In der dichten Kadenz ständig neuer Skandale bei der UBS und Credit Suisse gehen die Verdienste einiger grosser Schweizer Banker verloren. Eine neue Biographie würdigt nun einen davon.
Alfred Schaefer, Robert Holzach und Bruno Saager, das ist vermutlich das Triumvirat, das die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG, heute UBS) im 20. Jahrhundert am längsten geprägt und gestaltet hat. Umso erstaunlicher ist es, dass die Namen dieser drei Bankmanager heutzutage kaum mehr präsent sind.
Offenbar haben die Verdienste in der Finanzwelt heute eine so begrenzte Halbwertszeit, dass das Geschehen vor vier oder fünf Jahrzehnten bestenfalls noch zu einer Fussnote in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte reicht.
Börsenchef mit Flair fürs Ausland
Nach der Biographie über Robert Holzach – verfasst vom hier Schreibenden –, die vor knapp drei Jahren erschienen ist, folgt nun ein weiteres, umfangreiches Werk, das für die Schweizer Bankengeschichte von grösster Bedeutung ist: die Biographie über Bruno M. Saager, dem einstigen Börsenchef der SBG
Ein Mann, der mit seinem enormen Know-how auch entscheidend zur Auslandsexpansion der Bank beigetragen hat. Ihm ist es darüber hinaus auch zu verdanken, dass die SBG in den 1960er-Jahren zum grössten Finanzinstitut der Schweiz avancierte.
Wertvolle Zeugnisse
Einleitend ist auch anzumerken, dass diese Biographie von Saagers kürzlich verstorbenem Sohn Hansjürg Saager sowie vom früheren NZZ-Redaktor und Südafrika-Kenner Werner Vogt verfasst wurde. Das verleiht dem Werk zwangsläufig eine Parteinahme, gleichzeitig vermittelt es aber auch Zugang zu Zeugnissen und Informationen, die bislang der Öffentlichkeit nicht bekannt waren.
Bruno Saagers Wirkungsfeld lässt sich grob gesagt in drei bankspezifische Themenfelder einteilen: Der Neffe des einstigen SBG-Präsidenten Fritz Richner erhielt vermutlich dank seiner familiären Beziehung relativ einfach einen Job bei der Bank, arbeitete sich dort aber in der Finanzabteilung mit der ihm eigenen Kompetenz nach oben.
Wirtschaftswunder erkannt
Saager war – im Gegensatz zu vielen angehenden Kaderleuten – kein Akademiker (und auch kein Karrierist im Militär), sondern ein Pragmatiker mit viel Intuition und Spürsinn – vor allem für lukrative Investments. So antizipiierte er das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg und investierte für die SBG, aber auch für sich und seine Vertrauten, in deutsche Unternehmen, was allen Beteiligten hohe Gewinne bescherte.
Saagers Deutschland-Expertise war auch in den 1960er-Jahren entscheidend, als es in den zähen Verhandlungen zwischen der SBG und der US-Regierung um die Eigentumsverhältnisse der Firma Interhandel ging. Vereinfacht gesagt handelte es sich dabei ursprünglich um eine Schweizer Beteiligungsgesellschaft des deutschen I.G.-Farben-Konzerns, der im Zweiten Weltkrieg das Giftgas für die deutschen Konzentrationslager hergestellt hatte.
Verhandlungen mit Robert F. Kennedy
Im Verlauf der Kriegswirren war die Firma Interhandel, die sämtliche Auslandsbeteiligung der I.G. Farben/Chemie besass, verselbständigt und später an der Schweizer Börse kotiert worden. Die US-Beteiligungen indessen wurden von der amerikanischen Regierung konfisziert, was dann zu den Auseinandersetzungen führte, wem diese – nach Kriegsende – tatsächlich zustünden – den Amerikanern oder den Interhandel-Aktionären, zu denen zuletzt vor allem die SBG und Saager mit Verbündeten gehörten.
Bislang galt es als verbürgt, dass es der frühere SBG-Präsident Alfred Schaefer gewesen war, der in den Verhandlungen mit dem damaligen US-Justizminister Robert F. Kennedy die Einigung erzielte, die darauf hinauslief, dass die US-Vermögen hälftig zwischen der Schweizer Grossbank und den USA aufgeteilt wurden – was später die SBG von der Kapitalkraft her zum mit Abstand grössten Finanzinstitut der Schweiz machte.
Verkannte Leistung
Saager und Vogt schreiben nun in ihrem Buch, dass es Bruno Saager und seiner Verhandlungsgabe zu verdanken ist, dass es zu dieser historischen Einigung kam, da Schaefer mit seiner undiplomatischen und besserwisserischen Art das Klima der Verhandlungen dermassen vergiftet hatte, dass eine Lösung zunächst kaum mehr möglich schien. Tatsächlich haben anwesende US-Diplomaten und Anwälte diese Situation in diversen Dokumenten bestätigt, so dass rückblickend gesehen Saager durchaus eine grössere Rolle in der Lösung der Interhandel-Angelegenheit zukommt.
Neben dem Dossier Deutschland und der Interhandel-Thematik war Südafrika das dritte grosse Betätigungsfeld, mit dem Saager für die SBG Geschichte schrieb. Ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg erkannte er nämlich das wirtschaftliche Potenzial in dieser Weltregion, die allerdings über Jahrzehnte der Apartheid ausgeliefert war.
Politisch heikel
Vor diesem Hintergrund waren die Aktivitäten der SBG (namentlich Rohstoff- und Goldhandel), die in Südafrika zu den betriebsamsten Auslandsbanken gehörte, stets heikel, wie unter anderem die (politisch linksgerichteten) Publizisten Res Strehle, Gian Trepp und Barbara Weyermann in ihrem 1987 erschienenen Buch «Ganz oben – 125 Jahre Schweizerische Bankgesellschaft» lesenswert festgehalten haben.
Während aus Sicht Saagers das wirtschaftliche Engagement der Schweiz respektive der SBG in Südafrika die einzig gangbare Lösung war, um die Apartheid mittelfristig zu beseitigen und die schwarze Bevölkerung zu integrieren, argumentieren die erwähnten Autoren umgekehrt und decken auf, mit welchen (teilweise strafbaren) Machenschaften, Manövern und Umgehungen sich die SBG in Südafrika gebärdete.
Grenzen ausgereizt
Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Allein aufgrund der Gesetze und internationalen Gepflogenheiten bot sich damals einer Bank wie der SBG ein erheblich grösserer Spielraum als etwa heute in einem von anderen Staaten sanktionierten Land. Unter diesen Prämissen reizten die SBG-Manager denn auch ihre Möglichkeiten bis an die äussersten Grenzen aus – möglicherweise auch noch weiter, wobei es immer schwieriger wird, dies heute noch festzustellen.
Umgekehrt bestreitet heute auch niemand mehr, dass ein gezieltes wirtschaftliches Engagement in einem totalitären Staat wesentlich mehr zum Übergang in die Demokratie beitragen kann als nur politischer Aktivismus.
Unermüdlicher Einsatz
Tatsächlich pflegte Saager engste und beste Beziehungen zu den südafrikanischen Wirtschaftsgrössen wie Anton Rupert oder Harry F. Oppenheimer wie auch zur Politik (Pieter W. Botha, Balthazar J. Vorster), und er setzte sich in der Schweiz ausgiebig für verstärkte Beziehungen zwischen den beiden Staaten ein.
Dass er sich auch persönlich in Südafrika engagierte und unter anderem ein Weingut erwarb, unterstreicht zusätzlich, dass es sich bei Saager nicht um einen banktypischen Erbsenzähler handelte, sondern um einen Bankmanager mit sehr viel unternehmerischem Gespür.
Nie ganz oben
Wie Schaefer und Holzach ist Saagers Name, sind seine Verdienste, in der heutigen Bankbranche kaum mehr bekannt. Das hat sicherlich einerseits mit der eingangs erwähnten Halbwertszeit der Geschehnisse zu tun, andererseits aber auch damit, dass Saager nie die Aura und Eloquenz besass, um vor grösserem Publikum seine Sache und vor allem sich zur Geltung zu bringen. Das war seiner Karriere hinderlich.
Er war Zeit seines Lebens ein Macher, ein Pragmatiker und Vermittler, dem es in dieser Rolle viel wohler war, als auf einem Thron (Vorsitzender der Geschäftsleitung, Verwaltungsratspräsident der SBG), von dem herab er vermutlich nur noch begrenzt auf das Geschehen hätte einwirken können.
Wenig zugängliche Quellen
Vor diesem Hintergrund hatte Saager zwar bankintern einen ihm gebührenden Abgang, aber ohne jemals die höchsten Würden der SBG erhalten zu haben. Der 1908 geborene Saager verstarb im April 1991.
Das Anfang August erschienene Buch liefert einen konzisen Einblick in die Funktionsweise der SBG in den 1960er- und 1970er-Jahren, mit vielen Anekdoten, die ehemalige SBG-Mitarbeiter mit grösstem Genuss verschlingen werden. Gleichzeitig ist das Werk ein wertvolles Dokument, zumal es eine Zeit beschreibt, über die es heute erstaunlicherweise wenig zugängliche Quellen gibt.
«Bruno Max Saager – Bankpionier der Nachkriegszeit», Hansjürg Saager und Werner Vogt, 270 Seiten, NZZ-Verlag, 2017; 44 Franken.