In einer Serie von finews.ch berichten ausgewählte Fondsmanager aus ihrer Heimatstadt im Sommer. Die Reise geht diesmal nach Cuenca.
Von Jesús Martinez, Senior Fixed Income Portfolio Manager bei Aegon Asset Management
Wie jedes Mal, wenn wir die Puente de San Pablo überqueren (Bild oben), erinnert uns mein Vater daran, dass unser Grossonkel an der Brücke gearbeitet und Holzstücke an der Metallkonstruktion befestigt hat. Die Brücke widersteht den östlichen Winden in einer unglaublichen Balanceübung, die es irgendwie schafft, den Lauf der Zeit zu überleben.
Natürlich wissen wir das. Wir haben die Geschichte schon tausendmal gehört, aber so gerne er sie erzählt, so gerne hören wir sie auch. Diesmal ist die Szene jedoch anders, denn meine Söhne hören ehrfürchtig zu, fassen sich fest an den Händen, schauen sich um und gehen vorsichtig. Ich vermute, dass sie genau wie ich Höhenangst haben, aber keiner will es zugeben. Es liegt ihnen im Blut.
Jesús Martinez von Aegon AM (Bild: Aegon)
Cuenca, dessen Name so alt ist, dass niemand genau weiss, woher er kommt, wehrt sich mit einer Leidenschaft gegen Veränderungen, die für Ausländer schwer zu verstehen ist. Die Dinge müssen auf eine bestimmte Art und Weise und in einem bestimmten Tempo erledigt werden, und jede Eile, die man haben mag, wird mit Gleichgültigkeit betrachtet.
Interessanterweise erhalten in diesen Tagen einige Familienunternehmen besondere Aufmerksamkeit von ausserhalb der Region. Offenbar verfolgen viele von ihnen das, was man heute als «nachhaltige Praktiken» bezeichnet, und ihre Produkte scheinen sehr gefragt zu sein.
Nicht viele Leute wissen es
Wir wandern weiter den Hügel hinauf und lassen den Fluss Huécar zu unserer Linken liegen, wo überall wilde lila Rosmarinpflanzen wachsen. An diesem Punkt bleiben wir stehen und starren auf die Casas Colgadas (wörtlich: die hängenden Häuser) und fragen uns, wie diese Menschen es geschafft haben, sie an einem solchen Ort zu bauen. «Nicht viele Leute wissen es», sagt mein Vater, «aber darin befindet sich das Museum für abstrakte Kunst.»
Dann erklärt er mir, dass der Maler Fernando Zobel in den 1970er-Jahren eine Gruppe abstrakter Künstler hier zusammengeführt hat. Sie verliebten sich schliesslich in das Licht und den Geist der Stadt. Wir biegen nach links ab und gehen die Calle San Pedro hinunter zur Plaza Mayor, wo wir ein paar erfrischende Getränke zu uns nehmen.
Ausblutung an der Basis
Während sich die Familienmitglieder auf Entdeckungstour begeben, kaufe ich gerne Keramik bei Adrián, einem traditionellen Töpfer, dessen Geschäft, seit ich mich erinnern kann, geöffnet ist. Ich unterhalte mich gerne mit den Verkäufern und frage sie, wie die Dinge laufen. Es sind oft jüngere Leute, und die meisten erzählen die gleiche Geschichte: Sie wollen ihr Studium beenden, etwas sparen und dann weggehen.
Wie viele andere Städte in Spanien leidet auch Cuenca an einer Ausblutung an der Basis der demografischen Pyramide. «Der Besitzer will sich zur Ruhe setzen», sagen sie, «und den Laden verkaufen, vielleicht in eine Bar umwandeln.» In ihren Augen bieten Madrid, Barcelona oder Bilbao bessere Karrierechancen, und die Kosten für einen Verbleib sind hoch.
Vielleicht ein Wandel
Ich möchte glauben, dass vielleicht ein Wandel bevorsteht, der die Menschen zum Bleiben oder sogar zum Wiederkommen bewegt. Eine Rückbesinnung auf das, was man früher gemacht hat, mehr im Gleichgewicht mit der Natur und nicht von dem Wunsch geleitet, einem unmöglichen, nie endenden Wachstum nachzujagen. Glücklicherweise ist dies keine leere Hoffnung.
Im Jahr 2021 wurde ein Urban Forest Innovation Lab ins Leben gerufen, um junge Talente anzuziehen und zu halten und gleichzeitig Nachhaltigkeitspraktiken und den Schutz der Artenvielfalt zu fördern. Die Stadt Cuenca ist mit 53'000 Hektar Waldfläche die grösste waldbesitzende Gemeinde in Europa – eine perfekte Kombination also.
Kleine Samen
Im Rahmen des Programms bewerben sich jedes Jahr verschiedene KMU mit Projekten, die vom Ökotourismus bis zur nachhaltigen industriellen Entwicklung reichen, um eine städtische Förderung. Kleine Samen, die Zeit, Sorgfalt und Geduld brauchen, aber Cuenca hat all das.
In der Zwischenzeit haben wir zu Hause in Holland, wo meine Familie seit sechs Jahren lebt und wächst, am Eingang etwas lila Rosmarin gepflanzt. Cuenca wird auf uns warten, so wie wir es verlassen haben, es liegt uns im Blut.