Der Bundesrat hat den Mindestzinssatz in der Beruflichen Vorsorge angehoben. Der Zinsanstieg machte den Schritt dringlich – doch dem Entscheid ging ein Tauziehen voraus.
Per Januar 2024 steigt der Mindestzinssatz in der Beruflichen Vorsorge, der 2. Säule, um 0,25 Prozentpunkte auf dann 1,25 Prozent. Das hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom (heutigen) Mittwoch beschlossen. Der Satz legt fest, zu wieviel Prozent der obligatorische Teil der Vorsorgeguthaben der Versicherten mindestens verzinst werden muss.
Bei der Höhe des Mindestzinssatzes sind gemäss Gesetz (BVG) insbesondere die Entwicklung der Rendite der Bundesobligationen sowie zusätzlich der Aktien, Anleihen und Liegenschaften entscheidend, wie es in einer Mitteilung vom Mittwoch heisst.
Achterbahn an den Börsen
Und dort gibt es dank der Zinswende Bewegung. So ist etwa der Zinssatz der Schweizer Bundesobligationen deutlich angestiegen. Von minus 0,13 Prozent Ende 2021 stieg die Verzinsung der zehnjährigen «Eidgenossen» auf 1,09 Prozent per Ende September 2023, wie es weiter heisst. Vor allem im kurzfristigen Bereich war der Zinsanstieg deutlich. Der Leitzins der Schweizerischen Nationalbank SNB liegt aktuell bei 1,75 Prozent.
Allerdings ist die Lage an den Finanzmärkten, wo die Schweizer Pensionskassen die Vorsorgevermögen investieren, durchzogen. Die Performance von Aktien und Anleihen war im Jahr 2022 negativ und hat sich erst im laufenden Jahr wieder verbessert. Der Schwiezer Aktien-Leitindex SMI verlor letztes Jahr 16,5 Prozent und stieg seit Jahresbeginn bis Ende September um 4,6 Prozent.
Entwicklung von Anleihen deutlich negativ
Die Entwicklung der Anleihen wiederum war 2022 aufgrund steigender Zinsen deutlich negativ und wurde bisher nur teilweise relativiert. Immobilien wiesen eine durchgehend positive Entwicklung auf, wie der Bundesrat betont. Zudem müsse man berücksichtigen dass 2021 ein «ausgezeichnetes Jahr» war.
Alles in allem schätzt die Landesregierung die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen aber als stabil ein. Ende August 2023 lag der Deckungsgrad der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie bei knapp 110 Prozent und damit über dem langfristigen Durchschnitt.
Renditeerwartungen verbessert
Inflation und Kaufkraftverlust würden die Leistungsfähigkeit der 2. Säule beeinträchtigen. Die Renditeerwartungen und die Sanierungsfähigkeit der Vorsorgeeinrichtungen haben sich mit den höheren Zinsen jedoch verbessert.
«Trotz der ungünstigen Finanzmarktentwicklung im Jahr 2022 ist angesichts der stabilen Situation der Vorsorgeeinrichtungen und der höheren Verzinsung eine leichte Anhebung der Mindestverzinsung gerechtfertigt», schreibt der Bundesrat zu seiner Entscheidung.
Unterschiedliche Standpunkte der Sozialpartner
Mit der Anhebung um 25 Basispunkte liegt der Entscheid auf Linie mit der Empfehlung der Eidgenössischen Kommission für Berufliche Vorsorge.
Allerdings macht die Mindestzinserhöhung längst nicht alle glücklich. So verlangten die Gewerkschaften eine Anhebung auf 2 Prozent, die Fédération des Entreprises Romandes und der Kaufmännische Verband sprachen sich für 1,5 Prozent aus. Tiefer lagen die Vorschläge des Bauern- und des Gewerbeverbands mit unverändert 1 Prozent, während der Arbeitgeberverband für eine Senkung der Mindestverzinsung auf 0,75 Prozent votierte.
Warnung vor der Demographie
Während die Gewerkschaften dafür eintreten, dass die Arbeitnehmer stärker an der mit den Einlagegeldern erwirtschafteten Rendite partizipieren, sehen die Arbeitgebervertreter eine hohe Verzinsung als enggeschnürtes Korsett für die Pensionskassen. Der Druck auf die Vorsorgeeinrichtungen steige stetig, insbesondere aufgrund der demographischen Entwicklung und der bevorstehenden Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation.
Man könne die jetzige Entscheidung aufgrund der vorliegenden Situation nicht nachvollziehen, schreibt der Verband.
Demgegenüber beklagt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), dass der Mindestzins den tatsächlich erwirtschafteten Renditen seit Jahren weit hinterher hinkt. Insbesondere für Erwerbstätige über 50 Jahren sei das fatal. «Neben einer ungenügenden Lohnentwicklung droht ihnen nun bereits zum zweiten Mal in Folge eine Entwertung ihrer Altersguthaben», schreibt der SGB in einem Statement.
Kritik von den Versicherern
Deutliche Kritik kommt auch vom Schweizerischen Versicherungsverband SVV. Der BVG-Mindestzinssatz sei, vor allem in Verbindung mit dem «überhöhten» BVG-Mindestumwandlungssatz, seit Jahren zu hoch. Es wäre angemessener gewesen, den bisherigen Satz zu reduzieren oder zumindest beizubehalten. «Ein Aufschlag von über 0,7 Prozentpunkten ist sachlich nicht gerechtfertigt», sagt SVV-Direktor Urs Arbter.
Das mache die Reform der zweiten Säule, insbesondere die Absenkung des Umwandlungssatzes, noch dringlicher.