Michael Schütze, Country Head Schweiz AllianzGI


Michael Schütze (Bild: zVg)

Wie sehen Sie die Rolle des Asset Managements in einem Umfeld anhaltend niedriger Zinsen?

Über die letzte Dekade, die von mehreren Krisen und einer langen Phase negativer Zinsen gekennzeichnet waren, hat das Asset Management seine Stärke unter Beweis gestellt. Mit illiquiden Alternatives, den Private Markets, hat es Anlegern eine neue Anlageklasse erschlossen, mit denen Investoren auch im herausfordernden Zinsumfeld die benötigten oder gewünschten Renditen erwirtschaften konnten. So betrachtet ist Asset Management für Kunden ein Partner für jede Marktlage.

Welche neuen Anlagestrategien gewinnen an Bedeutung?

Weltweit hat es infolge der Negativzinsphase eine Tendenz weg von Anleihen hin zu Investments in reale Werte gegeben – neben Aktien vor allem auch illiquide Alternatives/private Markets. Infolge der Zins-Normalisierung ist das Pendel etwas zurückgeschwungen: Anleihen werfen wieder positive Erträge ab. Nichtsdestotrotz gilt weiterhin: Die Mischung – neu schweizerisch Multi Asset – macht’s.

Mit Blick auf Schweizer Kunden ist hierbei wichtig, deren Home Bias im Auge zu behalten. Die Multi-Asset-Lösungen für Schweizer Kunden unterscheiden sich von denen für Kunden aus dem Euroraum: Sie legen ein stärkeres Gewicht auf Schweizer Emittenten. Aus diesem Grund hat Allianz Global Investors jüngst seine Multi-Asset-Kapazitäten in Zürich ausgebaut.

«Bei Blockchain sind wir in einer temporären Enttäuschungs-Phase»

Speziell auf der Aktienseiten sehen wir nach wie vor thematische Strategien sowie neu Indien als Anlagen an.

Inwiefern verändert die technologische Entwicklung, insbesondere Künstliche Intelligenz und Blockchain, die Asset-Management-Branche?

Bekanntlich werden die kurzfristigen Folgen technologischer Neuerungen zunächst oftmals überschätzt, die langfristigen Auswirkungen hingegen unterschätzt. Dies führt dann zu einem Euphorie-Enttäuschungs-Zyklus. Bei Künstlicher Intelligenz (KI) sind wir aktuell wohl noch in der Euphorie-Phase, bei Blockchain vielleicht eher in einer temporären Enttäuschungs-Phase, nachdem es mit deren Durchdringung nicht so schnell verläuft, wie einige zunächst – vielleicht überschwänglich – vermutet haben.

Unserer Ansicht nach wird beides langfristig gravierende Auswirkungen auf alle Bereiche des menschlichen Lebens haben, so auch auf das Asset Management. AllianzGI arbeitet bereits in vielen Unternehmensbereichen an beidem, auch im Portfoliomanagement. Dabei sind wir allerdings davon überzeugt, dass es langfristig nicht heissen wird: Mensch oder Maschine. Sondern vielmehr: Mensch und Maschine.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie bei der zunehmenden Bedeutung von passiven Investments im Vergleich zu aktiven Anlagestrategien?

Wir sind davon überzeugt, dass beides – aktives und passives Asset Management – seine Existenzberechtigung hat. Langfristig wird es kein Entweder-Oder geben. Hervorzuheben ist dabei, dass neue Anlagesegmente zunächst immer nur aktiv investierbar sind. Zudem birgt eine Marktdominanz passiver Investments gewisse Risiken für die Finanzstabilität: Die Informationskraft von Börsenkursen lässt nach, es gibt Liquiditäts- und Konzentrationsrisiken. Letzteres sieht man aktuell eindrucksvoll an dem hohen Gewicht der sogenannten «Magnificent Seven» in gängigen US-Aktienindizes.

Allianz Global Investors ist und bleibt aus Überzeugung ein aktiver Asset Manager. Und dabei verstehen wir «aktiv» nicht nur mit Blick auf Outperformance, sondern auch als aktiv in der Kundenberatung und -betreuung sowie bei der Stimmrechtsausübung für die Kunden.

Wie beeinflusst die Regulierungslandschaft – wie etwa MiFID II und andere Vorschriften – die Entwicklung des Asset Managements?

Anzahl und Dichte der Regulierungsmassnahmen haben über die letzte Dekade stark zugenommen. Dies bringt für alle Asset Manager erheblichen Umsetzungsaufwand mit sich. Positiv zu werten ist jede Regulierung, die Unklarheiten beseitigt, zielfördernd ist und, ebenfalls sehr wichtig, deren Umsetzung international einheitlich ist – oder zumindest in Europa.

«Alternative Investments stellt eine echte Diversifikationsmöglichkeit dar»

Problematisch hingegen wird es immer bei nicht-intendierten Konsequenzen, wenn sich durch Regulierung neue Interpretationsspielräume oder Unklarheiten ergeben, oder wenn die Umsetzung von Land zu Land zeitlich und inhaltlich unterschiedlich erfolgt.

Wie bewerten Sie den Trend zu alternativen Investments, insbesondere in den Bereichen Private Equity, Immobilien und Infrastruktur?

In einem Umfeld niedriger Zinsen haben sich Alternative Investments für viele regulierte Anleger als wahrer Segen erwiesen. Denn hierdurch konnten gering bis gar nicht rentierliche Anleiheinvestments teilweise ersetzt werden, ohne zu viel an Risikokapital vorhalten zu müssen, mit Laufzeiten, die vielen Institutionellen entgegenkommen. Diese Anlageklasse stellte somit eine echte Diversifikationsmöglichkeit dar. Auch aus diesem Grund ist erfreulich, dass diese Assetklasse in Europa nun auch Privatanlegern offensteht, mithilfe des European Long-Term Investment Fund, kurz ELTIF.

Welche Rolle wird die Personalisierung von Portfolios und der Einsatz von Robo-Advisors in der Zukunft des Asset Managements spielen?

Personalisierung von Portfolios sowie die Ergänzung der klassischen Anlageberatung durch leistungsfähige Tools sind gang und gäbe. Allianz Global Investors arbeitet mit Blick auf beidem bereits seit langem eng mit Vertriebspartnern zusammen und erarbeitet gemeinsam Anwendungen für Kunden.