Der Bankensektor kann besonders stark von neuen Technologien wie der generativen Künstlichen Intelligenz profitieren. Institute, die diese Chancen zu nutzen wissen, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil, findet eine mächtige Rating-Agentur. Auch die UBS sieht enorme Chancen.
Seit dem Start von Chat GPT im November 2022 hat das Interesse an Künstlicher Intelligenz (KI) stark zugenommen. Nicht nur die generative KI, sondern KI und Maschinelles Lernen (ML) im Allgemeinen haben einen immer grösseren Einfluss auf alle Branchen. Auch im Finanzdienstleistungssektor haben sie das Potenzial, beispielsweise die Mitarbeiterproduktivität, die betriebliche Effizienz und das Kundenerlebnis erheblich zu verbessern.
Im Bankensektor, in dem Technologie eine immer entscheidendere Rolle bei der Bewältigung zahlreicher finanzieller, regulatorischer und wettbewerbsbedingter Herausforderungen spielt, könnte generative KI (Gen KI) ganze Prozesse verbessern.
Starke Regulation bremst
Das Bankwesen ist jedoch eine der am stärksten regulierten Branchen. Das Ausmass dieser Kontrolle ist auch einer der Gründe, warum die Einführung von Gen KI im Bankensektor bisher langsamer als erwartet erfolgt, wie die US-Ratingagentur Moody’s in ihrer Studie «The Era of Gen AI Powered Banking» feststellt.
Dabei kann gerade der Bankensektor von Gen KI stark profitieren, da er sehr komplex ist, stark von Daten abhängt und in vielen Bankprozessen Text vorkommt, etwa in der Regulierung und im Reporting. KI und ML werden bereits in Bereichen wie Marketing, Betrugserkennung und Kreditwürdigkeitsprüfung eingesetzt. Für etliche Banken ist Gen KI eher eine Evolution als eine Revolution, schreiben die Studienautoren. Angesichts des transformativen Potenzials zur Produktivitätssteigerung ist der Einsatz dieser Technologie keine Frage des «ob», sondern des «wann» und «wie».
Ganze Organisationen verändert
Der Bankensektor erwartet, dass Gen KI ganze Organisationen verändern wird, da es Möglichkeiten gibt, die Technologie in verschiedenen Arbeitsprozessen und Betriebsabläufen einzusetzen. Zu den erwarteten Ergebnissen des Einsatzes von KI-Technologien gehören höhere Erträge durch personalisierte Kundenkontakte, weniger Fehler, Effizienzsteigerungen, eine bessere Ressourcennutzung sowie ein grösseres kreatives Potenzial zur Erschliessung neuer Möglichkeiten und eine datengestützte Entscheidungsfindung.
Der Grad der Akzeptanz von GenKI ist jedoch nicht einheitlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter dem Anwendungsfall, der Funktion und dem Digitalisierungsgrad innerhalb eines Bankinstituts. Neobanken und digitale Anbieter beispielsweise tun sich oft leichter mit der Einführung dieser Technologie als etablierte Geschäftsbanken. Auch Kundenservice-Center und Prozesse mit einem hohen Anteil an repetitiven und standardisierten Aufgaben, wie die Bearbeitung von Kreditanträgen oder juristischen Formularen, gelten als geeignete Bereiche für den Einsatz von generativer KI.
Entscheidender Wettbewerbsvorteil
Laut Moody’s ist das Hauptunterscheidungsmerkmal für den Grad der Akzeptanz die Strategie und der Reifegrad einer Institution in Bezug auf die digitale Transformation. Einige Banken haben die Technologie schnell angenommen und damit experimentiert, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Institute, die bei der Integration von GenKI-Technologien in ihre Kernstrategie zurückbleiben, könnten von Unternehmen überholt werden, die einen KI-First-Ansatz verfolgen, so die Studienautoren.
«iPhone-Moment» für KI
Vom Potenzial der KI-Technologie überzeugt ist auch die Schweizer Grossbank UBS. Sie sieht einen Wendepunkt in der Einführung von Chat GPT Ende 2022. So bezeichnet die UBS Chat GPT in ihrer neuen Studie «The Tech GPT Compendium» als «iPhone-Moment» für KI. Genau wie das iPhone bot Chat GPT eine einfache Benutzeroberfläche und veränderte die Online-Interaktion, was in kurzer Zeit Millionen von Nutzern anzog.
In der Studie werden Vergleich zu anderen bahnbrechenden Technologien wie Smart Devices gezogen. Der Umsatz der Smart Device-Industrie hat sich in nur acht Jahren fast verzwölffacht, von 50 Milliarden Dollar im Jahr 2009 auf 600 Milliarden Dollar 2017. KI sei der einzige aktuelle Technologietrend, der das Potenzial für ein ähnliches oder sogar noch grösseres Wachstum habe.
Auch UBS sieht enormes Potenzial
Nach Prognosen der UBS könnte der Umsatz der KI-Branche bis 2027 auf 300 Milliarden Dollar steigen. Im Vergleich zu den 28 Milliarden Dollar im Jahr 2022 wäre dies mehr als eine Verzehnfachung. Dieses enorme Potenzial zeige, in welchem Ausmass KI verschiedene Branchen beeinflussen und neue Einnahmequellen schaffen könne.
KI dürfte auch eine weitere Konsolidierungswelle in der Technologiebranche auslösen, so die UBS-Spezialisten. Diese Konsolidierung werde aber nicht nur den Tech-Giganten zum Erfolg verhelfen. KI-Führer in verschiedenen Branchen, die über einen «First mover»-Vorteil und die finanziellen Mittel verfügen, dürften am meisten profitieren.
Bald Milliarden von Nutzern?
Daher dürften KI-Branchenführer, die in der Lage sind, viele traditionelle Geschäftsmodelle auf den Kopf zu stellen, sowie ihre kleineren Konkurrenten zu den Hauptnutzniessern des KI-Zeitalters gehören – ähnlich wie Smartphone-Unternehmen von Plattformen wie «App Stores» profitiert haben, die Millionen, wenn nicht Milliarden von Nutzern anziehen.