Für Birgitte Olsen besteht bei den Grossbanken ein Widerspruch zwischen Boni und Renditen. Die Portfolio-Managerin von Bellevue Asset Management nennt auch Perlen der hiesigen Bankenlandschaft.
Frau Olsen, Ihr Fonds Entrepreneur Switzerland gehört zu den Outperformern im laufenden Jahr...
Birgitte Olsen: Ja, mit rund 15 Prozent Rendite hatte der Fonds bislang ein Superjahr. Er gehört aktuell zu den fünf besten Schweizer Fonds.
...aber an den Finanztiteln im Fonds liegt das nicht?
Nur zum Teil. Die Treiber sind hauptsächlich Industriewerte. Viele Schweizer Unternehmen nach dem Ende der Euro-Untergrenze gelitten. Nun erholen sie sich. Die gute Performance ist aber nicht allein auf die Erholung des Frankenschocks zurückzuführen.
Sondern?
Manche Firmen wie die Komponentenhersteller Lem oder Huber + Suhner sind in interessanten Wachstumsnischen tätig. Und wir suchen in Zeiten des Nullwachstums gezielt nach Unternehmen, die wachsen und ihre Hausaufgaben gemacht haben.
Aber auch Finanzwerte wie Partners Group (+39 Prozent im laufenden Jahr), Companie Financière Tradition (CFT) (+20 Prozent) und Cembra (+22 Prozent) haben die Performance des Fonds positiv geprägt.
Im Vergleich zum Vorjahr sind Schweizer Finanztitel im Fonds aber deutlich schwächer gewichtet.
Per Ende 2015 hatten wir 18 Prozent Finanzwerte im Fonds, derzeit sind es 14 Prozent. Wir haben eine historisch kleine Position in Swissquote abgestossen, um uns auf Geschäftsmodelle zu konzentrieren, die wir besser voraussagen können.
«Es ist zur Zeit schwierig, in der Schweiz Finanzunternehmen zu finden, die unseren Kriterien genügen»
Andere Positionen wie VZ Holding haben wir etwas reduziert, nachdem sie 2015 sehr gut «performt» hatten. In unseren Europafonds haben wir Finanztitel eher aufgestockt. Es ist zur Zeit eher schwierig, in der Schweiz Finanzunternehmen zu finden, die unseren Kriterien genügen und gleichzeitig interessante Bewertungen aufweisen.
Unternehmergeführte Finanzfirmen gibt es doch einige, wie Swissquote, Vontobel oder Leonteq – ein Nischenplayer in einem Wachstumsmarkt, der sich nach einigen Rückschlägen nun zu erholen scheint.
Wir waren nie in Leonteq investiert und haben dies zeitweise auch bereut. Seit Leonteq das Geschäftsmodell auf die Plattform-Strategie umgestellt hat, stehen wir dem Titel kritischer gegenüber.
Warum?
Unsere Analyse ist, dass Leonteq als Plattform-Provider mit viel geringeren Margen rechnen muss denn als Produkthersteller. Das bedeutet, dass das neue Geschäftsmodell stark volumengetrieben ist.
«Wir sind seit Jahren ein Fan der Partners Group»
Zur Zeit sehen wir auch Schwierigkeiten in der erfolgreichen Implementierung dieses Vorhabens.
In der Gesamtbetrachtung zeigen der Schweizer Finanzplatz und seine Akteure wenig bis gar kein Wachstum: sinkende Margen, Negativzinsen, kriselndes Private Banking... Finden Sie trotzdem geeignete Aktien für Ihren Fonds?
Ja. Jedoch sind diese eher unter die Kategorie «Exoten» zu stellen.
Zum Beispiel?
Wir sind seit Jahren ein Fan der Partners Group. Zeitweise haben wir die Aktie mit 4,5 Prozent in unserem Fonds gewichtet.
Was ist an Partners Group exotisch?
Sie hat ein einzigartiges Geschäftsmodell, ist aber in der Nische breit diversifiziert und global aufgestellt. Partners Group ist die perfekte Wachstumsaktie in defensiven Zeiten.
Welche Titel noch?
Die VZ Gruppe haben wir schon länger in unserem Fonds. Auch hier: Ein Finanzunternehmen, das sich durch sein unabhängiges Beratungsmodell ganz auf eine Nische mit steigender Nachfrage konzentriert hat.
«CFT hat die Kosten dramatisch reduziert»
Companie Financière Tradition hatten wir in Februar 2015 aufgenommen und sehen trotz 85 Prozent Performance noch immer viel Potential. Der schwierige Interdealer-Broker-Markt hat jetzt stark konsolidiert.
CFT hat die Kosten dramatisch reduziert, was bei null Topline-Wachstum eine Erholung der Profitabilität erlaubt. Das Unternehmen weist eine super-solide Bilanz aus und eine Dividende von 4.6 Prozent aus, für uns ein klassischer Value-Case.
Bietet die Konsolidierung in der Bankenlandschaft Anlagechancen?
Wir verfolgen einen anderen Investmentansatz. Wir wollen Unternehmen mit einer grundsoliden Bilanz, interessanten Margen, überdurchschnittlichen Eigenkapitalrenditen, einer klaren Strategie sowie Kontinuität im Management und der entsprechenden Eigentümerstruktur. In der Schweizer Finanzlandschaft finden wir kaum Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen.
Private Banking hat im Prinzip ein einfaches Geschäftsmodell, die Institute sind in der Regel sehr gut kapitalisiert. Eine EFG International hat eine starke Eigentümerschaft und hat eine Wachstumsstrategie. Sind das nicht genügend Kriterien?
Die Gegenargumente sind zu stark: Sinkende Margen, zurückhaltende Kunden und steigende Regulierungskosten. Klar, EFG International wird mit der Übernahme von BSI wachsen.
«Reicht dies als Investment-Case für uns? Nein!»
Ich habe mir die Präsentationen zur Übernahme angeschaut. Das Vorhaben baut stark auf einer teuren IT-Plattform, durch deren höhere Auslastung Kosten gespart werden können. Reicht dies als Investment-Case für uns? Nein!
Die Bewertungen vieler Bankaktien spiegeln die Vorbehalte der Anleger. Bietet dies nicht Chancen – aus Contrarian-Sicht?
Die Bankenbranche war in den vergangenen Jahren geprägt durch zahlreiche Änderungen und Anpassungen der Geschäftsmodelle, Kostensparprogramme, Stellenabbau und damit verbunden auch Verlust von Know-how sowie einem hohen Frustrationsgrad unter den Angestellten. Da müssten wir einen ordentlichen Discount in den Bewertungen sehen, bis wir uns diesen Schuh anziehen.
Die Grossbanken UBS und Credit Suisse sind derzeit zu einem Discount zu haben.
Für uns stellen die Grossbanken in vielen Belangen die Antithese unserer Anlageprinzipien. Schauen Sie sich nur diese Dichotomie zwischen den Salären und Boni und den Returns für Aktionäre an.
«Viele Fintech-Geschäftsmodelle reflektieren die Preisdeflation im Banking»
Wir hingegen investieren in eigentümergeführte Firmen, weil dort eine Kostenstringenz klassischweise auch in den Löhnen gegeben ist. Ausserdem hätte ich Mühe zu erklären, warum wir in so komplizierte Geschäftsmodelle investieren, wie sie Grossbanken bieten.
Fintech-Unternehmen müssten Sie interessieren – sie sind oft eigentümergeführt und wachsen.
Leider sind die Anlagemöglichkeiten hier noch rar. Aber wir sind ja in den finnischen Online-Kreditgeber Ferratum investiert. Dessen Geschäftsmodell ist auch eines, das tatsächlich Cash-flow generiert.
Die Aktie lief auch sehr gut. Dieses Jahr brach sie allerdings ein. Wir haben jetzt wieder zugekauft.
Sehen Sie in Fintech insgesamt Anlagechancen?
Das ist ein schwieriges Thema. Denn viele Fintech-Geschäftsmodelle reflektieren die Preisdeflation im Banking. Es muss alles immer weniger kosten oder gleich umsonst sein.
Wir hingegen wollen Geschäftsmodelle, in denen die Anbieter Preismacht haben. Die finden wir zurzeit eher in Industriebereichen wie Automation, Logistik, Robotik oder Elektrifizierung.
Birgitte Olsen ist Senior Portfolio Managerin für europäische Aktien. Sie arbeitet sei 2008 bei Bellevue Asset Management. Zuvor war sie unter anderem für Vontobel sowie für Generali tätig. Heute ist sie für die Anlagefonds BB Entrepreneur Europe (inklusive Europe Small) sowie BB Entrepreneur Switzerland sowie für institutionelle Mandate verantwortlich. Die gebürtige Norwegerin, die in Genf aufwuchs, verfügt über einen Abschluss der Universität St. Gallen und ist CFA-Chartholder.