Drei Regulierungen für Sustainable Finance werden die Branche in den nächsten Jahren prägen. Vom Produktangebot über das Risikomanagement bis hin zu Klimaaspekten in der Strategie erfordern diese Regeln rasches Handeln, um im grünen Finanzwettbewerb mitzuhalten, wie August Benz von der Schweizerischen Bankiervereinigung schreibt.
Der Schweizer Finanzsektor startet in eine neue Ära. Drei Regulierungen werden in Kraft treten, die darauf abzielen, Nachhaltigkeit langfristig in der Finanzwelt zu verankern.
Seit dem 1. September 2024 gelten die weiterentwickelten Selbstregulierungen der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) und der Asset Management Association (AMAS), auf den 1. Januar 2025 soll das Finma-Rundschreiben zum Management naturbezogener Finanzrisiken in Kraft treten und im ersten Quartal 2025 wird die Vernehmlassung zur Anpassung der Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange erwartet. Bei letzterer werden die Transitionspläne von Finanzinstitutionen im Zentrum stehen.
Diese Regulierungen – sowohl von staatlicher Seite als auch von der Branche vorgegeben – stellen nicht nur eine Anpassung bestehender Regeln dar, sondern eine grundlegende Veränderung der Bedeutung von Nachhaltigkeit im Finanzgeschäft.
Jede der drei Regulierungen zielt auf einen kritischen Aspekt im Bankgeschäft ab, von der Art und Weise, wie Produkte konzipiert, verwaltet und verkauft werden, bis hin zum Umgang mit Umweltrisiken und der Integration von Klimaaspekten in die Geschäftsstrategie. Während sich der globale Trend zur Nachhaltigkeit beschleunigt, positionieren diese Regulierungen die Schweiz an der Spitze der grünen Finanzindustrie.
Selbstregulierungen für mehr Transparenz
Swiss Banking und AMAS haben weiterentwickelte Selbstregulierungen eingeführt, die definieren, wie nachhaltige Finanzprodukte konzipiert, verwaltet, vermarktet und verkauft werden müssen. In einem Markt, in dem Kundinnen und Kunden immer mehr Transparenz und Verantwortlichkeit als Grundlage für ihre Anlageentscheidungen verlangen, sollen diese Regeln sicherstellen, dass Nach-haltigkeit nicht nur ein Schlagwort, sondern ein zentraler Bestandteil jedes Finanzangebots ist.
Finanzinstitute müssen nun klare und detaillierte Informationen darüber bereitstellen, wie ihre Produkte ökologische, soziale und Corporate-Governance-Kriterien (ESG-Kriterien) erfüllen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf echter Nachhaltigkeit, der Vermeidung von «Greenwashing»-Praktiken und das umfassende Informieren der Kundinnen und Kunden über die Auswirkungen ihrer Investitionen.
Die überarbeiteten Vorschriften übertragen den Vertriebsteams auch neue Verantwortlichkeiten, um diese Nachhaltigkeitsstandards in ihren Interaktionen mit der Kundschaft widerzuspiegeln. Dies erfordert erhebliche Änderungen bei Schulungen, Marketingmaterialien und der Überwachung der Einhaltung von Vorschriften.
Die Umsetzung der neuen Anforderungen wird anspruchsvoll sein. Finanzinstitute müssen ihre ge-samte Produktpalette neu beurteilen, ihre Offenlegungspraktiken prüfen und in die Schulung ihrer Mitarbeitenden investieren, um sicherzustellen, dass Nachhaltigkeit in ihrer Vertriebskultur verankert wird. Die potenziellen Vorteile sind jedoch beträchtlich: Die Einhaltung der Vorschriften steht nicht nur im Einklang mit den globalen Nachhaltigkeitszielen, sie kann auch das Vertrauen der Kundinnen und Kunden und die Reputation der Marke in einem wettbewerbsintensiven Markt stärken.
Finma-Rundschreiben für das Management von Umweltrisiken
Das jüngste Rundschreiben der Finma zum Management naturbezogener Finanzrisiken stellt eine Novität für den Schweizer Finanzsektor dar. In Anerkennung des entscheidenden Einflusses von Umweltfaktoren auf die Finanzstabilität verlangt dieses Rundschreiben von Finanzinstituten eine solide Integration von Umweltrisiken in alle Aspekte ihres Risikomanagements.
Finanzinstitute werden voraussichtlich ab Januar 2025 verpflichtet sein, umfassende Umweltrisikobeurteilungen durchzuführen und diese in den breiteren Rahmen ihres Risikomanagements zu integrieren. Dazu gehören Szenarioanalysen und Stresstests, um sicherzustellen, dass sie auf die finanziellen Auswirkungen von Umweltveränderungen vorbereitet sind.
Die Herausforderung für Finanzinstitute liegt in der Komplexität der Anforderungen. Umweltrisiken sind vielschichtig und oft unvorhersehbar, was neue Instrumente, Methoden und Fachkenntnisse verlangt. Darüber hinaus erfordert die Verordnung einen Kulturwandel, bei welchem das Management von Umweltrisiken nicht mehr als Nebenaspekt, sondern als Kernpunkt der finanziellen Entscheidungsfindung betrachtet wird.
Unternehmen, die in der Lage sind, diese Praktiken erfolgreich zu integrieren, werden nicht nur die Vorschriften einhalten, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil erlangen, indem sie ihre Widerstandsfähigkeit und Weitsicht im Umgang mit Umweltproblemen unter Beweis stellen.
Klima-Transitionspläne für mehr Rechenschaft
Die dritte Regulierung verpflichtet die Schweizer Finanzinstitute, Klimaschutzpläne zu entwickeln und umzusetzen, die mit dem Übereinkommen von Paris und den Schweizer Klimaschutzbestimmungen in Einklang stehen.
Diese Klimapläne sollen sicherstellen, dass die Finanzinstitute nicht nur passive Beobachter, sondern im Rahmen ihrer Rolle aktiv an den globalen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels teilnehmen. Im Unterschied zur Realwirtschaft ist aber der Anteil an nicht selbst kontrollierten Emissionen viel höher, werden doch die durch Kundenentscheide «finanzierten» Emissionen mitgerechnet.
Konkret müssen sich die Bankinstitute klare und messbare Ziele setzen, um ihren CO2-Fussabdruck sowohl im operativen Geschäft als auch in ihren eigenen Anlageportfolios zu reduzieren. Diese Ziele müssen mit den Netto-Null-Zielen des Pariser Klimaabkommens vereinbar sein, was den Finanzsektor zu einem wichtigen Akteur in der allgemeinen Klimastrategie der Schweiz macht.
Zudem wird eine regelmässige Berichterstattung über die erzielten Fortschritte gefordert, um Transparenz zu schaffen und die Institute für ihre Klimaverpflichtungen zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Erarbeitung von Klimaplänen ist keine einfache Aufgabe. Sie erfordert eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, von der strategischen Planung bis zum Risikomanagement, und die Zusammenarbeit mit externen Stakeholdern, um Veränderungen in der gesamten Wertschöpfungskette voranzutreiben. Finanzinstitute müssen zudem in neue Technologien investieren, um ihre Fort-schritte genau überwachen und darüber berichten zu können.
Über die Einhaltung von Vorschriften hinaus bieten diese Pläne jedoch einen strategischen Vorteil für die Finanzinstitute: Indem sie sich als Vorreiter beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft positionieren, können sie nachhaltigkeitsorientierte Investoren und Kundinnen anziehen.
Ganzheitliches Vorgehen
Die gleichzeitige Umsetzung dieser drei Regulierungen stellt für viele Bankinstitute eine grosse Herausforderung dar. Jede Vorschrift befasst sich jeweils mit einem anderen Aspekt von Sustainable Finance. Ihr Zusammenspiel bedeutet aber, dass keine Abteilung isoliert wirken kann. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, ist es essenziell, dass Produktmanagement, Vertrieb, Risikomanagement und strategische Planung nahtlos zusammenarbeiten.
Des Weiteren verlangen die überarbeiteten Selbstregulierungen, dass Nachhaltigkeit bei den Finanzprodukten und am Point of Sale durch ein solides Umweltrisikomanagement unterstützt wird. Auch die Klimaschutzpläne erfordern eine Abstimmung aller Geschäftsaktivitäten, um langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Diese Vernetzung bedeutet, dass Finanzinstitute die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen fördern müssen, um die Vorschriften effektiv umzusetzen.
Damit die notwendigen Veränderungen vorangetrieben werden können, ist ausserdem eine starke Führung erforderlich. Das Ziel besteht nicht nur darin, die Vorschriften einzuhalten, sondern sie in einen Wettbewerbsvorteil umzuwandeln, indem Nachhaltigkeit in den Kern des Unternehmens integriert wird, von der Strategie bis hin zum Tagesgeschäft.
Regulierung als Chance
Die neue Regulierungswelle für Sustainable Finance in der Schweiz markiert einen kritischen Zeitpunkt für den Finanzsektor. Die verschiedenen Regulierungen sind mehr als blosse Compliance-Anforderungen. Sie bieten den Schweizer Finanzinstituten die Chance, eine Vorreiterrolle im globalen Wandel hin zu einem nachhaltigen Finanzplatz einzunehmen.
Aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Vorschriften müssen die Institute jedoch rasch und entschlossen handeln. Der vor ihnen liegende Weg ist anspruchsvoll, aber diejenigen, die ihn erfolgreich beschreiten, werden sowohl finanziell als auch in Bezug auf ihre Reputation belohnt werden.