Sven Württemberger, Head Client Coverage Division Schweiz bei DWS 


Sven Württemberger (Bild: zVg)

Wie sehen Sie die Rolle des Asset Managements in einem Umfeld anhaltend niedriger Zinsen?

Positiv, da Investment-Produkte aufgrund des höheren Renditepotenzials auch weiterhin eine valide Alternative zu klassischen Festgeldprodukten darstellen. Mit diesen Toolsets ermöglicht es die Industrie, sowohl bestehenden als auch neue Investoren langfristig strategisch und kurzfristig taktisch im Markt zu agieren. Dies gilt übrigens auch für Märkte, die eine höhere Verzinsung aufweisen, wie etwa Deutschland – hier sehen wir unter anderem eine hohe Nachfrage nach Cash-äquivalenten Lösungen wie unserem Xtrackers Overnight Swap ETF, der mittlerweile Assets under Management von über zehn Milliarden Euro aufweist.

Welche neuen Anlagestrategien gewinnen an Bedeutung?

Insbesondere alternative Anlagen beziehungsweise illiquide Fonds, die bisher zumeist institutionellen Investoren vorbehalten waren, finden nun vermehrt Anklang auch bei privaten Anlegern. Denen wird der Zugang durch ein retailisiertes Fondsangebot ermöglicht, das sich etwa durch niedrigere Mindestanlagesummen auszeichnet. Insbesondere Infrastruktur und Private Equity, aber auch vermehrt Private Credit und zuletzt auch zyklisch wieder Immobilienanlagen finden hier Anklang.

«Die Skalierung dieser Tokenisierungs-Use-Cases steht noch aus»

Einen weiteren Trend sehen wir bei aktiven ETFs – dies sind ETFs, die auf einer aktiven Investment-Strategie basieren und sich nicht an die Benchmarkt eines klassischen Indexprodukts halten müssen. In den USA machen diese hybriden Produkte bereits einen ansehnlichen Teil der gehandelten ETFs aus – etwa 800 Milliarden Dollar mit einem diesjährigen Wachstumsanteil von 20 Prozent am ETF-Markt. Dieser Trend könnte sich auch in Europa insbesondere bei Portfoliomanagern aber auch Privatinvestoren fortsetzen.

Inwiefern verändert die technologische Entwicklung, insbesondere Künstliche Intelligenz und Blockchain, die Asset-Management-Branche?

Wir schauen uns die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz sehr genau an und versuchen entsprechende Use Cases abzuleiten. Insbesondere die operative und prozessuale Effizienz steht hier im Mittelpunkt. Es lassen sich aber auch spannende Nutzungsbeispiele im Portfoliomanagement und in der Vertriebssteuerung ableiten – hier stehen wir noch am Anfang, aber es zeichnen sich erste Impulse insbesondere für die Optimierung der Wertschöpfungskette ab.

Auch die Blockchain-Technologie bietet viele Chancen für Asset Owner und Asset Manager. Finanzintermediäre, die heute zentrale Datenbanken managen, könnten durch die Blockchain-Technologie an Relevanz verlieren. Das Disruptionspotenzial ist gross, dennoch fehlt heute noch der grosse Durchbruch, damit sich die Blockchain-Technologie im Finanzsektor fest etablieren kann. Zwar gibt es viele innovative Proofs of Concepts, wie tokenisierte Anleihen oder Fonds, aber die Skalierung dieser Tokenisierungs-Use-Cases steht noch aus.

Im Gegensatz dazu haben Kryptowährungen heute schon eine signifikante Marktkapitalisierung mit mehr als zwei Billionen Dollar. Unsere Digital-Asset-Strategie berücksichtig diese unterschiedliche Marktreife: Wir haben drei Use Cases priorisiert, Kryptowährungen, Stablecoins und Tokenisierung.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie bei der zunehmenden Bedeutung von passiven Investments im Vergleich zu aktiven Anlagestrategien?

Wir konzentrieren uns neben aktiven und alternativen Anlagen sehr stark auf passive Investments, sprich ETFs aber auch Mandate und partizipieren mit unserer ETF-Marke Xtrackers am Wachstum der Industrie – sei es im institutionellen oder Privatkundenbereich; letzteres mit hohen Wachstumsraten, insbesondere auch dank neuer digitaler und Online-Bankenkanäle und der Ausweitung von Einmal- sowie Sparplananlagen, die jüngst auch in der Schweiz an Popularität gewonnen haben. Hier können wir von den Erfahrungen aus unseren zahlreichen Kooperationen profitieren.

«Die Regulierung wird aufwendiger und komplexer»

Mit insgesamt 28 Partnern für digitale Zusammenarbeit sind wir europaweit breit aufgestellt. In der Schweiz haben wir jüngst Postfinance als Partner gewonnen. Damit tragen wir auch in der Schweiz der wachsenden Sparplannachfrage Rechnung. Zur Einordnung: In Europa gab es Ende vergangenen Jahres knapp 7,6 Millionen Sparpläne, in den kommenden fünf Jahren wird mit einem Wachstum auf 32 Millionen Sparpläne gerechnet.

Wie beeinflusst die Regulierungslandschaft – wie etwa MiFID II und andere Vorschriften – die Entwicklung des Asset Managements?

Beim Finanzstandort Europa geht es um die Frage, wie wir langfristig wettbewerbsfähig bleiben. Die Kryptoregulierung MiCA beispielsweise wird grundsätzlich positiv beurteilt. Sie sollte mit dem nötigen Anlegerschutz weitere Innovationen ermöglichen. Auch UCITS gilt als Goldstandard, den die EU ermöglicht hat, und der in Kombination mit dem individuellen Anlegerschutz der MiFID-Regeln hilft, die breiten finanziellen Bedürfnisse von Investoren abzudecken.

Gleichzeitig merken auch wir als treuhänderischer Asset Manager, dass die Regulierung komplexer und aufwendiger wird. Deshalb ist etwa der Bericht von Ex-EZB Chef Mario Draghi begrüssenswert, in dem er vorschlägt, durch effizientere Regulierung und verbesserten Zugang zu Finanzanlagen mehr Kapital zur Finanzierung der EU-Wirtschaft an die Finanzmärkte zu bekommen.

«Wir stehen an den Immobilienmärkten am Anfang eines neuen Zyklus»

Um es kurz zu machen: Wenn wir einen jährlichen Investitionsbedarf zwischen 750 Milliarden und 800 Milliarden Euro haben, wie es Mario Draghi berichtet, braucht es sehr zielgerichtete und balancierte Aufsichtsregeln für Asset Manager, damit wir uns darauf konzentrieren können, diese Investitionslücken zu schliessen. Darin steckt grosses Potenzial.

Wie bewerten Sie den Trend zu alternativen Investments, insbesondere in den Bereichen Private Equity, Immobilien und Infrastruktur?

Wir stehen an den Immobilienmärkten am Anfang eines neuen Zyklus. Die schweren Turbulenzen nach der Zinswende gehen zu Ende, und in einigen Bereichen sehen wir sogar steigende Immobilienwerte. Diese werden insbesondere durch gesunde Mietmärkte angetrieben – und: allmählich sehen wir auch Unterstützung von der Zinsseite. Infrastruktur-Investments gelten als eher defensive Anlage mit stabilen Erträgen und sind relativ unabhängig von konjunkturellen Zyklen. Das sorgt für Stabilität und vermeidet Überraschungen. Daher rechnen wir mit grossen Steigerungsraten.

Welche Rolle wird die Personalisierung von Portfolios und der Einsatz von Robo-Advisors in der Zukunft des Asset Managements spielen?

Insbesondere innerhalb des zunehmenden digitalen Anlageangebots spielen massgeschneiderte Investmentlösungen eine grosse Rolle. Selbstentscheider aber auch Wealth Manager und Banken bieten ein weites Spektrum entsprechender Modelportfolien an. Anleger können so im Baukastenprinz digital Portfolios modular zusammenstellen. Asset Manager unterstützen die konzeptionelle Ausgestaltung sowie in der digitalen Umsetzung und spielen somit eine wichtige Rolle entlang der Wertschöpfungskette. Asset Manager entwickeln sich somit immer mehr zum Lösungs- statt reinem Produktanbieter.