Der Fokus der Vermögensverwalter verschiebt sich. Wo früher die Betreuung von Kundinnen und Kunden im Mittelpunkt stand, dominieren nun regulatorische Anforderungen und administrative Pflichten. Die Zeit für den eigentlichen Kern der Arbeit, nämlich die Pflege von Kundenbeziehungen, schwinde zusehends, sagt Aquila-Gründer Max Cotting im Interview mit finews.ch.


Herr Cotting, die Konsolidierung unter den unabhängigen Vermögensverwaltern ist in vollem Gang. Gemäss jüngsten Erhebungen wird schon bald ein Drittel der Unternehmen verschwinden. Warum gerade jetzt?

Verglichen mit der Anzahl Vermögensverwalter vor zehn Jahren und der heute von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) bewilligten einzelnen Institute hat sich die Branche zahlenmässig ja schon halbiert. Das Damoklesschwert, das über allem lastet, heisst: Regulierung.

In den vergangenen Jahren haben die Aufsichtsbehörden ihre Anforderungen laufend verschärft. Compliance- und Risikomanagement-Aufgaben wie interne Kontrollen, Risikoanalysen, Berichterstattungen, Dienstleisterüberwachung sowie die Einhaltung komplexer regulatorischer Vorgaben verschlingen Unmengen von Zeit und Geld.

«Viele Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter haben diesen Beruf aus Leidenschaft gewählt»

Hinzu kommen administrative Aufgaben wie die Implementierung von Portfolio-Management-Systemen (PMS) und Investitionen in die IT-Sicherheit.

Was hat das für Folgen?

Der Fokus der Vermögensverwalter verschiebt sich. Wo früher die Betreuung von Kundinnen und Kunden im Mittelpunkt stand, dominieren nun regulatorische Anforderungen und administrative Pflichten. Die Zeit für den eigentlichen Kern der Arbeit, nämlich die Pflege von Kundenbeziehungen, schwindet zusehends. Für viele Firmen bedeutet dies eine schwere Bürde.

Wie gehen die Akteure damit um?

Die Rechnung ist klar: Je mehr Ressourcen in Verwaltung und Compliance fliessen, desto weniger Zeit bleibt für das eigentliche Geschäft. Wenn die Kundenzufriedenheit leidet, leidet auch der wirtschaftliche Erfolg und neben den rein wirtschaftlichen Aspekten kommt noch etwas anderes hinzu: der «Spassfaktor».

Was meinen Sie damit?

Viele Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter haben diesen Beruf aus Leidenschaft gewählt – wegen der Freude daran, massgeschneiderte Lösungen für ihre Kundinnen und Kunden zu entwickeln. Doch immer strengere Vorgaben und wachsende administrative Lasten lassen kaum noch Raum für Kreativität. Die Arbeit wird zur Pflichtübung, der Beruf verliert seinen Reiz.

«Die Lösung liegt auf der Hand»

Vor allem kleinere Unternehmen, die sich keine grosse Infrastruktur leisten können, stehen unter Druck. Grössere Anbieter haben es hingegen leichter, weil sie standardisierte Lösungen nutzen und durch ihre Grösse effizienter arbeiten können.

Aber genügt das?

Durch Fusionen, Übernahmen oder Kooperationen entstehen tatsächlich Synergien, die für kleine, unabhängige Akteure oft unerreichbar bleiben. Wer sich zusammenschliesst, kann Kosten teilen und Prozesse optimieren, was in der zunehmend komplexen Welt der Finanzdienstleistungen entscheidend ist.

Gleichwohl ist es eine Tatsache: Compliance, IT-Sicherheit und Datenschutz sind keine Themen, die das Herz eines Kundenberaters höherschlagen lassen. Was tun?

Die Lösung liegt auf der Hand: Gemeinschaft. Unabhängige Vermögensverwalter, die sich in Netzwerke oder grössere Strukturen einbinden, können die administrativen Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen. Das schafft Raum für das, was wirklich zählt: die Kunden.

Oder anders gesagt: Kooperationen, Fusionen oder der Beitritt zu grösseren Strukturen ermöglichen es, den Fokus wieder auf das Kerngeschäft zu legen. Kurzum: Die kommenden Jahre werden für die Vermögensverwaltungsbranche matchentscheidend sein.

Was bedeutet diese Entwicklung für die Kundinnen und Kunden?

Stabilere Strukturen und eine bessere Einhaltung der Compliance-Vorschriften. Doch wer die persönliche Betreuung eines unabhängigen Beraters schätzt, wird diese in Zukunft seltener finden – nicht zuletzt als Folge der Konsolidierung.


Max Cotting 5552

Vor bald 25 Jahren gründete der damalige Credit-Suisse-Bankangestellte Max Cotting (Bild oben) seine erste Vermögensverwaltungs-Gesellschaft. Das war der Grundstein für die heutige Aquila-Gruppe, die mittlerweile eine nicht mehr wegzudenkende Grösse auf dem Schweizer Finanzplatz ist. Cotting amtet heute als Verwaltungsratspräsident. Dem Unternehmen sind mittlerweile rund 90 Partnergesellschaften angeschlossen, die insgesamt ein Kundenvermögen von 22 Milliarden Franken verwalten.