In der Schweiz ist ein vielfältiges Fintech-Ökosystem entstanden, das sich weiter ausdehnt. Doch unterm Strich scheitern die meisten Startups. Was den Erfolg ausmacht, sagen hier fünf Experten.
Andres Kubli: «Schnell lernen, agil sein, anpassen»
Chef Multichannel Management & Digitization UBS Schweiz
Fintechs brauchen eine gute Geschäftsidee, die dem Kunden einen möglichst grossen Mehrwert bietet. Für die harte Aufbauarbeit braucht es viel kooperativen Spirit und einen langen Atem, um den richtigen Product-Market-Fit zu finden. Insbesondere im Bereich «Business to Customer» ist eine breite Kundenbasis zentral. Diese in der Schweiz aufzubauen, ist sehr aufwendig und kostspielig, weshalb Kooperationen mit etablierten Partnern in der Vergangenheit besonders erfolgsversprechend waren.
Wo nötig, Hilfe holen
Die Startups Bexio oder Sumup konnten sich dank UBS-Partnerschaft etablieren. Ich gehe davon aus, dass weitere hinzukommen werden. Wichtig ist zudem, dass Startups von Anfang an versuchen, ein breites Ökosystem aufzbauen und wo nötig Hilfe holen. Mittlerweile gibt es viele Accelerator-Programme wie den Kickstart Accelerator oder unsere Future of Finance Challenge, die Geschäftsideen durchleuchten und Jungunternehmern wertvolle Tipps und Kontakte vermitteln.
Schliesslich muss ein Startup von seiner Agilität Gebrauch machen und die Geschäftsidee laufend den Kundenbedürfnissen anpassen. Viele Startups haben mich in den letzten Jahren bezüglich ihres schnellen Lernprozesses beeindruckt.
Katka Letzing: «Kontakte und Netzwerke nutzen, Ratschläge annehmen»
Fintech Vertical Lead, Kickstart Accelerator
Die Schweiz bietet eine hervorragende Plattform für Fintech-Startups, weil sie hier auf ein hochwertiges Netzwerk von Banken, Unternehmen und anderen Organisationen treffen, die ihnen Unterstützung in Belangen wie Know-how, Finanzierung, Netzwerk und Kooperationen bieten können. Aus meiner Erfahrung ist dies einer der wichtigsten Aspekte, der die Schweiz für Fintech-Startups attraktiv macht.
Viel Einsatz und Leidenschaft
Das ist ein zentraler Punkt aus unserer Erfahrung beim Kickstart Accelerator: Dass Fintechs diese Rahmenbedingungen auch nutzen. Jene Startups, die Kontakte mit Unternehmen wie der UBS, Credit Suisse, Swisscom, Raiffeisen oder EY und PwC geknüpft haben, erzielten die grössten Fortschritte. Die meisten Fintech-Gründer realisieren den Wert, ihr Startup in der Schweiz zu führen. Sie nutzen das Accelerator-Programm, um auch Kontakte im lokalen Fintech-Ökosystem zu knüpfen. Denn auch diese Kontakte helfen enorm. Es hat sich als entscheidend herausgestellt, dass Fintechs Ratschläge von Banken, Unternehmen und anderen Organisationen ernst nehmen.
Meiner Meinung nach liegt ein Hauptgrund für ein Scheitern von Fintechs darin, dass sie sich Rat von aussen verschliessen oder von Mentoren schlecht beraten und begleitet werden. Erfolg von Schweizer Fintechs macht demnach ein breit abgestütztes Netzwerk aus sowie strategische Partnerschaften; neben einer guten Planung, viel Einsatz und Leidenschaft.
Andreas Iten: «Geschäftsidee, Skalierbarkeit, Wachstum»
Innovationschef SIX und Mitgründer F10-Inkubator
Die Geschäftsidee ist sicherlich ein kritischer Erfolgsfaktor: Löst sie ein wirklich existierendes Problem und bedient ein Bedürfnis oder handelt es sich «nur» um eine tolle technische Lösung? Die Schweizer Banken haben mit Internet-Banking bereits einen relativ hohen Standard an der Kundenschnittstelle. Fintech Start-ups, welche hier erfolgreich sein wollen, müssen genau analysieren, wo es Defizite zu lösen gibt und wo sich somit auch eine Marktchance ergibt.
Banking-Erfahung hilft
Der zweite für uns wichtige Aspekt sind die Mitarbeitenden des Start-ups. Die beste Geschäftsidee bleibt erfolglos, wenn die falschen Leute mit der falschen Einstellung daran arbeiten. Teams mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund, Alter und Geschlecht sind im Vorteil. In Fintech hilft auch Banking-Erfahrung und -Know-how. Accelerator-Programme wie beispielsweise F10 unterstützen die Start-ups im Umgang mit Investoren oder auch im Anwenden von neuen Methoden.
Ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor ist die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells: kontinuierliches und idealerweise exponentielles Wachstum ist für ein Fintech Start-up in der Schweiz in dieser Phase eine besondere Herausforderung. Viele bewegen sich im «Business-to-Business»-Umfeld und streben eine Partnerschaft mit einer Bank an.
Adriano Lucatelli: «Nicht lange an der perfekten Lösung herumbasteln»
Mitgründer Descartes Finance und Verwaltungsratspräsident Additiv
Aus meiner Erfahrung als Unternehmer sind vor allem drei Dinge ausschlaggebend: Wichtig ist zum einen die Kundennachfrage. Wenn man ein tolles und innovatives Produkt herstellt, dafür aber keine Kunden findet, verschwindet man sofort wieder von Markt. Nur wenn man ein echtes Kundenproblem löst, überlebt man. Ausschlaggebend ist auch das Talent. Viele Jungunternehmer sind voller Tatendrang, doch fehlen ihnen oft die elementarsten Fach- und Kundenkenntnisse. Und nicht zuletzt braucht es eine nachhaltige Finanzierungsstrategie sowie eine disziplinierte Liquiditätsplanung.
Auf der grünen Wiese starten
Wenn man schnell wächst, kommt man oft in ein Free Cashflow-Problem rein und kann die laufenden Rechnungen nicht termingerecht bezahlen. Es kommt deshalb oft vor, dass der Unternehmer selber von der Substanz lebt und auf einen Teil des eigenen Lohns verzichtet. Weitere Faktoren fallen ebenfalls ins Gewicht, wie die Skalierbarkeit. Es braucht eine Infrastruktur, die starkes Wachstum ermöglicht, ohne gleichzeitig massiv in den Aufbau von Mitarbeitenden investieren zu müssen. Das Legacy-Problem: Man sollte nicht auf alte Strukturen oder Verkaufskanäle Rücksicht nehmen müssen, sondern auf einer grünen Wiese starten.
Wichtig ist auch Geschwindigkeit: Nicht an der perfekten Lösung herumbasteln, sondern rasch von der Produktion an den Markt gelangen. Beim Erfolg spielt manchmal auch einfach der Faktor Zufall eine Rolle. Man kann aber die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen, wenn man fokussiert und diszipliniert an die Umsetzung geht.
Johannes Höhener: «Einem renommierten Leadinvestor folgen andere Investoren»
Head of Fintech Swisscom
Die Erfolgsfaktoren für Fintechs sind vergleichbar mit denen für andere Startups. Die entscheidenden Unterschiede sind das Wettbewerbsumfeld, veraltete Technologien sowie die Regulierung. Aus meiner Sicht kann ein Fintech Erfolg haben, wenn es erstens ein funktionierendes Gründerteam hat. Zumindest einige Teammitglieder sollten den Umgang mit Schwierigkeiten und Fehlschlägen bereits zuvor einmal erlebt haben. Der zweite wichtige Faktor ist eine starke Kapitalbasis mit einem Leadinvestor. Das Fundraising ist eine wichtige Aufgabe des Managements, es will gelernt sein und braucht Kapazitäten.
Keine Idee ist selbsttragend
Ein renommierter Leadinvestor ist für viele Investoren ebenso wichtig wie das Geschäftsmodell eines Fintech selber. Denn viele Investoren sind «Follower». Klar ist drittens, das Geschäftsmodell muss tragfähig sein. Es muss ein konkretes Problem für die Kunden lösen. Der Service muss skalierbar sein (das gilt ganz besonders für digitale Geschäftsmodelle). Eine Fintech-Geschäftsidee muss in maximal einer Minute schlüssig erklärt werden können. Viertens: Der Zielmarkt ist klar definiert. Keine Idee ist selbsttragend. Es braucht immer Kunden. Jedes Fintech benötigt ausserdem Partnerfirmen.
Die Fähigkeit, im Netzwerk auch mit Corporates zusammenzuarbeiten, wird zunehmend entscheidend für den Erfolg. Dieser hängt nicht zuletzt am Ertrag. Darum sollten, fünftens, erste zahlende Kunden bereits früh vorhanden sein. Sie sind der beste Beweis für ein tragfähiges Geschäftsmodell. Wachsende Erträge sind der beste Beweis für skalierende Geschäftsmodelle. Und eine selbsttragende Nachfrage mit kontinuierlichem Wachstum sind der beste Beweis für ein Problem, das für die Kunden gelöst wird.