Nachdem sie das Outsourcing in Billiglohn-Länder jahrelang forciert haben, holen die Schweizer Banken ihre Backoffice-Stellen zurück – doch ein neuer Jobkiller lauert schon.

Ist es Zufall, dass bei der UBS Harald Egger in die Schweiz zurückgekehrt ist? Vergangenen November meldete sich der derzeitige Leiter Group Corporate Services aus Indien zurück, nachdem er dort in den vergangenen drei Jahren in grossem Stil an Dritte ausgelagerte Jobs zurück in Service-Zentren der Schweizer Grossbank geholt hatte.

Seine Ankunft im UBS-Hauptquartier in Zürich fällt mit einem Trendwechsel in der Auslagerung zusammen: Nachdem das Outsourcing an Dienstleister in Billiglohn-Destinationen lange Jahre forciert wurde, holen die Banken die Backoffice-Stellen zurück – auch in die Schweiz.

Zeitweilig nicht mehr abrufbar

Interessanterweise haben die Folgen der Coronakrise diese Entwicklung noch beschleunigt, wie Andrea Hoffmann, Aniello Bove und Ingo Rauser gegenüber finews.ch berichten. Die drei Partner der Beratungsfirma Capco sind in diverse Digitalisierung-Bemühungen von Schweizer Finanzdienstleistern involviert.

«Die Lockdowns und der Digialisierungs-Schub während der Coronakrise haben gezeigt, dass die Auslagerung der Operationen in andere Länder die Banken verletzlich macht», sagt Hoffmann. Die Schutzmassnahmen in anderen Ländern führten dazu, dass ausgelagerte Dienste für die Institute zeitweilig nicht mehr abrufbar waren.

Wissen, was die Kundschaft vor Ort will

Anderseits mussten die Banken rasch reagieren, um die Kunden auf dem Online-Kanal zu erreichen. Die Erkenntnis drang dabei definitiv durch: Es braucht in der Digitalisierung die geographische und kulturelle Nähe zum Kunden. «Wer professionell wahrgenommen werden möchte, muss wissen, was die Kundschaft vor Ort will», erklärt Bove. «Für die Schweiz ist dies etwa aus Indien heraus nur schwer zu erreichen.»

Ensprechend ist jetzt die Gegenbewegung zur jahrelang vor allem aus Kostengründen praktizierten Auslagerung in Gange. Das so genannte Onshoring ins eigene Unternehmen respektive das «Nearshoring» der Operationen in oder nahe der Zielmärkte hat nochmals an Zugkraft gewonnen.

Für den Trend spricht neben der Nähe zur Kundschaft auch die Erkenntnis, dass bei der Entwicklung digitaler Dienste die Berater, Gestalter und Spezialisten möglichst nahe beisammen sein müssen. Dies, um möglichst schnell von der Strategie zum Produkt zu kommen.

Kürzere Reaktionszeiten

Auch dies hat der Lockdown gezeigt, als praktisch über Nacht die meisten Finanzangestellten ins Homeoffice wechselten und die meisten Filialen schlossen: Die Reaktionszeiten werden immer kürzer. 

Für die nächste Monate und Jahre könnte dies die Joblandschaft tiefgreifend verändern, vermutet man bei Capco. Die Abhängigkeit vom Offshoring in geographisch weit entfernte Billiglohn-Destinationen wird reduziert.

Dorthin ausgelagert werden nur noch Commodity-Dienste und Services, die für den allgemeinen Betrieb einer Bank notwendig sind. In den Fokus geraten aus Schweizer Perspektive näherliegenden Destinationen wie Zentraleuropa, der Balkan oder Portugal – oder Service-Center in der Schweiz selber, wie sie etwa die UBS neu eröffnete. 

Abbau von Jobs in Billiglohn-Ländern

«Generell kann aus dem Nearshoring-Trend ein Abbau von Jobs in Billiglohn-Destinationen resultieren, während in der Schweiz hochqualifizierte Stellen geschaffen werden, etwa in der Nutzung fortgeschrittener Technologie», erwartet Bove.

Noch vor fünf Jahren zogen namhafte Schweizer Institute in die Gegenrichtung. So wollte die UBS in den Jahren 2015 und 2016 je 2'000 IT-Stellen in Low-Cost-Standorte verschieben; in Indien beschäftigt die Grossbank inzwischen an die 6’800 Angestellte an bald fünf Standorten. Auch die Credit Suisse (CS) schuf in Osteuropa Hunderte Stellen, etwa im polnischen Wrocław (Breslau).

Hype mit Robotern

Ganz ohne Service-Zentren im Ausland werden die Finanzkonzerne allerdings auch künftig nicht auskommen, sagt Capco-Partner Rauser. «Um in der Schweiz konkurrenzfähig zu bleiben, werden die Banken mittelfristig nicht ganz auf günstigere Arbeitskräfte im Ausland verzichten können.» Aus der Verteilung der Arbeiten aufs In- und Ausland ergibt sich die «blended rate», die im Vergleich zur Produktion im Inland günstiger ausfällt. 

Anderseits stellt sich die Frage, wie viel der gestrichenen Outsourcing-Jobs gleich von Maschinen übernommen werden. Die Automatisierung, etwa durch den Einsatz von Robotern, bietet den Banken die Möglichkeit zur Kostenoptimierung.

Zumindest vorläufig wird jedoch nicht das gesamte Backoffice an Rechner delegiert, beruhigt man bei Capco: Im Roboter-Hype der letzten Jahre habe sich gezeigt, das gewisse Aufgaben auch weiterhin von Menschen besser erledigt werden.