Als Expat in London machte Brett Meyers die Erfahrung, dass Auslandsüberweisungen teuer sind. Der Angestellte einer US-Bank machte sich selbständig, und bediente sich dafür im Zauberkasten der Fintech-Branche.
Brett Meyers' Geschichte ist nicht ungewöhnlich, aber durchaus beispielhaft für einen Trend, der den grossen Banken zwar vorerst bloss leichte Kopfschmerzen verursachen mag, aber auf die lange Sicht das Zeug hat, die Finanzbranche von Grund auf aufzumischen.
Meyers ist einer von vielen Australiern, die ihr Glück in Europa suchen, zuerst in London, später in Dublin. Als Expat war er darauf angewiesen, von Zeit zu Zeit Geld ins Ausland zu überweisen. Als er sich wieder einmal über hohe Kommissionen geärgert hatte, organisierte er kurzerhand ein informelles Tauschsystem mit australischen Freunden, welche froh waren, Bargeld eins-zu-eins tauschen zu können – eine klassische Win-Win-Situation, wie er im Gespräch mit finews.ch erklärte.
Von der Idee zum Businessplan
Meyers witterte eine Marktlücke, und dank seiner IT-Kenntnisse als Programmentwickler bei J.P. Morgan verfügte er über die Tools, um die Idee mit der nötigen Technik umzusetzen. Vor acht Jahren setzte er sich mit drei Kollegen an einen Tisch und begann mit der konkreten Erarbeitung seiner Geschäftsidee. Mit 40'000 Pfund Startkapital kauften sie sich die Infrastruktur, um loslegen zu können.
Im Sommer 2009 lancierte die Geschäftspartner die Firma CurrencyFair, und mit einem Kapital von einer knappen halben Million Pfund gingen sie ein Jahr später, im Mai 2010, an die Öffentlichkeit. Seither hat sich ihr Geschäft stetig entwickelt. Mittlerweile hat die Firma mehr als $1 Milliarde an Überweisungen vermittelt.
Das Prinzip des Systems ist schnell erklärt: Kunden von CurrencyFair haben ein Konto bei der Firma im Land ihres Wohnsitzes und speisen dieses in der Währung, welche sie zur Verfügung haben. Wollen sie nun einen Betrag in ein Land mit einer anderen Währung überweisen, fliesst kein Geld über die Grenzen, sondern wird vom Sammelkonto der CurrencyFair im Zielland direkt an den Empfänger überwiesen.
CMO arbeitete im Online-Betting
Das Geschäftsmodell hat Erfolg: Eben erst hat die Firma, welche in Dublin ihren Geschäftssitz hat, einen weiteren Kapitalschritt bekanntgegeben – angeführt von den Venture-Kapitalisten Octopus und Frontline, zog CurrencyFair 8 Millionen Euro an Land, um die Firma weiterzuentwickeln zu können. Knapp 100 Leute arbeiten mittlerweile für CurrencyFair, die allermeisten davon in Dublin. Um eine 24-Stunden-Präsenz zu gewährleisten, unterhält die Firma auch ein Büro in Australien.
Dieses Jahr wurde unter anderem Nils Andém als Chief Marketing Officer eingestellt. Andém war bezeichnenderweise früher für die Wettfirma Unibet in Schweden tätig. Warum ein im Wettgeschäft aktiver Manager bei CurrencyFair anheuert, erklärt sich durch dem zweiten Teil des Geschäftsmodells der Firma.
Zwar basiert die CurrencyFair-Plattform darauf, dass der Versand von Geld von der einen zur anderen Weltecke unnötig wird. Zusätzlich aber, und dies macht das Angebot der CurrencyFair ungewöhnlich, kann der Kunde darauf wetten, dass der Wert seiner Währung steigt. Das heisst, er sucht sich einen Tauschpartner, der bereit ist für den von ihm geforderten Wechselkurs zu bezahlen – und hofft natürlich, dass dieser besser als der von den Banken angebotene Kurs ist. Damit bedient CurrencyFair den Wettinstinkt der Kunden.
Kleiner Fisch – lukratives Business
Noch ist CurrencyFair ein kleiner Fisch in einem sehr grossen Teich. Gemäss Statistiken der Weltbank schickten Migranten im Jahr 2015 432 Milliarden Dollar an ihre Angehörigen in Entwicklungsstaaten. Sie bezahlten dafür im Durchschnitt 7,4 Prozent des zu überweisenden Betrags an die Dienstleister – also zirka knapp 32 Milliarden Dollar.
Wer diese Kosten für eine Überweisung, welche bei Banken und Dienstleistern wie Western Union anfallen, vermeiden will, hatte lange nur wenig Ausweichmöglichkeiten.
Die muslimische Diaspora benutzt traditionellerweise das Hawala-System für ihre Überweisungen, nicht zuletzt weil in ihren Heimatländern die finanziellen Strukturen nur rudimentär vorhanden sind.
Halwala - die illegale Alternative
Hawala basiert auf einem engmaschigen Netzwerk von Geschäftsleuten, die in einem informellen Vertrauensverhältnis zueinander stehen und Aufträge für Geldüberweisungen über die Grenzen ermöglichen, ohne dass das Geld in Wirklichkeit fliesst. Die Auszahlungen werden ausgeführt und jeweils als Schuld verzeichnet, die entweder durch eine gegenläufige Überweisung oder aber durch Warenhandel abgegolten werden.
Hawala ist in der westlichen Welt aber illegal, weil die Dienstleister sich keiner Regulation unterstellen und weil sie ihre Klientel bezüglich Herkunft der Gelder nicht unter die Lupe nehmen. CurrencyFair wäre trotzdem keine Alternative.
US-Markt lockt
Meyers und seine Leute konzentrieren sich auf die entwickelte Welt, welche einen regen Geldfluss in beide Richtungen garantiert und damit das System überhaupt ermöglicht. In Afrika beispielsweise ist lediglich Südafrika angeschlossen und die Firma plant auch nicht, bald weitere Länder zu bedienen.
Viel eher soll die Entwicklung gemäss dem Gründer Richtung USA gehen, welche bis anhin aus regulatorischen Gründen gemieden wurden – der Aufwand war zu gross für eine kleine Firm wie CurrencyFair. Dies aber könnte sich nun ändern, wo frisches Geld eingeschossen wurde.
Komplett neues Management
Gleichwohl denkt Meyers, dass er besser ein Nischenplayer bleiben sollte – und damit die Erträge der grossen Banken zwar etwas schmälern, aber nicht zum Verschwinden bringen wird. Selbst die Nische bietet schliesslich mehr als genügend Erträge, um erfolgreich sein zu können.
Damit es auch weiterhin in die von Meyers gewünschte Richtung geht, hat er soeben einen den Entschluss gefasst, sich nur noch mit den strategischen Fragen zu beschäftigen. Dafür hat die Firma einen neuen Geschäftsführer eingestellt, Paul Byrne, der zusammen mit den ebenfalls neuen Finanzchefin Ruth Fletcher und Produktechefin Sylvie McDermott ab sofort für das Tagesgeschäft zuständig ist.