Derzeit besitzen rund 100 unabhängige Vermögensverwalter eine Finma-Lizenz – notabene von mehr als 2'000 Firmen. Dass sich da ein Engpass abzeichne, liege auf der Hand, schreibt der Finanzexperte Ariel Sergio Davidoff in einem Gastbeitrag auf finews.ch.

Vielen unabhängigen Vermögensverwaltern in der Schweiz werden schon seit Jahren nur geringe Überlebenschancen attestiert. Doch die Branche floriert und gibt sich lebenslustig: Zwischen 2016 und 2020 nahm die Zahl der unabhängigen Vermögensverwalter – oder Neudeutsch External Asset Managers (EAM) genannt – um 70 Prozent zu. Derzeit sollen es leicht über 2'000 sein.

Je nach Quelle betreuen sie insgesamt bis zu 600 Milliarden Franken, also mehr als ein Zehntel aller deponierten Vermögenswerte in der Schweiz. Rund die Hälfte der EAM hat nur bis zu drei Mitarbeitende, und mehr als 70 Prozent dieser Akteure verwalten weniger als hundert Kundenbeziehungen.

Vielfältige Daseinsberechtigung

Doch weshalb wächst die Branche so munter? Ein Grund dafür dürfte sein, dass ein einzelner Vermögensverwalter bereits mit 30 Millionen Franken an Kundengeldern profitabel sein kann. Ein älterer EAM erklärte mir kürzlich, dass er von seinen langjährigen Kunden 1 Prozent bis 1,5 Prozent für seine Vermögensverwaltung erhalte. So komme er nach eigenen Angaben auf 400‘000 Franken an Bruttoeinnahmen pro Jahr.

Je nach Marge bezieht ein EAM somit im Vergleich zu einem Bankgehalt ein respektables Einkommen – nach Kosten.

Die Daseinsberechtigung der unabhängigen Vermögensverwalter ist vielfältig. Aus Kundensicht geht der EAM konkreter und flexibler auf die Bedürfnisse ein als die meisten Banken. Es besteht ein reichhaltiger, zwangsfreier Dialog zwischen Kunde und Berater. Ebenfalls im Gegensatz zu den Banken wechseln die Kontaktpersonen kaum. So entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis, genauso wie mit dem Hausarzt oder Familienjuristen. Da EAMs selbst Unternehmer sind, profitieren sie auch vom Sympathiebonus – denn viele Kunden sind auch Unternehmer.

Tiefverwurzelte Verlustaversion

Und gemessen an der Performance des jeweiligen Portfolios arbeiten unabhängige Vermögensverwalter kaum schlechter als Banken. Das ist wichtig aufgrund der tiefverwurzelten «Verlustaversion» vieler Menschen, wonach Verluste höher gewichtet werden als Gewinne.

Bemerkenswert ist auch, dass Banken und EAMs professionell zusammenarbeiten. Natürlich möchte die Bank die Kundinnen und Kunden der unabhängigen Vermögensverwalter lieber selber betreuen. Doch die meisten Banken haben gelernt, die Klientel der EAMs zu respektieren, weil dies langfristig mehr bringt. Denn sie profitieren auch als Depotbank. Schwierig wird es erst, wenn ein bisheriger Kundenberater die Bank verlässt und dabei seine Kundinnen und Kunden mitnehmen möchte. In diesen Fällen ist ein enormes Verhandlungsgeschick nötig.

Wo sich die Banken zurückziehen

Mit Blick auf die zunehmende Regulierung und die Notwendigkeit, sich lizenzieren zu lassen, haben jene EAMs gute Karten, die sich auf bestimmte Märkte spezialisieren – insbesondere auf jene, aus denen sich die Banken aus Ertragsüberlegungen zurückziehen. Beispielsweise gibt es immer weniger Finanzinstitute, die noch Kundinnen und Kunden in Argentinien, Kanada, Usbekistan, Kirgisien, Japan oder Indonesien aus der Schweiz heraus akquirieren.

Ähnliches gilt für Vermögensverwalter, die sich auf illiquide Anlageklassen (Private Equity, Private Debt, Private Markets, Club Deals Startups) sowie auf Themen wie «Digital Health» oder Kryptowährungen fokussieren. Zugegeben, diese Geschäftsfelder sind anspruchsvoll, aber die Nachfrage danach wächst kontinuierlich.

Warnung der Finma

Die Frist zu Erlangung einer Lizenz läuft Ende 2022 aus. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat unmissverständlich erklärt, dass es keine Verlängerung dieser Frist geben werde. Daher müssen die EAMs handeln. Denn es ist absehbar, dass auch die Depotbanken «ihre» EAMs reguliert sehen wollen.

Derzeit besitzen rund 100 unabhängige Vermögensverwalter eine Lizenz – notabene von mehr als 2'000 Firmen. Dass sich da ein Engpass abzeichnet – auch mit den Aufsichtsorganisationen, welche die Vorprüfung machen –, liegt auf der Hand, und davor hat die Finma bereits gewarnt.

Meiner Beobachtung nach hat die Konsolidierung in der Branche aufgrund der regulatorischen Umstände noch nicht an Fahrt aufgenommen. Ich sehe, dass viele Gespräche stattfinden, aber Paare sich selten finden. Vor diesem Hintergrund dürften jene EAMs, die einen Anbieter finden, der ihnen modular jene Prozesse und Dienstleistungen anbietet, die sie für ihr «Setup» benötigen, die besten Chancen haben. Man darf also gespannt sein, wie sich die EAM-Landschaft in zwölf Monaten präsentieren wird.


Ariel Sergio Davidoff ist Verwaltungsratspräsident der Firmen WMZ Holding und Wealth Management Zürich. Darüber hinaus ist er Partner der in Zürich ansässigen Anwaltskanzlei Lindenmannlaw und unabhängiger Verwaltungsrat in einer Reihe von Unternehmen. Er blickt auf mehr als 30 Jahre an Erfahrung in der schweizerischen und liechtensteinischen Bankenwelt. Unter anderem hatte er Führungspositionen bei der Credit Suisse, UBS, Kaiser Partner und Schroders inne. Als promovierter Betriebsökonom verfügt er über einen Master of Laws der Universität Zürich in internationalem Wirtschaftsrecht und über eine STEP-Qualifikation.