Der Goldpreis hat dieses Jahr eine Achterbahn hinter sich – auf den Run auf das Edelmetall folgte der Abverkauf. Doch hinter den Kulissen sind die Riesen unter den Käufern dem Gold treu geblieben. finews.ch ist ihren Aktivitäten auf den Grund gegangen.
Gold hat seine beachtlichen Kursgewinne, die es zu Jahresbeginn zeitweise verzeichnete, wieder preisgegeben. Dabei hatte das gelbe Edelmetall im ersten Quartal im Zuge der russischen Invasion in der Ukraine seine Funktion als sicherer Hafen noch erfüllt. Wegen zunehmender Zinssorgen verabschieden sich Anleger nun aber teils schon wieder vom Gold.
Die Unze des Edelmetalls notiert aktuell mit 1'809 Dollar unter dem Stand zu Jahresbeginn.
Dekade der Zukäufe
So viel zum breiten Publikum. Doch hinter den Kulissen wird weiterhin fleissig Gold gekauft – von den Notenbanken. Damit bleiben die Zentralbanker ihrer Praxis der vergangenen Jahre treu. Ausgerechnet Russlands Zentralbank war dabei in den letzten Jahren der grösste Goldkäufer weltweit, wie Auswertungen von finews.ch zeigen. Auch weitere osteuropäische Staaten wie Polen haben zuletzt ihre Reserven geäufnet.
Ganz allgemein sind Notenbanken seit 2010 am Goldmarkt stets als Nettokäufer aufgetreten. In der Rangliste der zehn Ländern mit den grössten Goldreserven haben sich die Positionen seit 2009 aber nur geringfügig verändert. Die USA führen nach wie vor Deutschland und Italien. Mit 1'040 Tonnen des gelben Edelmetalls rangiert die Schweiz auf Platz sieben.
Japan tanzt aus der Reihe
Unter den führenden Industriestaaten ist in jüngerer Zeit eigentlich nur Japan als grösserer Käufer aufgefallen. 2021 verzeichneten Nippons Goldreserven einen Zuwachs von fast 80,8 Tonnen. Insgesamt fügten Zentralbanken im vergangenen Jahr den globalen Goldreserven 463 Tonnen hinzu. In den ersten drei Monaten 2022 stockten sie ihre offiziellen Goldreserven um weitere 84 Tonnen auf.
Während traditionelle Wirtschaftsmächte wie die USA, Deutschland, Frankreich und Italien ihre bereits beträchtlichen Goldbestände einfach beibehalten, haben etliche Zentralbanken in den letzten Jahren Gold kräftig zugekauft, nicht zuletzt aufgrund des wachsenden Misstrauen gegenüber dem Dollar und der Geldpolitik der grossen Notenbanken. So birgt die Rangliste der grössten Goldkäufer seit Anfang 2017 einige Überraschungen.
Russland in Führung
Seit der Invasion in der Ukraine und den westlichen Sanktionen ist Russlands Goldschatz einer Dauerthema. Das Thema Gold im Verbund mit Russland ist aber schon länger ein Evergreen. Denn in den letzten fünf Jahren war die russische Notenbank der weltweit grösste Goldkäufer. Seit 2017 erwarb sie 686,4 Tonnen Gold. Per Ende März 2022 umfasste der Goldschatz somit 2301,6 Tonnen, wie aus den Daten des Branchenverbands World Gold Council hervorgeht. Russlands Goldreserven machen etwa ein Fünftel seiner Gesamtreserven aus; sie entsprechen rund 143 Milliarden Dollar.
Im laufenden Jahr hat sich Russland bislang zurückgehalten, es gab im ersten Jahresviertel weder Käufe noch Verkäufe aus den Goldreserven. Insgesamt besitzt Russland den fünftgrössten Goldschatz weltweit. Im Zuge des Ukraine-Kriegs und der steigenden Goldnachfrage der privaten Haushalte kauft die Zentralbank Gold von Kreditinstituten zu einem ausgehandelten Preis, wie sie vor wenigen Wochen bekannt gab.
Am Bosporus wird Gold sehr geschätzt
Die Türkei ist nicht nur einer der grössten Goldschmuck-Produzenten der Welt, das Edelmetall wird hier auch von vielen privaten Haushalten als Schutz gegen die Inflation geschätzt und deshalb angespart. Nicht zuletzt haben Goldgeschenke bei Hochzeiten und anderen Familienfeierlichkeiten eine lange Tradition. Die türkische Regierung hat in jüngster Zeit ab und zu versucht, die gehorteten Goldbestände der Privathaushalte durch Anreize ins Finanzsystem einzubringen.
Im ersten Quartal 2022 erhöhte die Türkei ihre Goldreserven um weitere 36,9 Tonnen und war damit nach Ägypten der bedeutendste Käufer. Schon in den Jahren von 2017 bis 2019 war die türkische Zentralbank der jeweils zweitgrösste Goldkäufer weltweit. Dank Zukäufen von insgesamt rund 315 Tonnen rangiert sie auch in der Fünfjahres-Wertung auf Platz zwei. Per Ende März betrugen die Goldreserven 431,1 Tonnen. Das sind rund 31 Prozent der Gesamtreserven.
Reichhaltige Goldkultur in Indien
In der hinduistischen Kultur ist Gold tief verwurzelt. Von Delhi bis Chennai und von Mumbai bis Kalkutta wird das gelbe Edelmetall vor allem zu Schmuck verarbeitet, der zu jeder indischen Hochzeit dazugehört. Das Land gehört zu den grössten Importeueren und Verbrauchern des Edelmetalls. Allein im vergangenen Jahr führte Indien 1067 Tonnen Gold ein.
Auch die Reserve Bank of India zählt zu den grossen Goldkäufern. Seit 2017 hat die indische Notenbank ihre Goldreserven um rund 202 auf 760,4 Tonnen aufgestockt, wobei 77,5 Tonnen allein im Jahr 2021 gekauft wurden. Der Anteil von Gold an den Gesamtreserven des Landes beträgt derzeit rund 7,8 Prozent. Einer der grössten Goldkäufe fand 2009 statt. Damals kaufte die indische Zentralbank im Rahmen des begrenzten Goldverkaufsprogramms des Internationalen Währungsfonds (IWF) 200 Tonnen Gold.
Für Polens Notenbankchef die wichtigste Reserve
Etwas überraschend liegt Polen auf Rang vier der grössten Goldkäufer seit 2017. Zuzuschreiben ist dies der strategischen Entscheidung der polnischen Zentralbank, der Narodowy Bank Polski (NBP), im Jahr 2018, ihre Goldreserven deutlich zu erhöhen. Ein Grund dafür war laut NBP, dass ihre Goldbestände niedriger waren, als es der Gesamtumfang ihres Reservenportfolios im Vergleich zu anderen Ländern nahelegt.
In den letzten fünf Jahren hat Polen 125,7 Tonnen Gold gekauft, davon 100 Tonnen im Jahr 2019. Durch die Zukäufe sind die Goldreserven auf inzwischen 228,6 Tonnen gestiegen. Wie Notenbankchef Adam Glapiński, letzten Herbst in einem Interview in Aussicht stellte, will Polen seinen Goldbestand weiter ausbauen, abhängig von den Marktbedingungen.
Gold sei die «beste Reserve unter den NBP-Reserven», sagte Glapiński damals und fügte hinzu: «Es diversifiziert das geopolitische Risiko und ist eine Art Vertrauensanker, insbesondere in Zeiten von Spannungen und Krisen.» Rund die Hälfte des polnischen Goldschatzes wurde in seiner Amtstzeit gekauft.
Kasachstan knapp vor China
Kasachstan hat unlängst die Ausfuhr von Hartwährung im Wert von mehr als 10’000 Dollar sowie von Gold- und Silberbarren verboten. Damit will das zentralasiatische Land seine Währung stabilisieren, die aufgrund der Auswirkungen der internationalen Sanktionen gegen seinen wichtigsten Handelspartner, Russland, angeschlagen ist. Im ersten Quartal 2022 stand Kasachstan auf der Verkäuferseite, und zwar als weltweit grösster Verkäufer von Gold: Die Goldreserven verringerten sich um 34 Tonnen auf 368 Tonnen.
Seit 2017 legte Kasachstan aber in drei Tranchen insgesamt rund 110 Tonen Gold an und damit etwas mehr als China, das über diesen Zeitraum fast 106 Tonnen hinzukaufte. Die Volksrepublik hält mit 1'948,31 Tonnen die sechsthöchsten Goldreserven der Welt. Sie entsprechen 3,3 Prozent der offiziellen Fremdwährungsreserven.