre SBG-Chef Robert Holzach (1922–2009) in den siebziger Jahren initiiert hatte. Die Idee war kühn, wenn nicht gar visionär. Der Wolfsberg war eine Kaderschmiede, wo die künftige Elite der Bankgesellschaft auf höhere Aufgaben eingestimmt wurde.
Im Wolfsberg wurden keine 08/15-Kurse geboten. Stets ging es dort um einen Mix aus «Fachausbildung, Führungslehre und ganzheitsbezogene Bildung», wie es Holzach einmal formulierte.
Begegnungen mit der Boulevardpresse
Das alles wurde durchaus in Lehrgängen und Schulstunden gepaukt, aber auch in Diskussionen erörtert und oftmals sogar in Rollenspielen und Theaterszenen inszeniert – etwa, wie man als Kadermann der Boulevardpresse Paroli bietet oder mit politischen Demonstranten vor einer Geschäftsstelle umgeht.
Im geselligeren Teil der Ausbildung organisierten die Wolfsberg-Verantwortlichen Exkursionen und Treffen mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Wer nicht in den Wolfsberg berufen wurde, hatte innerhalb der SBG keine Chance auf eine weitere Karriere.
Leiter Ernst Mühlemann
Erster Vorsteher des Zentrums war der 2009 verstorbene Ernst Mühlemann. Der vormalige Internatsleiter des Lehrerseminars im nahen Kreuzlingen, der später Karriere als FDP-Nationalrat und «Schatten-Aussenminister» machte, verstand es auf unnachahmliche Weise, ideale Rahmenbedingungen auf dem Wolfsberg zu schaffen.
Schloss Wolfsberg in Ermatingen im Kanton Thurgau
In seinem 20-jährigen Engagement für diese Institution brachte er unzählige Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Militär und Wirtschaft an diesen Ort und verschaffte so dem Wolfsberg ein auch über die Landesgrenzen hinausreichendes Renommee.
Ein informelles Netzwerk
Die Angestellten wiederum, die das Glück hatten, dort ausgebildet zu werden, gehörten fortan einem informellen Netzwerk an, das ihnen auf ihrem weiteren Karriereweg höchst wertvolle Dienste leistete – ähnlich wie das Schweizer Militär. Für die SBG war diese Stätte eine ihrer besten Profilierungsmöglichkeiten.
Mit der Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein (SBV) 1998 verlor der Wolfsberg an Bedeutung, weil mit dem Schulterschluss eine andere Kultur in der «neuen» UBS Einzug hielt; gleichzeitig besass der SBV ein Ausbildungszentrum am Thunersee.
Verlust an Bedeutung
Ausserdem trieb die Globalisierung im Bankwesen den Aktionsradius der UBS immer weiter über die Landesgrenzen hinaus.
Als Folge davon besitzt der Wolfsberg längst nicht mehr den Stellenwert von früher. Heute bezeichnet sich das Zentrum als «The Platform for Executive & Business Development» und nur kleingedruckt figuriert noch der Vermerk: «A Subsidiary of UBS».
Talente jetzt in Asien
Kommt hinzu, dass das Bankwesen, insbesondere das schweizerische, derzeit in einer Sinnkrise steckt. Entsprechend verhalten ist die Aufbruchstimmung.
Nicht so in Asien, namentlich in Südostasien. Dort boomt das Business – auch für die UBS – und «Talente», wie herausragende Bankangestellte im globalen Marketing-Lingo heute heissen, sind gesucht. Nicht überraschend geniesst das Swiss Banking in diesen Breitengraden einen hohen Stellenwert.
Weitsichtige Standort-Politik
Denn das Know-how, um sehr vermögende Kunden zu betreuen, existierte in Asien lange nicht. Die ganz grosse Wohlstandskreation fand erst in den vergangenen 20 Jahren statt. In diesem Zeitraum ist es Singapur dank einer weitsichtigen Standort-Politik gelungen, sich als das Finanzzentrum in Südostasien zu etablieren.
Dabei hat die UBS eine massgebliche Rolle gespielt, war sie doch via SBG bereits seit 1971 mit einer Vertretung vor Ort. Im Jahr 1975 eröffnete der SBV eine Niederlassung; die SBG firmierte ihre Vertretung 1979 ebenfalls in eine Niederlassung um.
Sitz des britischen Militärs
Seit 2007 betreibt die UBS in Singapur ihren «asiatischen Wolfsberg»: das Command House. Gemeint ist damit ein 1938 errichtetes Anwesen in einem Park, das jahrzehntelang als Sitz des britischen Militärs in dieser Kolonie diente.
Später war es das Wohnhaus der jeweiligen Parlamentssprecher Singapurs und Repräsentanz für Staatsanlässe, bevor 2007 die UBS dort einziehen durfte – als Anerkennung für die wertvollen Dienste, welche die früheren SBG-Verantwortlichen beim Aufbau des Finanzplatzes geleistet hatten.
Superreiche Klientel
Heute firmiert das Command House als UBS Business University. Gerade weil für die Betreuung der superreichen Klientel Asiens mehr als nur eine Private-Banking-Schnellbleiche erforderlich ist, erfahren hier die Werte und Tugenden von früher in neuer Ausgestaltung eine Renaissance.
Gefragt ist klassische Vermögensverwaltung à la Swiss Private Banking; also Planung, Service und Beratung für viele Lebensbereiche im Alltag wohlhabender Personen und Familien.
Neue Rollenspiele
Unter diesen Prämissen bietet die UBS ihren Mitarbeitern berufsbegleitende Lehrgänge mit Zertifizierung, Diplom-Abschlüssen oder Master-Titel. Über das Fachliche hinaus vermitteln die internen und externen Referenten auch eine «ganzheitsbezogene Bildung» in Form von Diskussionen, Rollenspielen und Präsentationen, ganz im Sinne von Wolfsberg-Initiant Robert Holzach.
So lebt der Wolfsberg heute in Asien weiter – und es geht ihm gut. So gut, dass mittlerweile auch Kunden der UBS in das Ausbildungszentrum geladen werden, um sie interdisziplinär mit Themen rund um Geld und Vermögen vertraut zu machen.
Bloss noch Asien?
Damit verbunden sind unterschiedlichste Begegnungsmöglichkeiten zum Gedankenaustausch sowie Seminare für die jüngeren Angehörigen von Asiens reichsten Familien.
So wächst ein Netzwerk heran, das für die Bank einen enormen Wert hat. Angesichts der nicht ablassenden Querelen mit den USA fragt sich zunehmend, ob Schweizer Banken ihr Augenmerk im Ausland nicht verstärkt auf Asien richten sollten.