Künstliche Intelligenz hat auch hierzulande die Fantasie von so manchem Vertreter der Finanzbranche beflügelt. Der Hype scheint sich langsam aber sicher zu legen. Die jüngste Personalie aus den USA sollte zu denken geben.
Tucker Balch hat J.P. Morgan verlassen. Am Mittwoch hatte er seinen letzten Arbeitstag bei der grössten US-Bank, wie das Onlineportal «eFinancialCareers» berichtet.
Balch war J.P. Morgans Experte für Künstliche Intelligenz (KI). Er galt bankintern als der «KI-Guru». Balch war Mitgründer von Lucena Research, einem datengesteuerten IT-Unternehmen, das Machine Learning, Big Data und quantitative Analysen nutzt, um Erkenntnisse für Investmentprofis zu bieten.
Aussehen sorgte für Aufsehen
Mit seiner grau-blonden Haarpracht passt er so gar nicht in das Bild des herkömmlichen Bankers. Als er 2018 zu J.P. Morgan stiess, sorgte dies für einiges Aufsehen.
Auf jeden Fall ist er eine Koryphäe auf dem Gebiet KI, Robotik und Finanzen. Er kam als Managing Director in die damals neu gegründete KI-Forschungsgruppe der US-Grossbank. Nun hat er das Unternehmen wieder verlassen und ist in die akademische Welt zurückgekehrt.
Während seiner Zeit bei J.P. Morgan baute er ein Team von 24 Forschern und sieben Entwicklern auf und arbeitete unter anderem an kryptografischen Handelssystemen.
Zurück an die Universität
«J.P. Morgans KI-Forschungsgruppe ist stark unter der Leitung von Manuela Veloso. Sie bleibt die Nummer eins im Bankwesen für ernsthafte Arbeit an der Schnittstelle von KI und Finanzen», schrieb er zum Abschied. Dies habe es ihm auch ermöglicht, als Professor für Finanzen an die Goizueta Business School an der Emory University zu wechseln.
«Ich freue mich darauf, die nächste Generation von Talenten an der Wall Street zu unterrichten», ergänzte er und schloss seine Ausführungen mit der Aufforderung, nicht zu viel in seine Nachricht hineinzuinterpretieren. Es sei ein völlig normaler Vorgang, dass es Talente aus erstklassigen Forschungslabors in die akademische Welt ziehe und wieder zurück.
Ausdruck einer neuen Nüchternheit
Dies ist nicht falsch. Andererseits wurde Balsch Ausscheiden in der gleichen Woche bekannt, in der auch Samik Chandarana, die ehemalige Leiterin des digitalen Bankgeschäfts bei J.P. Morgan, verkündete, sie nehme sich nun eine längere Auszeit.
Vielleicht ist der Wechsel auch ganz einfach Ausdruck davon, dass in Sachen KI auch in der Finanzbranche die Bäume nicht in den Himmel wachsen und sich bei diesem Thema eine neue Nüchternheit breit macht.