Julius Bär hat noch immer keinen neuen CEO. Die Schwierigkeiten werfen das Zürcher Traditionshaus bei der Bewältigung seiner Altlasten zurück, findet finews.ch-Chefredaktor Dominik Buholzer.

Ein Verwaltungsratsgremium tut gut daran, stets über einen Plan B zu verfügen – auch was den CEO-Posten anbelangt.

Dies hat nichts mit Misstrauen zu tun, sondern mit unternehmerischer Weitsichtigkeit. Der operative Chef kann aus gesundheitlichen Gründen von einem Tag auf den anderen ausfallen. Oder wie im Fall von Julius Bär zurücktreten müssen. Am 31. Januar dieses Jahres verkündete Philipp Rickenbacher, dass er sein Amt an der Spitze der Zürcher Privatbank zur Verfügung stellt. Seither herrscht Schweigen bei den «Bären» – und die Medien füllen das Vakuum mit Spekulationen. 

Vier Monate sollten in der Regel genügen

Sicherlich hatte auch der Verwaltungsrat von Julius Bär einen Plan B. Doch ganz offensichtlich funktionierte dieser nicht, und das könnte das Institut, das nach dem Problemen rund um den illustren österreichischen Immobilienentwickler René Benko angeschlagen ist, zusätzliches Vertrauen kosten.

Denn eine Kandidatensuche dauert laut Experten in der Regel rund vier Monate. Bis zum Stellenantritt vergeht dann in der Regel nochmals Zeit. Im Falle von Julius Bär sind nun bereits sechs Monate ins Lande gezogen.

Dabei hegte man durchaus gute Absichten. Wie finews.ch im vergangenen März berichtete, wollte man bis im Juni die CEO-Frage geklärt haben. Jetzt ist es aber Juli, und mit einem Entscheid ist demnächst nicht zu rechnen: Dem Vernehmen hat sich der Verwaltungsrat des Bankhauses bereits in die Sommerpause verabschiedet. Also dürfte frühestens der Herbst den neuen CEO bringen, der auch eine Frau sein könnte.

Viele Namen

An potenziellen Kandidaten mangelt es nicht. Ralph Hamers, der frühere UBS-Konzernchef, wird regelmässig genannt, genauso wie Giorgio Pradelli, CEO von EFG International (die einige Zeit als Braut von Julius Bär gehandelt wurde), oder Annabel Spring, CEO HSBC Global Private Banking. Sie hat offenbar in der Zwischenzeit aber abgesagt.

Selbst die Namen von Dominique Wohnlich, Leiter des Private-Bankings von Goldman Sachs Schweiz, und Erich Pfister, Ex-Chef der Banque Cramer, machen die Runde. Auch diverse Manager aus der Credit-Suisse-Historie wie Claudio de Sanctis oder Francesco De Ferrari wurden als potenzielle Kandidaten gehandelt – obwohl es Julius-Bär-intern hiess, nach Alex Widmer und Boris Collardi wolle man keine CS-Leute mehr.

Co-Leitung stand zur Diskussion

Selbst über eine Co-Leitung soll der Verwaltungsrat zumindest diskutiert haben, heisst es in Finanzkreisen. Nicht klar ist, ob der Rat eine solche Lösung priorisiert. Neu wäre sie nicht: Bei der Bank Vontobel teilen sich Georg Schubiger, Head Wealth Management, und Christel Rendu de Lint, Head Investments, heute schon die Führung.

In der Regel raten indessen viele Headhunter davon ab: Früher oder später komme es in dieser Konstellation zu Zerwürfnissen. Und ob ein solches Modell ein Unternehmen weiterbringt, steht auf einem noch anderen Blatt.

Unsicherheit in der Branche ist enorm

Es gibt diverse Gründe, weshalb Julius Bär bei der CEO-Suche Mühe bekundet. Kaderleute wechseln heute nicht mehr so schnell die Stelle, selbst wenn ihnen am neuen Ort ein höheres Gehalt winkt. Sie wollen mehr Klarheit darüber, wie ein Unternehmen aufgestellt ist – inbesondere «im Maschinenraum», sprich auf Produkteseite – und welches die Erwartungen des Verwaltungsrates sind.

Daneben macht dem Zürcher Traditionshaus noch immer der Fall Benko zu schaffen. Die Untersuchung der Finanzmarktaufsicht Finma ist noch nicht abgeschlossen. Dies schreckt den einen oder anderen potenziellen Kandidaten verständlicherweise ab.

Julius Bär bräuchte einen zweiten Boris Collardi

Damit der Neustart gelingt, wäre es wichtig, es bestünde schnell Klarheit in der CEO-Frage. Nichts gegen Nic Dreckmann, der die Geschäfte der Bank vorübergehend leitet und seine Aufgabe gut macht. Doch mit einer Interimslösung kann kein Neustart gelingen.

Julius Bär bräuchte dringend einen CEO vom Schlage eines Boris Collardi. Mit 35 gelangte er auf den Thron und war damit zeitweilig der jüngste Bankenchef der Schweiz. Seine Vita wies viele Lücken auf: Er besass keine Kundenerfahrung, und an den Kapitalmärkten hatte er sich ebenfalls keinen Namen geschaffen. Aber er besass viel organisatorisches Know-how und vor allem ein gutes Bauchgefühl.

Zeichen des Vertrauens

Collardi wusste instinktiv, was er wann machen musste. Er verstand es, bei Julius Bär neue Impulse zu setzen und damit den Aktienkurs in die Höhe zu treiben. Insbesondere letzteres würde Julius Bär derzeit besonders gut tun, weil es auch ein Zeichen des Vertrauens für die Bankkunden wäre.


Mitarbeit: Peter Kuster, Claude Baumann