CEO Marianne Wildi setzt mit der Hypothekarbank Lenzburg auf Fintech. Im Interview mit finews.ch erklärt sie ihre Strategie, und wie sie sich Vorstösse in bankenfremde Branchen vorstellt.
Frau Wildi, sind Sie die Retterin der Schweizer Fintech-Szene?
Wie kommen Sie darauf?
Die Hypothekarbank Lenzburg arbeitet mit einer Reihe von Fintech-Startups zusammen, die im Alleingang vielleicht Überlebensschwierigkeiten hätten.
Es ist nicht unsere Absicht, Fintechs zu 'retten'. Vielmehr bieten wir innovativen, jungen und coolen Unternehmen die Chance, mit einer Bank zusammenzuarbeiten und Teil unseres Ökosystems zu werden.
Fintechs suchen sich in der Regel einen Teil der Wertschöpfungskette heraus und bieten dabei ein neuartiges Geschäftsmodell an. Einen Abwickler brauchen Fintechs in der Regel dennoch.
«Wir schauen uns zurzeit die Bereiche Devisenhandel und Crowdfunding an»
Hier kommen wir ins Spiel, woraus sich eine Win-Win-Situation ergibt, weil wir unseren Kunden neuartige, ergänzende Dienstleistungen anbieten können und das Fintech von der Kundenbasis unserer Bank profitieren kann.
Sie haben Advanon, Qontis, Creditgate24 und Finform in Ihre Produktepalette integriert. Ist da auch Geld geflossen?
Bis jetzt sind wir an keinem dieser Fintechs beteiligt. Wir bezahlen für die Nutzung von Software wie bei Qontis und Finform oder haben den Aufbau der gemeinsamen Plattformen bezahlt. Aber wir bezahlen und erhalten keine Vermittlungsgebühren.
Mit Advanon sind Sie in der KMU-Finanzierung tätig, mit Qontis im Bereich Personal Finance und mit Creditgate24 im Kreditgeschäft. Was kommt als nächstes?
Wir haben soeben das digitale Onboarding lanciert. Wir kooperieren in diesem Bereich mit dem Berner Fin- und Regtech-Unternehmen Finform. Und ergänzend dazu schauen wir uns zurzeit die Bereiche Devisenhandel und Crowdfunding an.
Wie gehen Sie in der Prüfung und Selektion vor?
Unsere Fintech-Kooperationen sollen gleichermassen den KMU- und Privatkunden einen Mehrwert bringen. Das heisst, wir wollen durch die Anbindung von Fintechs keine Konkurrenzsituation mit unserem Angebot herstellen, sondern wir suchen jeweils eine sinnvolle Ergänzung oder eine Optimierung unserer Prozesse.
«Als mittelgrosse Bank sind wir eingeschränkt»
Die Devise lautet: Wenn Fintechs im Markt uns durch ein günstigeres oder ergänzendes Angebot Geschäfte wegnehmen könnten, sind diese interessant für uns, und wir müssen deren Angebot prüfen und unsere Prozesse und Dienstleistungen kritisch analysieren.
Sie könnten auch akquirieren.
Als mittelgrosse Bank sind wir diesbezüglich eingeschränkt. Wir bevorzugen den Weg der Kooperation. Wir nehmen eine Rolle als Vermittlerin von Finanzdienstleistungen ein. Der Kunde soll aus den verschiedenen Angeboten und Dienstleistungen wählen können.
Werden denn die Fintech-Angebote effektiv nachgefragt oder müssen Sie das Bedürfnis dafür erst noch schaffen?
Es ist eine Mischung von beidem. Ein Beispiel liefern unsere Bezahllösungen. Wir haben vor rund zwei Jahren all unseren Kunden neue Debitkarten (V-Pay) mit NFC-Chip angeboten. Zu Beginn war dies nicht ganz einfach, zwischenzeitlich hat sich die Karte etabliert, denn kontaktloses Bezahlen ist immer ein grösseres Bedürfnis.
Wir haben auch Twint eingeführt, die Bezahl-App. Doch ich bin überzeugt, dass unsere Kunden zurzeit noch vermehrt mit der NFC-Karte bezahlen. Grundsätzlich steht und fällt jede Fintech-Lösung mit der Benutzerfreundlichkeit und der Integration in ein Gesamtangebot.
Die Hypi Lenzburg hat eine App zur digitalen Kontoeröffnung. Das Potenzial für Neukunden ist bei ihrem Einzugsgebiet nicht riesig und als Kunde brauche ich die App genau einmal. Ist das nicht teure Spielerei?
Die App als solches war nicht so teuer. Unser Ziel war, in einem ersten Schritt den Prozess des Onboarding über Video-Identifikation anzubieten, in einem zweiten Schritt den Prozess aber auch in die bankinternen Abläufe zu integrieren.
«Protektionismus alter und auslaufender Systeme sichert kein langfristiges Überleben»
Ergänzend dazu ist das Video-Onboarding-Tool als Modul für das «Hypi-Finanztool», also unserem Personal-Finance-Manager vorgesehen. Das ist unser Prinzip: Die einzelnen digitalen Bankingmodule setzen wir zusammen und kombinieren sie innerhalb der Wertschöpfungskette und verwenden diese mehrfach.
Das Banking – auch die Hypi Lenzburg – leidet unter einer Margenerosion. Fintech hat eine Preisdeflation im Banking zum Ziel: Dienstleistungen sollen viel billiger oder gar umsonst angeboten werden. Sie investieren Geld in diesen Trend. Was ist Ihre betriebswirtschaftliche Logik?
Protektionismus alter und auslaufender Systeme sichert kein langfristiges Überleben. Die Hypi Lenzburg hat mit ihrer Grösse gar keine andere Wahl, als flexibel zu sein und sich stetig anzupassen.
Ansonsten würden wir angepasst. Meine Verantwortung würde ich nicht wahrnehmen, wenn ich darauf hoffte, die Marktveränderungen gingen an uns vorbei. Kommt dazu, dass die Hypi Lenzburg in einer besonderen Ausgangslage ist.
Was ist das Besondere?
Wir haben mit Finstar eine eigene IT-Plattform für unsere Core-Banken-Lösung, die wir selbst entwickeln. So können wir Abläufe und Interfaces selber gestalten. Wir sind deshalb prädestiniert, Kooperationen mit Fintech als Chance zu packen und umzusetzen.
Dank Finstar können wir uns ständig entlang sich wandelnder Marktbedingungen und Kundenbedürfnisse verändern und auch einmal Dinge ausprobieren und Erfahrungen sammeln.
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