Der AHV-Ausgleichsfonds Compenswiss musste sich wegen der Bevorzugung ausländischer Vermögensverwalter heftige Kritik gefallen lassen. Präsident Manuel Leuthold sagt nun gegenüber finews.ch, worauf es bei der Auswahl wirklich ankommt.
Herr Leuthold, letztes Jahr klagte Compenswiss über «Magerkost an der Börse». Was hat der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO während der vergangenen Monate vorgefunden?
Das Anlagejahr 2016 war von grossen Unsicherheiten an den Märkten geprägt. Hinzu kamen negative Anleihenrenditen sowie die Strafzinsen, von denen auch Compenswiss auf seinen Barbeständen betroffen war. Kurz: Das Umfeld war denkbar schwierig.
Vorletztes Jahr erlitt Compenswiss einen Verlust von 237 Millionen Franken auf dem Vorsorgevermögen. Endete 2016 ähnlich rot?
Im Gegenteil, wir haben im vergangenen Jahr erfolgreich gearbeitet. Auf dem heutigen Stand rechne ich mit einer Rendite von 3 Prozent. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass wir 2016 schwarze Zahlen vorweisen können.
«Das war ein Schock, der sich 2016 nicht wiederholen sollte»
Die AHV kann jeden Zustupf gebrauchen. Seit 2013 ist das Betriebsergebnis des Vorsorgewerks negativ – 2015 nochmals 2,3 Milliarden Franken schlechter als im Jahr zuvor. Da müssen Ihnen Forderungen nach höheren Renten wie die AHV-Plus-Initiative wohl sauer aufstossen?
Im vorletzten Jahr waren sowohl das Umlage- als auch das Anlageergebnis der AHV negativ. Das war ein Schock, der sich für 2016 aber nicht wiederholen sollte. Was die politischen Forderungen nach Rentenerhöhungen betrifft, will ich mich nicht äussern. Grundsätzlich ist die Aussicht, bei einem negativen Umlageergebnis noch zusätzlich 4 Milliarden Franken pro Jahr aufbringen zu müssen, wenig erfreulich.
Jetzt droht die Rentenreform 2020, die das Vorsorgewerk auf eine neue Basis stellen soll, wegen eines vom Ständerat geforderten Zustupfs von 70 Franken an die AHV-Rente zu scheitern. Was steht da auf dem Spiel?
Wir sind zuversichtlich, dass die beiden Eidgenössischen Ratskammern im kommenden März doch noch einen Kompromiss finden werden. Im Herbst folgt dann die Volksabstimmung über die Teilverwendung der Mehrwertsteuer für die AHV. Dann wissen wir bei Compenswiss, was zu tun ist.
«Wir müssen wohl weiter mit einem schrumpfenden Rentenvermögen rechnen»
Was denn?
Wenn wir erkennen, wohin die Reise geht, können wir auch unsere Anlagestrategie entsprechend gestalten. Das gibt uns für die nächsten zehn Jahre Planungs-Sicherheit.
Und wenn die Reform abgelehnt wird?
Dann sind wir wieder zurück auf Feld eins. Für die nächsten Jahre müssen wir wohl weiter mit einem schrumpfenden Rentenvermögen rechnen. Für dessen Verwaltung hiesse das: kurzfristiger und liquider anlegen.
Für Compenswiss sind die politischen Entscheide aber keine Generalabsolution. Sie haben den Auftrag, marktgerechte Renditen zu liefern. Wie bewerkstelligen Sie das?
Langfristig gesehen rentiert der Ausgleichfonds etwas weniger als der Durchschnitt der Pensionskassen. Dies liegt auch daran, dass wir innerhalb von Grenzen operieren: Wir legen rund 36 Milliarden Franken Vermögen an, drehen aber im Umlageverfahren jedes Jahr rund 45 Milliarden Franken. Zudem halten wir stets bis zu 4 Milliarden Franken in Cash, um eine hohe Liquidität zu sichern. Ich hoffe, dass wir mit den Entscheiden von 2017 langfristiger investieren können. Das würde die Renditen verbessern.
«Das würde ich nie so plakativ sagen»
Auf der Suche nach Renditen vergibt Compenswiss seine Mandate bevorzugt an ausländische Vermögensverwalter. Das hat Ihnen zuletzt jede Menge Kritik eingetragen. Was kann ein US-Vermögensverwalter wie Blackrock denn besser als eine Schweizer UBS?
Moment. Wir verwalten intern soviel Vermögen wie möglich, gegenwärtig rund 55 Prozent. Dies mit Experten, die von uns angestellt sind, und die wir nach klaren Zielen messen. Ein knappes Viertel der aktiv verwalteten Vermögen geben wir extern an Schweizer Anbieter, der grössere Rest liegt bei der ausländischen Konkurrenz. Wir arbeiten dabei nur mit erfahrenen Asset Managern zusammen – wir wollen nicht das Versuchskaninchen spielen.
Ist die Anlage-Kompetenz im Ausland denn grösser als in der Schweiz?
Das würde ich nie so plakativ sagen. Wir sehen es so, dass wir für bestimmte Mandate im Ausland die richtigen Kompetenzen finden. Die Auswahl wird jeweils von der Compenswiss-Geschäftsleitung getroffen und vom Verwaltungsrat kontrolliert – dies stets mit dem Ziel, die beste Rendite für die Versicherten zu erzielen.
«Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir die Kosten nochmals signifikant senken»
Compenswiss wurde auch wegen der Ausgaben für externe Mandate gescholten. Wie verteidigen Sie Ihr Budget von zuletzt gut 11 Millionen Franken?
Wir müssen auf die Kosten achten, aber gleichzeitig die wichtigen Funktionen unter Kontrolle behalten. Wir haben in den vergangenen Monaten Kosten internalisiert, Mandate zurückgenommen und Investment-Expertise im Haus aufgebaut. So erzielen wir längerfristig deutliche Einsparungen. Damit haben wir meiner Meinung nach das Mögliche bereits getan.
Weitere Einsparungen sind unmöglich?
Wir haben für einen Betrieb mit gut 50 Angestellten ein gutes Niveau erreicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir die Kosten nochmals signifikant senken.
«Deshalb habe ich auch weitere Angebote im Inland angenommen»
Sie legen 25 Prozent der Vermögen in inländischen Investments an. Schweizer Pensionskassen sind dazu übergegangen, gleich selber Hypotheken zu vergeben. Wäre das auch was für Compenswiss?
Alles, was konstante Erträge in Franken bringt, ist natürlich sehr erwünscht. Die UBS bietet zum Beispiel mit der Hypotheken-Plattform Atrium ein interessantes Angebot. Doch solange wir nicht Klarheit bezüglich der Rentenreform haben, warten wir zu.
A propos UBS: Sie waren lange Zeit als Manager für die Grossbank tätig, sitzen nun im Verwaltungsrat der Genfer Privatbank Cramer und in den Aufsichtsorganen der Immobilienfirmen Fundim und Varia Properties. Bestehen da keine Interessenskonflikte?
Mein Mandat bei Compenswiss entspricht einem Pensum von rund 30 Prozent. Das ist gut und geniesst entsprechende Priorität bei mir. Natürlich möchte ich aber als erfahrener Banker die restlichen 70 Prozent ausfüllen. Deshalb habe ich auch weitere Angebote im Inland, die mir gemacht wurden, angenommen. Dabei wird intern streng darauf geachtet, dass die Mandate kein Risiko irgendwelcher Art für Compenswiss darstellen.
«Wir nehmen unsere Stimmrechte bei Schweizer Investments systematisch wahr»
Schon Ihr Vorgänger bei der Compenswiss, Marco J. Netzer, war Teil des Aufsichtsorgans der Banque Cramer. Woher kommt die enge Bindung des Ausgleichsfonds zum Genfer Institut?
Das ist reiner Zufall.
So?
Ich sehe keine möglichen Berührungspunkte für eine reine Privatbank wie Cramer und ein Vorsorgewerk von der Grösse der Compenswiss. Ich kannte Herrn Netzer vor meiner Einführung bei Compenswiss nicht persönlich – hingegen habe ich mit den Eignern von Cramer, Norinvest, während meiner Karriere Bekanntschaft gemacht.
Gemäss der Verordnung gegen übermässige Vergütungen sind institutionelle Investoren gehalten, die Governance von Firmen im Auge zu behalten, bei denen sie investiert sind. Wie aktivistisch gibt sich da Compenswiss?
Wir sind der Verordnung nicht unterstellt. Compenswiss hat aber freiwillig entschieden, seine Stimmrechte bei Schweizer Investments systematisch wahrzunehmen. Wir arbeiten dazu mit einem Aktionärsrecht-Spezialisten zusammen, haben aber eigene Kriterien entwickelt, nach denen wir bei Firmen aktiv werden können. Wenn uns etwas nicht gefällt, tun wir das auch.
Der 57-jährige Genfer Manuel Leuthold amtet seit gut einem Jahr im Teilzeit-Mandat als Präsident von Compenswiss. Der Jurist und Ökonom kann eine lange Karriere im Westschweizer Banking vorweisen. Zuletzt war er als Group Chief Administrative Officer bei der Banque Edmond de Rothschild Holding tätig, wo er 2012 die Leitung des operativen Geschäfts übernommen hatte.
Zuvor machte Leuthold bei der UBS Karriere und war Chef des Firmenkunden-Geschäfts, bis er 2011 auf diesem Posten abgelöst wurde. Anschliessend agierte er bei der Grossbank als Vice Chairman mit Schwerpunkt Westschweiz.