Das Zürcher Bezirksgericht greift in seinem Urteil im Prozess gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef hart durch. Pierin Vincenz und der zweite Hauptbeschuldigte Beat Stocker werden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Von einem Freispruch bis zu Gefängnisstrafen für die Hauptbeschuldigten Pierin Vincenz und Beat Stocker war im Prozess vor dem Zürcher Bezirksgericht alles erwartet worden. Vor diesem Hintergrund fällt das Urteil des Gerichts und Vorsitz von Präsident Sebastian Aeppli vom Mittwoch nun überraschend hart aus.
Der ehemalige Raiffeisen-CEO wird von dieser ersten Instanz zu drei Jahren und neun Monaten Haft sowie Geldstrafen verurteilt. Den engen Vincenz-Vertrauten Beat Stocker bestraft das Gericht gar mit vier Jahren Gefängnis; die je 106 Tage Untersuchungshaft werden den beiden Hauptbeschuldigten dabei angerechnet. Ebenfalls wurden Vincenz neun Monate Haft erlassen wegen der «massiven Vorverurteilung» in Medien und Öffentlichkeit, welche dieser erfahren habe, wie Gerichtspräsident Aeppli weiter ausführte.
Schuldsprüche in beiden Verfahrens-Komplexen
In der Urteilseröffnung erklärte Aeppli Vincenz sowohl im Komplex um Spesenabrechnungen wie auch bei den Vorwürfen rund um Schattenbeteiligungen bei Firmen-Transaktionen in den wesentlichen Anklagepunkten für schuldig. So sieht das Gericht bei Vincenz den Tatbestand der mehrfachen Veruntreuung, der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie der mehrfachen Urkundenfälschung im Spesen-Komplex als erfüllt.
Bei diversen Firmenbeteiligungen bezichtigt das Gericht den Ex-Bankmanager unter anderem des gewerbsmässigen Betrugs, des versuchten Betrugs und der passiven Privatbestechung.
Drei Nebenbeschuldigte wurden zur anteiligen Übernahme von Verfahrenskosten sowie teils zu aufgeschobenen Geldstrafen verurteilt; ein Nebenbeschuldigter wurde von den Vorwürfen der Gehilfenschaft zur Veruntreuung und der Urkundenfälschung freigesprochen. Ein weiterer Nebenbeschuldigter gilt aus gesundheitlichen Gründen als verfahrensunfähig. Das Verfahren gegen ihn wurde deshalb eingestellt, wie es am Mittwoch hiess.
Anklage forderte noch längere Haft
Die Zürcher Staatsanwaltschaft forderte im Fall von Vincenz neben der Abschöpfung von Privatvermögen in der Höhe von mehr als 8,9 Millionen Franken eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren, abzüglich der 106 Tage, die der heute 65-Jährige im Jahr 2018 in Untersuchungshaft verbrachte. Im Fall von Stocker ist der geforderte Vermögenseinzug noch höher, nämlich gut 16 Millionen Franken. Die Staatsanwaltschaft beantragt für ihn ebenfalls sechs Jahre Gefängnis unter Einrechnung der Untersuchungshaft.
Die Beschuldigten haben im Prozess vor dem Zürcher Bezirksgericht alle Vorwürfe bestritten; ihnen steht nun der Gang durch die Instanzen offen. Das Urteil ist ebenfalls noch nicht rechtskräftig. Es kann beim Obergericht des Kantons Zürich angefochten werden.
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