Protektionismus ist das politische Gebot der Stunde. Auch wenn ein starker Rückgang des Welthandels nicht zu erwarten ist, rät Stephan Heitz von Axa Investment Managers zu einer defensiven Anlagepolitik.

Stephan Heitz ist ‹Head of Continental Europe & Nordics› bei Axa Investment Managers. Er schreibt neu eine monatliche Kolumne für finews.ch.

Im Fokus des Interesses der Kapitalmärkte stehen nach wie vor die Zentralbanken und ihre Politik, aber die Erwartungen könnten durchaus zu optimistisch sein.

Hat auch die US-Zentralbank Fed noch im September die Leitzinsen unangetastet gelassen und auch ihre Kommunikation in Richtung nur geringer Zinserhöhungen geändert, so gehen wir dennoch von einer restriktiveren Geldpolitik ab Dezember 2016 aus, was auch für die Zinssituation weltweit nicht ohne Folgen bleiben wird.

In Richtung Nulllinie

Eine gewisse Tendenzwende an den Bondmärkten ist bereits spürbar; die Mehrheit der Märkte hat das zugegebenermassen historisch beispiellose Niveau negativer Renditen bereits wieder verlassen.

In der Schweiz ist dies allerdings noch nicht der Fall, doch auch hier haben sich die Renditen deutlich von den Tiefständen des Julis in Richtung der Nulllinie bewegt.

Wahlen und Referenden als Quelle von Volatilität

Mehr und mehr werden politische Risiken ins Scheinwerferlicht rücken; in erster Linie im Hinblick auf die US-Präsidentenwahl am 8. November 2016, aber durchaus auch im Hinblick auf das noch nicht exakt terminierte, aber für Ende Oktober oder Anfang November erwartete italienische Verfassungsreferendum.

Kurzfristig konnte eine aktuelle Krise, ausgehend von der ältesten Bank der Welt, der Banca Monte dei Paschi di Siena, zwar mit Hilfe des italienischen Bankenrettungsfonds Atalante und somit auch die Belastung für die Erfolgschancen des italienischen Premiers Matteo Renzi im bevorstehenden Referendum abgewendet werden und die Rücktrittsankündigung Renzis für den Fall einer Niederlage im Verfassungsreferendum wurde ebenfalls relativiert.

Dennoch ist mit erhöhter Volatilität im Euro-Raum für den Fall einer solchen Niederlage zu rechnen.

Erholungsrally mit Hillary Clinton

Die Kernannahme für den Fall eines Wahlsiegs von Hillary Clinton ist die einer kurzfristigen «Erleichterungsrally» an den Aktienbörsen.
Zu unpopulär ist Donald Trump bei den wirtschaftlichen Eliten und zu unsicher wirken seine wirtschaftspolitischen Programmeckpunkte.

Clintons Wirtschaftsprogramm beinhaltet im Wesentlichen eine moderate Fortführung der derzeitigen Politik und somit einen moderaten fiskalischen Stimulus mit nur geringen Auswirkungen auf Wachstum und Zentralbank-Politik.

Erhöhte Boom-Bust-Volatilität

Aus Schweizer Sicht und im Hinblick auf die starke Exportausrichtung der Schweizer Pharmaindustrie erfordern jedoch die Ankündigungen der Demokraten von  Kostendämpfungs-Programmen für das amerikanische Gesundheitswesen besondere Beachtung.

Trumps Programm hingegen beinhaltet einen deutlich breiteren fiskalischen, auf Unternehmensentlastung ausgerichteten Stimulus. Selbst wenn dieser durchaus geeignet erscheint, kurzfristig positiv auf die Unternehmensgewinne zu wirken, so birgt er nach Ansicht von Ökonomen jedoch das Risiko einer erhöhten «Boom-Bust-Volatilität».

Beide Programme stehen unter dem Vorbehalt, durch einen Kongress eingeschränkt zu werden, der durchaus wieder durch unterschiedliche Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus gekennzeichnet sein könnte.

Clinton und Trump einig in Sachen Protektionismus?

Bekämpfen sich beide Konkurrenten in ungewöhnlich scharfer Form, so gehen sie doch zumindest in der Tendenz ihrer Aussagen im Hinblick auf den Welthandel in eine erstaulich ähnliche Richtung.

Beide Kandidaten haben im Wahlkampf durchaus protektionistische Parolen ausgegeben: Clinton hat ihre bisherige Unterstützung globaler Freihandelsabkommen teilweise zurückgenommen, und Trump macht populistisch die Globalisierung für die Schliessung von Produktionsstätten und Arbeitsplatzverlusten in den USA verantwortlich – und schlägt damit ähnliche Töne an wie europäische Nationalpopulisten.

Vorsicht ist angebracht

Wir glauben nicht an ein Szenario, wie es sich nach dem Erlass der Smoot-Hawley-Gesetze in den USA in den 1930er-Jahren des vorigen Jahrhunderts mit einem deutlichen Rückgang des Welthandels abgespielt hat.

Dennoch erscheinen gerade die stark von den USA abhängigen Schwellenländer (Emerging Markets) die Lieblingskinder der Aktieninvestoren 2016, aber auch die stark exportabhängigen Industrien der Schweiz und Deutschlands nicht immun zu sein gegen eine stärkere protektionistische Tendenz weltweit. Vorsicht ist daher angebracht!


Stephan Heitz 192Stephan Heitz ist seit Januar 2009 bei Axa Investment Managers tätig. Er startete als Head of Axa IM Northern Europe mit Verantwortung für Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Luxemburg und die Niederlande. Im Jahr 2014 wurde die geographische Verantwortung um die Länder Italien, Spanien und die Nordics ausgeweitet und die Region in ‹Continental Europe & Nordics› umbenannt.

Zuvor war er ab 2001 für die Swiss Life Asset Management in Zürich tätig, zuerst als Director, dann als Managing Director und CEO. Von 1993 bis 2001 arbeitete er bei der ABN Amro Bank. Er startete seine Karriere 1989 beim Schweizerischen Bankverein (heute UBS).

Heitz absolvierte ein Studium an der Universität Fribourg und schloss in Volks- und Betriebswirtschaftslehre ab. Er ist Certified Fund Officer und absolvierte das Advanced Management Program (AMP) an der Harvard Business School.