Künstliche Intelligenz birgt auch für die hiesige Finanzindustrie grosse Verheissungen. Eine neue Studie hat nun untersucht, wie stark das Thema den Schweizer Bankern unter den Nägeln brennt.
Künstliche Intelligenz (KI), neuerdings manifestiert durch generative Modelle, gilt als die Zukunftstechnologie schlechthin. Das kann auch der Schweizer Bankenindustrie nicht verborgen geblieben sein, zumal Berater und Zulieferer der Branche nicht müde werden, die Bedeutung des Themas zu betonen.
Jede fünfte Bank foutiert sich
Bei fast jeder fünften Bank – 18 Prozent – ist KI jedoch kein Thema, und gegenwärtig auch keine Verwendung der Technologie geplant. Dies ist jedenfalls der Befund des EY-Bankenbarometers, den die «Big Four»-Beratungsfirma am Donnerstag publiziert hat. Insgesamt haben die Studienautoren 104 Banken in der Schweiz befragt, darunter sowohl Auslands-, Regional-, Kantonal- und Privatbanken.
Das Ergebnis der Befragung kann auch andersrum gelesen werden. Die Umfrage zeigt demnach, dass sich 82 Prozent der Banken immerhin mit dem Thema KI auseinandersetzen. Das finden die Autoren «überraschend». Schaut man genauer hin, beschränken sich 43 Prozent der Banken hierbei auf generelle Diskussionen. Erst 20 Prozent durchdenken Anwendungsfälle, und 12 Prozent experimentieren mit Pilotprojekten. 7 Prozent der Banken in der Schweiz haben KI bereits in ihr operatives Geschäft integriert.
KI reimt sich auf Kantonalbank
Wie die Befragung weiter zeigt, wollen Auslandsbanken KI am wenigsten bei sich einbauen. 45 Prozent der Auslandsbanken in der Schweiz ziehen dies nicht einmal in Betracht – was wohl aber damit zu tun hat, dass der «Lead» hier bei den Mutterhäusern liegt.
Darauf folgt die Gruppe der (meist kleinen oder mittelgrossen) Regionalbanken, von welchen 20 Prozent KI gar nicht berücksichtigen.
Kantonalbanken hingegen engagieren sich mehr, um KI in konkreten Anwendugen einzusetzen. 16 Prozent der Kantonalbanken haben bereits erste KI-Anwendungen laufen. Dies steht in Kontrast zu den Regional-, Auslands- und Privatbanken, die laut EY überhaupt noch keine KI-Anwendungen umgesetzt haben.
Zuerst im Backoffice
Die meisten Anwendungsfälle von KI finden sich im Bereich von Regulierung und Compliance. Hier wenden 54 Prozent der Banken KI an. Weiter wird KI zu 55 Prozent in der Prozess-Automatisierung angewendet und zu 31 Prozent in der IT-Entwicklung und im Datenmanagement.
KI ist laut dem Urteil der Studie einfacher zu implementieren, wenn eine Standardisierung möglich ist. Entsprechend sind Backoffice und Prozesse die wichtigsten Bereiche für solche Anwendungen.
Ferngehalten von den Kunden
Nur 20 Prozent der Banken wollen KI in der Kunden- und Anlageberatung benutzen. Dies liegt daran, dass KI das Vertrauen zwischen Banken und Kunden beeinträchtigen kann. Und Vertrauen steht im Bankenwesen an erster Stelle. Trotzdem wird KI zukünftig Berater unterstützen, um das Kundenerlebnis zu verbessern, wie EY weiter in der Studie erläutert.
Das zeigt, dass die Anwendung von KI auch neue Risiken und Verantwortlichkeiten mit sich bringt, zumals für Geschäftsleitungen: Zu nennen sind laut dem Report Verlässlichkeit, Sicherheit und Datenschutz. Damit Banken erfolgreich im Umgang mit KI sind, müssen diese Risiken beachtet und neue regulatorische Standards eingehalten werden, heisst es.
Parallelen zum Internet
Bisher sind Geschäftsmodelle in der Finanzbranche noch nicht fundamental durch KI verändert worden. «Die aktuelle Entwicklungen sind sowohl ein Hype, der auf unrealistischen kurzfristigen Erwartungen beruht, als auch der frühe Beginn eines strukturellen Veränderungsprozesses in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur», kommentierte Olaf Toepfer die Erkenntnisse.
Dem Leiter des Bereichs Banking & Capital Markets bei EY zufolge handelt es sich nicht um einen Trend, sondern um eine schrittweise Veränderung mit Entwicklungsparallelen zum Aufkommen des Internets.
Die Technologie würde den Strukturwandel beschleunigen, aber vorangetrieben wird dieser momentan von Kundenbedürfnissen, so Toepfer weiter. Aber eben: man müsse abwarten, um das Ausmass an Einfluss von KI auf den Finanzmarkt zu sehen.