Die teils «schockierenden» Zustände im britischen Bildungssystem erinnern den gebürtigen Ivorer Tidjane Thiam an sein Heimatland. Der Chef der Credit Suisse erklärt, warum sich das im Brexit gerächt hat.
Das Vereinigte Königreich bezahle mit dem Brexit nun den Preis für den hohen Grad an Ungleichheit und die verpassten Investitionen ins Bildungswesen. Das habe die Mehrheit der britischen Bevölkerung am 23. Juni bewogen, für den Austritt aus der EU zu stimmen. Dies sagte Tidjane Thiam letzten Sonntag zur Agentur «Reuters».
Der ehemalige Konzernchef des britischen Versicherers Prudential lebte vor seinem Amtsantritt bei der Credit Suisse (CS) im Juli 2015 rund 15 Jahre in London. Während dieser Zeit besuchte er eine Schule in Tower Hamlets, in der Nähe des Londoner Finanzdistrikts. Die Visite sei für ihn ein «Schock» gewesen, hiess es weiter.
Zustände wie an der Elfenbeinküste
«Nur etwa die Hälfte der Kinder nahm pro Tag eine Mahlzeit zu sich. Das sind Zustände wie in der Elfenbeinküste», kritisierte Thiam, der einst selber hochrangiger Beamter im westafrikanischen Land war.
Laut Thiam stehe Grossbritannien nun in der Pflicht, die Lebenssituation seiner Bürger zu verbessern, um weitere Referenden zu vermeiden, die mittelfristig schlecht für das Land sind. Insbesondere Menschen mit tiefem Ausbildungsrad hatten den Brexit unterstützt, weiss der CS-Konzernchef.
Mehr Solidarität im Steuersystem
Ein Mittel wäre gemäss Thiam die Revision des britischen Steuersystems. Dieses müsse solidarischer ausgestaltet werden, falls nötig mit höheren Steuern.
Allerdings sei dies ein schwieriges Unterfangen: Denn wer möchte schon höhere Steuern abliefern müssen, so Thiam.