Inmitten des Greenwashing-Skandals bei der DWS stehen 14 Frauen beharrlich zu ihrem ESG-Aktienfonds. Sie halten auch an ihren Grundsätzen bei dem in Schwierigkeiten steckenden deutschen Vermögensverwalter fest.

«Im Nachhinein betrachtet war es wahrscheinlich der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um einen Fonds aufzulegen», sagt Denise Kissner (Bild unten) im Gespräch mit finews.ch. Die Mitbegründerin des DWS Invest ESG Women for Women meint damit die Verschlechterung des Investitionsklimas, nachdem im Januar 2022 der neue ESG-Aktienfonds mit Schwerpunkt auf sozialen Aspekten lanciert worden war.

Ein zusätzlicher Schlag kam durch Greenwashing-Vorwürfe im Juni 2022, die gegen den zur Deutschen Bank gehörenden börsennotierten Fondsmanager erhoben wurden. Alles andere als ein ideales Umfeld für den Verkauf eines ESG-Fonds, werden einige sagen.

Andere wiederum werden indessen argumentieren, dass der Zeitpunkt genau richtig war, weil der soziale Aspekt von ESG-Investitionen in diesem Jahr stark ins Blickfeld gerückt ist. Die Kontroverse um DWS beweist zumindest, dass nur wer das nötige Stehvermögen aufbringt, wirklich an einen ESG-Weg glaubt. Und Kissners Team zeigt keine Anzeichen für einen Rückzug.

Unzureichende Daten

Im Jahr 2011 war weder die Zeit reif noch gab es genügend Daten. Damals wurde Kissner, die zuvor als Produktspezialistin für die 28-Milliarden-Euro-«Top Dividende»-Strategie von DWS tätig war, zum ersten Mal von der Geschäftsleitung angesprochen, um einen von und für Frauen geführten Fonds aufzulegen.

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Denise Kissner, Mitbegründerin des DWS Invest ESG Women for Women (Foto: DWS)

Es besassen zwar 50 Prozent der Frauen in Deutschland ein Girokonto aber nur 25 Prozent ein eigenes Wertpapierdepot. Dieser Unterschied zeigte auf, dass mehr Frauen für die Geldanlage zu gewinnen waren.

Aber es gab noch andere Faktoren, die in Einklang gebracht werden mussten. «Die Unternehmen gaben nicht genügend Informationen über ihr soziales Engagement preis, und auch die Gesellschaft war noch nicht bereit für den Fonds», so Kissner.

Verbesserte Akzeptanz

Neben der Notwendigkeit, die richtigen Themen anzusprechen, um Frauen für Investitionen zu interessieren, gibt es auch das Problem, dass «Frauen bei Investitionen mehr zu verlieren haben», sagte sie. Das liege daran, dass Frauen, obwohl sie die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen, nur ein Drittel des Vermögens besitzen und von vornherein ärmer sind.

Der DWS Invest ESG Women for Women Fonds hat die Lücke unter seinen Anlegern geschlossen, und die Beteiligung von Frauen und Männern ist gleich hoch, betonte sie.

Eigener Kriterienkatalog

Der Fonds wird von 14 Frauen geleitet, darunter 12 Portfoliomanagerinnen und zwei Produktspezialistinnen. Er investiert weltweit in 110 Unternehmen, auch in Schwellenländern, und hat ein Volumen von derzeit 50 Millionen Euro.

Auf der Grundlage des DWS-eigenen Social Commitment Score wählt das Team Unternehmen aus, die in Bezug auf die Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette gut abschneiden. Zugleich analysiert es die Gleichberechtigung und Chancengleichheit innerhalb der Belegschaft des Unternehmens, die Geschlechterverteilung auf der Führungsebene, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Flexibilität des Arbeitsumfelds.

Champagner ja, aber kein Cognac

Aufgrund von Überlegungen zu häuslicher Gewalt investiert der Fonds nicht in Unternehmen, die harte Alkoholika herstellen. Erlaubt sind dagegen Unternehmen, die Wein und Bier verkaufen. Zu den weiteren Ausschlusskriterien gehören umstrittene Waffen, Tabak, Atom- und Kohlekraft. Unternehmen mit hohen Risiken für den Klimawandel und solche, die gegen Normen der Uno verstossen, sind ebenfalls verboten.

Die meisten Unternehmen fallen in das mittlere Segment. Nur 15 Unternehmen weltweit qualifizieren sich für das oberste Segment, was Kissner erstaunt, da sie diese für «erreichbare Ziele» hält.

Auf die lange Frist

Das Team ist daran interessiert, wie sich die Unternehmen im Laufe der Zeit entwickeln werden. «Es nützt nichts, wenn drei Frauen im Vorstand eines Unternehmens sitzen, es aber keine Frauen im mittleren Management gibt», so Kissner. Unternehmen lassen sich oft beraten, was sie in Bezug auf soziale Faktoren verbessern können. Dies unterstreicht für Kissner den langfristigen Nutzen eines Engagements mit Unternehmen.

Soziale Aspekte dürften sich positiv auf die Produktivität und die Gewinne der Unternehmen auswirken, was langfristig oft zu einer guten Performance an der Börse führe, sagte sie. 

Auch der betreffende Sektor spielt bei der Analyse sozialer Aspekte eine grosse Rolle. Wenn der Fonds beispielsweise in ein Gesundheitsunternehmen investieren will, achtet er darauf, wie die Studienkohorten zusammengesetzt sind.

Mit lauter Stimme

«Wir wollen wissen, ob die Stichprobengruppen klinischer Studien auch Frauen einschliessen und nicht nur aus Männern bestehen», sagte Kissner und fügte hinzu: «Es ist wichtig zu wissen, welche Auswirkungen bestimmte Medikamente auf den weiblichen Organismus haben.»

Ohne erklären zu können, warum das so ist, beobachtete Kissner, dass es Frauen leichter fällt als Männern, den Unternehmen Fragen zu sozialen Themen zu stellen. Immerhin weiss sie, dass die Gesellschaft viel länger brauchen wird, um Probleme der Ungleichheit zu lösen, wenn der private Sektor untätig bleibt.