Von der Finanzierung von künstlicher Intelligenz zur Erkennung von Krebs im Frühstadium bis zum Erhalt des Schlosses von Versailles: Philanthropische Berater müssen sich mit einer Vielzahl von Themen auseinandersetzen, erklärt Maximilian Martin, Leiter der Philanthropie bei Lombard Odier, in einem Interview mit finews.ch.
In der Vergangenheit war philanthropisches Engagement fest im Private Banking verankert. Jetzt, da Investoren mehr über nachhaltige Projekte lernen und umgekehrt gemeinnützige Organisationen finanzielles Fachwissen jenseits des Fundraisings entdecken, sieht Maximilian «Max» Martin eine neue Blütezeit für die Philanthropie.
«Früher gab es einerseits klassische Investitionen und anderseits Philanthropie; dann kamen 'Investitionen +' mit ESG; jetzt, mit Impact Investing, werden die Überlappungen nochmals grösser», sagte er in einem Interview mit finews.ch im Vorfeld einer Reihe von Veranstaltungen, die die Privatbank im Sommer anlässlich des 15-jährigen Bestehens ihrer Fondation Philanthropia durchführt.
Das Zusammentreffen von öffentlichem, privatem und ehrenamtlichem Sektor ist nicht nur für jemanden spannend, der die vermögenden Familien der Bank über die Diskussionen in internationalen Organisationen zu humanitären, Gesundheits- und Klimathemen auf dem Laufenden halten muss. «Es ist auch der einzige Weg, um Veränderungen herbeizuführen», so Martin.
Statutarische Hindernisse
In der schweizerischen Stiftungslandschaft mit über 13'000 Stiftungen liegt der Schwerpunkt auf Kunst und Kultur, gefolgt von sozialen Diensten, Bildung und Forschung sowie dem öffentlichen Gesundheitswesen. Die Bekämpfung des Klimawandels ist nicht so stark vertreten.
Nur 7 Prozent der Stiftungen nennen die Umwelt als Hauptziel - aber das ändert sich. In den letzten zehn Jahren engagieren sich neu gegründete Wohltätigkeitsorganisationen zunehmend in diesem Bereich, da sich jüngere Generationen einbringen und Fragen der globalen Erwärmung und der biologischen Vielfalt auf die öffentliche Tagesordnung setzen.
«Der Eindruck verstärkt sich, dass der Stiftungssektor mehr für das Klima und die Umwelt tun muss», sagte Martin. Da aber die Ziele jeder Stiftung gesetzlich verankert sind und die kantonalen oder eidgenössischen Behörden jeder Änderung zustimmen müssen, ist es nicht immer einfach, die Agenda einer Stiftung zu erweitern.
Eine mögliche Lösung ist die Aufnahme von Querschnittsthemen wie etwa Lösungen für medizinische Abfälle in einer Stiftung, die sich auf das Gesundheitswesen konzentriert.
Risikofreudigere Philanthropen
Im Gegensatz zu Regierungen, die oft zögern, etwas zu finanzieren, das noch nicht erprobt oder bewährt ist, sieht Martin Philanthropen gerne als «freies Elektron im System», das Bereiche finanziert, die mit öffentlichen Geldern erst nach Jahren erreicht werden können.
Dennoch kann die Hürde zur ersten Spende gross sein. «Wenn man als vermögende Person angekündigt hat, sich philanthropisch zu engagieren, wird man unweigerlich mit allen möglichen Projekten und Ideen überhäuft», sagt er. An dieser Stelle kommt der philanthropische Berater ins Spiel, der dem Kunden hilft, eine Strategie festzulegen, ähnlich wie bei der Festlegung des Anlageprofils eines Kunden.
Wahrung der Anonymität
Neben den technischen Aspekten wie der Festlegung von Zeitplänen, dem Verständnis der verfügbaren Ressourcen und der Entscheidung, wie oft der Philanthrop ein Projekt besuchen möchte, berücksichtigt ein guter Berater auch die Psychologie des Einzelnen und versucht, seine Arbeitsweise schnell zu verstehen. Der beste Weg, um ein Engagement aufrechtzuerhalten, besteht für Martin darin, das Projekt so zu gestalten, dass es auf die Person zugeschnitten ist.
Ob dabei aus der Anonymität herausgetreten wird, ist ein individueller Entscheid. Ein öffentliches Bekenntnis kann der Sache dienen, ist aber nicht immer notwendig. Martin sieht auch einen Unterschied zwischen den angelsächsischen Kulturen, in denen sich die Menschen im Allgemeinen viel wohler fühlen, wenn sie als Philanthropen sichtbar sind, als in Kontinentaleuropa.
Das Beste herausholen
Ein gemeinnütziges Engagement kann auch eine fantastische Möglichkeit sein, die Familie zusammenzubringen. Martin räumt allerdings ein, dass es eine schlechte Familiendynamik nicht reparieren kann. In solchen Fällen seien den Möglichkeiten eines Beraters Grenzen gesetzt.
Für Martin ist auch klar: «Philanthropie ist sicherlich kein Mittel, um sich eine Position in der Gesellschaft zu erkaufen». Branchenverbände spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht zu zeigen, dass das Geschäft mit dem Verschenken von Geld nur mit einem gewissen Mass an Qualität, Kontrolle und Transparenz funktioniert.
Erweitertes Verständnis
Gemeinnützige und internationale Organisationen sind vermehrt auf der Suche nach innovativen Finanzierungsmöglichkeiten, um langfristige und skalierbare Lösungen für ihre Projekte zu finanzieren.
Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit zwischen dem Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und Lombard Odier, um eine humanitäre Anleihe zu begeben. Diese finanzierte ein Rehabilitationsprogramm, das behinderte Menschen mit Prothesen, Orthesen, Rollstühlen und Gehhilfen versorgt.
Neben der Finanzierung konnte das IKRK lernen, wie man die Herstellung und den Vertrieb von medizinischen Geräten vorantreibt, so Martin.
Ein neuer Brennpunkt
Auch die UNICEF hat erkannt, dass ein neuer Finanzierungsansatz die Skalierung seiner Projekte entscheidend verbessert.
Umgekehrt können Finanzinstitute, die sicherstellen wollen, dass sie nicht in Unternehmen investieren, die Kinderarbeit betreiben, von den Methoden profitieren, die UNICEF entwickelt hat.
Die Rolle des Finanzsektors bei der Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele nimmt gemäss Martin zu. «Wird dieser Einfluss mit philanthropischen Geldern und internationalen Organisationen in Verbindung gebracht, sind wir an einem Punkt, an dem wir eine grosse Wirkung erzielen können», bilanziert Martin.
Maximilian Martin ist globaler Leiter des Bereichs Philanthropie bei Lombard Odier und hält zudem Vorlesungen über soziales Unternehmertum und Impact Investing an der Universität Genf und der Universität St. Gallen. Er hat 2003 den ersten europäischen Universitätskurs über soziales Unternehmertum ins Leben gerufen und leitete von 2004 bis 2009 das Angebot an philanthropischen Dienstleistungen und Impact Investing bei der UBS. Martin hat einen MA in Anthropologie von der Indiana University, einen MPA von der Harvard University sowie einen Ph.D. in (Wirtschafts-)Anthropologie von der Universität Hamburg.