Die Bundesanwaltschaft hat im Coronajahr unter ganz besonderen Bedingungen funktionieren müssen – in der zweiten Jahreshälfte sogar ohne Bundesanwalt. Trotzdem verzeichnet die Behörde einen Rekord, der auch das Banking betrifft.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) registrierte 2020 insgesamt 428 hängige Strafuntersuchungen. Das ist leicht mehr als ein Jahr zuvor, als es 395 gewesen waren, wie dem am Dienstag veröffentlichten Tätigkeitsbericht 2020 zu entnehmen ist. Auffallend ist jedoch, dass die Behörde noch nie so viele Anklagen an das Bundesstrafgericht in Bellinzon TI weitergeleitet hat.
Die total 29 Anklagen sind wesentlich mehr als 2019. Damals war es lediglich 17 gewesen und 2018 gar nur deren zehn.
Das Gros der hängigen Verfahren betrifft den Staatsschutz (196), die Geldwäscherei (119) sowie die allgemeine Wirtschaftskriminalität (83), wie dem Zahlenkranz weiter zu entnehmen war. Ebenfalls hängig waren 249 (im Vorjahr: 317) Rechtshilfeverfahren. Total 269 (im Vorjahr: 248) Rechtshilfeersuchen wurden abgeschlossen und 213 (244) neue gingen ein.
Umorganisieren vieler Prozesse
Die Stelle des Bundesanwalts ist weiterhin verwaist, nachdem Michael Lauber im vergangenen August seinen Austritt bekannt gegeben hatte. Derzeit führen die beiden Stellvertreter, Ruedi Montanari sowie Jacques Rayroud, die Behörde.
Die öffentliche Kontroverse um Bundesanwalt Lauber sei auch für die Mitarbeitenden der BA belastend gewesend, räumt Montanari in einem Interview ein, das ebenfalls dem Tätigkeitsbericht zu entnehmen ist.
«Sein Rücktritt erforderte ein Umorganisieren vieler eingespielter Prozesse, denn Michael Lauber hatte die BA während vieler Jahre geprägt. Doch sowohl Kollege Rayroud wie auch ich sind bereits seit längerem als Stellvertretende Bundesanwälte tätig. In dieser Funktion war uns stets bewusst, dass der so genannte Vertretungsfall eintreten kann», so Montanari.
Zahlreiche Herausforderungen
Rayroud betonte seinerseits: «In einer Übergangsphase ist eine völlige Neuorganisation nicht angebracht. Unser Ziel war es, im Umfeld der zahlreichen Herausforderungen für Kontinuität zu sorgen, für Ruhe und Stabilität. Beim Bundesstrafgericht konnten im Berichtsjahr (trotzdem) so viele Anklagen eingereicht werden wie noch nie zuvor. Die BA hat ihren gesetzlichen Auftrag also auch unter den ausserordentlichen Bedingungen des Jahres 2020 erfüll», so Rayroud.