Im Gespräch mit finews.ch spricht der Bulgari-CEO über die Entwicklung der Marke von ihren Wurzeln im Luxusschmuck hin zu einer wichtigen Kraft in der Schweizer Uhrenindustrie. Als wichtiger Initiant der «Geneva Watch Days» enthüllt Babin die komplexeste Uhr in der Firmengeschichte und erklärt, wie er die Marke mit technischen Errungenschaften und einzigartigen künstlerischen Kooperationen vorantreibt. Zudem verrät er seine Einschätzung der jüngsten CEO-Wechsel in der Uhrensparte von LVMH..

Herr Babin, viele Menschen kennen Bulgari in erster Linie als italienischen Juwelier, weniger als Schweizer Uhrenhersteller. Wir treffen uns bei den «Geneva Watch Days», bei denen Sie eine zentrale Kraft sind. Stärkt dieses Event das Image von Bulgari im Uhrenbereich?

In der Tat trägt diese Messe dazu bei, die Sichtbarkeit von Bulgari als Uhrenhersteller zu erhöhen. Im April nehmen wir jeweils an «Watches and Wonders» teil, im Spätsommer sind wir an den «Geneva Watch Days» stark vertreten und natürlich sind wir zu Beginn jedes Jahres Bestandteil der «LVMH Watch Week». Solche Events tragen dazu bei, unser Profil zu stärken.

Bulgari wurde vor 140 Jahren gegründet. Wie entwickelte sich die Marke vom Schmuck hin zum Uhrenhersteller?

Bulgari begann 1919 mit der Uhrmacherei, nicht lange nach unserem Debüt als Juweliere. Die ersten Zeitmesser waren Schmuckuhren für Damen, die als Teil eines «Parure»-Sets entworfen wurden, das eine Halskette, einen Ring, Ohrringe, ein Armband und eine Uhr umfasste – typischerweise aus Platin und Diamanten gefertigt. Diese Tradition setzte sich bis in die 1970er Jahre fort, als wir mit der Tubogas-Kollektion begannen, Alltagsuhren für Frauen zu kreieren, was den Weg für die ikonische Serpenti-Linie ebnete. 1975 erweiterten wir mit der Einführung der Bulgari-Bulgari-Kollektion unser Angebot auf Herrenuhren und sprachen damit ein breiteres Publikum an.

Seit wann sitzt Bulgari am Tisch mit den Herstellern von grossen Komplikationen?

Dieser Meilenstein wurde im Jahr 2000 erreicht, als wir die renommierten Uhrenmarken Gérald Genta und Daniel Roth übernahmen. Heute ist Bulgari die einzige Schweizer Uhrenmarke, die eine breite Palette an Zeitmessern herstellt – von grossen Komplikationen und Schmuckuhren bis hin zu Damen- und Herrenuhren. Diese Vielfalt ist genau der Grund, warum wir an mehreren Branchenveranstaltungen teilnehmen; mit einem so vielseitigen Portfolio ist es unerlässlich, unsere Innovationen auf verschiedenen Plattformen zu präsentieren.

Wie unterscheiden Sie sich von anderen Luxusuhrenherstellern?

Unser historisches Erbe der Schmuckuhren ist ein Eckpfeiler unserer Identität und bleibt eines unserer vielversprechendsten Wachstumsfelder. (Zeigt ein Modell) Betrachten Sie dieses Stück – 80 Prozent davon sind Schmuck, es verfügt jedoch über ein winziges, aber kunstvolles mechanisches Uhrwerk, das kleinste der Welt – es wiegt nur 1,2 Gramm.

«Wir haben das ultra-kleine mechanische Uhrwerk für das 21. Jahrhundert neu definiert»

Wir nennen es «Piccolissimo», ähnlich wie unser «Finissimo», ein weiterer Weltrekord – diesmal nicht aufgrund seiner Dünnheit, sondern wegen seiner Miniaturgrösse. Während der Quarzkrise in den 1970er Jahren verschwanden kleine mechanische Uhrwerke, aber wir haben das ultra-kleine mechanische Uhrwerk für das 21. Jahrhundert neu definiert. In vielerlei Hinsicht prägt Bulgari weiterhin die Zukunft der Uhrmacherei.

Was präsentieren Sie dieses Jahr bei den «Geneva Watch Days»?

Bevor ich zu den Highlights der diesjährigen «Geneva Watch Days»-Ausgabe komme, möchte ich Ihnen die dünnste Octo Finissimo Ultra COSC-Chronometeruhr vorstellen, die nur 1,7 Millimeter misst. Sie gehört zu den bedeutendsten Innovationen des letzten Jahrzehnts und markiert unseren neunten Weltrekord in Folge. (Zeigt eine weitere Octo Finissimo) Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis ist die Bulgari Octo Finissimo Perpetual Calendar, die 2021 beim Grand Prix d’Horlogerie de Genève mit der prestigeträchtigen «Aiguille d’Or» ausgezeichnet wurde, dank seiner aussergewöhnlichen Kombination aus technischer Innovation und ikonischem Design. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch dieses Jahr für unsere Innovationen Anerkennung erhalten werden.

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Octo Roma Grande Sonnerie Tourbillon. (Bild: Bulgari, zVg)

Nun: Bei den «Geneva Watch Days» in diesem Jahr stellen wir eine spannende Kollektion unter dem Thema «The Sound of Bulgari» vor. Wir präsentierten die Octo Roma Grande Sonnerie, unsere bisher komplexeste Uhr, die über eine Minutenrepetition mit einer einzigartigen Melodie von Lorenzo Viotti verfügt. Die Octo Roma Carillon Tourbillon zeigte ein Tourbillon zusammen mit einer Minutenrepetition und drei Hämmern. Die Octo Finissimo Minute Repeater Carbon beeindruckt durch ihr schlankes Design und die raffinierte Klangfunktion. Wir feiern auch 70 Jahre Stratocaster mit der Bulgari Aluminium GMT x Fender Limited Edition. Und abschliessend bezaubert die Serpenti Pallini High Jewellery mit dem Piccolissimo-Kaliber, ein Miniaturwunder.

Erzählen Sie uns etwas über die Uhr, die Sie gerade tragen.

Dies ist die Octo Roma Grande Sonnerie Tourbillon, ein Stück, das wir in Zusammenarbeit mit Lorenzo Viotti, dem italienisch-schweizerischen Dirigenten und derzeitigen Chefdirigenten des Niederländischen Philharmonieorchesters und der Niederländischen Nationaloper, entwickelt und heute offiziell vorstellen. Er besitzt ein aussergewöhnliches Talent in der Welt der klassischen Musik. Seine bemerkenswerte Kunstfertigkeit und sein Fachwissen hat er in diese einzigartige Uhrenkreation eingebracht.

Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden?

Viotti hat eine Leidenschaft für Uhren. Es hat ihn überrascht, dass die meisten Glockenuhren die gleiche Melodie spielen. Im Gespräch mit ihm und Antoine Pin, dem Leiter unserer Uhrensparte, entstand die Idee, etwas wahrhaft Neuartiges zu schaffen. Zwei Monate später kehrte Viotti mit einem Vorschlag zurück und arbeitete wochenlang mit unseren Meisteruhrmachern in Le Sentier zusammen, um eine neue Melodie zu komponieren. Anstatt die konventionellen Westminster-Glockenspiele zu verwenden, erarbeiteten wir einen völlig neuen Klang, der ein neues Kapitel in der Welt der Schlaguhren aufschlägt.

Was macht dieses Glockenspiel so einzigartig?

Dass wir mit einem renommierten Musiker zusammenarbeiten, um die Melodie einer Schlaguhr neu zu definieren, ist bereits neuartig. Und während die meisten Schlaguhren symmetrische Intervalle verwenden, brachte Viotti das Tritonus-Intervall zur Anwendung. Es ist ein musikalisches Konzept mit jahrhundertealter Geschichte, das Spannung und Lebendigkeit erzeugt – perfekt also für eine italienische Marke wie Bulgari. Zwei Jahre lang haben wir diese neue Melodie perfektioniert, die sich von den vertrauten Westminster- oder Big Ben-Tönen unterscheidet.

«The movement alone consists of 900 components dedicated solely to the chiming mechanism»

Technisch betrachtet: Was war die grösste Herausforderung bei der Entwicklung dieser neuen Melodie?

Traditionelle Glockenspiele schlagen in regelmässigen Intervallen. Aber um Asymmetrie in den Schlägen zu erreichen, mussten wir den Hammermechanismus komplett neu gestalten. Nun schlagen die Hämmer in unregelmässigen Abständen – zuerst eine halbe Sekunde, dann ein Viertel und dann wieder eine halbe. Das ist eine Varianz, die es bisher nicht gab, und ein bedeutender technischer Durchbruch. Die Komplexität ist erstaunlich; im Uhrwerk sind allein 900 Komponenten dem Schlagmechanismus gewidmet.

900 Einzelteile, nur für das Glockenspiel?

Ja, und diese Neudefinition der Melodie nach 200 Jahren Tradition ist die eigentliche Errungenschaft: Dafür mussten wir die Hammertechnologie weiterentwickeln, während wir das restliche Design der Uhr bewusst modern hielten. Obwohl es sich um eine limitierte Auflage von nur fünf Exemplaren handelt, die jeweils eine Million Euro kosten, ist es ein modernes Accessoire für eine viel jüngere Klientel als noch vor 30 Jahren.

Sie expandieren in der Welt der Musik. Weshalb?

Wir arbeiten exklusiv mit Künstlern aus verschiedenen Bereichen zusammen – ob es Dirigenten wie Beatrice Venezi und Lorenzo Viotti, Schauspielerinnen wie Zendaya und Anne Hathaway oder Musiker wie Lisa von Blackpink sind. Diese Kooperationen gehen über einfache Werbepartnerschaften hinaus; indem sie auch zur Produktentwicklung beitragen. Musik hat die Fähigkeit, Resonanz zu erzeugen und Emotionen hervorzurufen. Uhren werden dadurch durch eine tiefreichende emotionale Dimension erweitert. Indem wir nicht nur in der technischen  Handwerkskunst, sondern auch im emotionalen Erlebnis etwas Neues bieten, heben wir unsere Kreationen auf eine neue Ebene.

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CEO Babin (ganz rechts) mit dem Dirigenten Lorenzo Viotti (neben ihm) und anderen Bulgari-Exponenten. Von links: John Sheridan, Antoine Pin und Pascal Legendre. (Bild: Bulgari, zVg)

Die Marke ist Teil der Uhrenabteilung von LVMH, wo kürzlich einige Wechsel im Management annonciert wurden.

Ja, es wurden mehrere wichtige Berufungen vorgenommen, darunter Julien Tornare, der zu Hublot wechselt, und Antoine Pin, der als CEO zu TAG Heuer geht. Diese strategischen Ernennungen mögen zufällig erscheinen, sind in Wirklichkeit ein Beweis für die dynamische Entwicklung und die frischen Perspektiven unserer Gruppe. Sie unterstreichen unsere Absicht, neue Energie und Innovation in unsere Marken einzubringen und uns für einen noch grösseren Erfolg in der Branche zu positionieren.

Wer ersetzt Antoine Pin als Uhren-Chef bei Bulgari?

Sein Nachfolger ist Jonathan Brinbaum. Bis vor kurzem leitete er die Duftabteilung von Bulgari, die ihren Sitz in Neuchâtel hat – direkt unter unserer Uhren-Etage. Ich unterstütze seine Beförderung voll und ganz. Ich selbst bin im Jahr 2000 aus der Konsumgüterindustrie in die Uhrenwelt gewechselt. Jonathan äusserst intelligent und anpassungsfähig. Seine Aufgeschlossenheit und Neugier werden ihn in dieser neuen Rolle sicherlich zum Erfolg gereichen.

«Ich bin ich sehr glücklich, wo ich bin. Offenbar ist auch die Führung bei Bulgari zufrieden mit meinen Beiträgen»

Wie bewerten Sie die Errungenschaften von Antoine Pin bei Bulgari?

Antoines Ernennung zum CEO von TAG Heuer ist wohlverdient. Mit seiner herausragenden Erfolgsbilanz bei Bulgari und seinen früheren Leistungen bei TAG Heuer hat er seine Führungsqualitäten eindeutig unter Beweis gestellt. Während die Uhrenabteilung von Bulgari nur einen Teil der Marke darstellt, wird es ihm die Leitung von TAG Heuer ermöglichen, seine Expertise auf ein ganzes Unternehmen zu übertragen und TAG Heuer strategisch voranzutreiben.

Als einer der wenigsten Top-Manager in der LVMH-Uhrenwelt bleiben Sie in Ihrer gegenwärtigen Position.

Was mich betrifft, bin ich sehr glücklich, wo ich bin. Offenbar ist auch die Führung bei Bulgari zufrieden mit meinen Beiträgen.


Seit 11 Jahren ist Jean-Christophe Babin CEO von Bulgari. Die italienische Luxusmarke ist für ihren hochwertigen Schmuck, ihre Uhren und Accessoires bekannt. Vor dieser Funktion bekleidete Babin das Amt als CEO bei TAG Heuer. Seine Amtszeit bei Bulgari bewirkte eine Erweiterung der globalen Präsenz der Marke und die Stärkung ihres Rufs für Innovationen sowohl im Schmuck- als auch im Uhrenbereich. Branchenexperten schätzen, dass sich der Umsatz von Bulgari unter Babins Leitung auf etwa 3,5 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt hat. Vor seinen Tätigkeiten in der Luxusgüterindustrie wirkte Babin, der an der HEC Paris einen MBA erworben hat, auf verschiedenen Stationen in der Konsumgüterbranche und im strategischen Consulting. Im Jahr 2020 spielte er eine entscheidende Rolle bei der Schaffung der «Geneva Watch Days», einer bedeutenden Branchenmesse.