Der in der Schweiz wohnhafte Hendrik Leber führt mit Acatis eine erfolgreiche Fondsboutique. Nach Experimenten mit Künstlicher Intelligenz hat sich Leber dem «dunklen» Mittelalter zugewandt.
Hendrik Leber (Bild unten) war der erste Fondsmanager, der im Jahr 2017 einen Fonds lancierte, dessen Aktien von einem lernfähigen Computer ausgewählt werden. Es war der öffentliche Beginn des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Finanzindustrie – und das Epizentrum war Walzenhausen ob dem Bodensee, wo Leber wohnt und die Schweizer Gesellschaft von Acatis, seiner Fondsboutique, ihren Sitz hat.
Die KI-Fonds schlagen sich ordentlich – doch das beste Pferd im Stall von Acatis ist derzeit ein Fonds, der nach einer herausragenden Persönlichkeit im «dunklen» Mittelalter benannt ist, der Acatis Datini Value Flex Fonds.
Grundlagen für das moderne Wirtschaftssystem gelegt
Namensgeber ist Francesco Datini, einer der Superreichen aus der Blütezeit Italiens, als die reichen Kaufleute aus Florenz, Siena und Venedig nicht nur den Welthandel dominierten, sondern mit ihren eigenen Banken auch finanzierten. «Dunkel» waren in dieser ausgehenden Phase des Mittelalters nur die Schatten, welche Krieg und Pestzüge über Europa warfen. Was das Bank- und Finanzwesen betrifft, die Buchhaltung, den Handel und dessen Organisation, wurden im 14. und 15. Jahrhundert Grundlagen gelegt, die heute noch Gültigkeit haben.
Datini kam nicht aus Florenz, sondern vom etwa eine halbe Stunde entfernten Prato. Sein Wirken und seine Leistungen beschäftigen heute noch Historiker in ganz Europa – denn Datini hinterliess ein riesiges Archiv an Dokumenten und Büchern, die ein Bild seines Handels- und Finanzimperiums wiedergeben.
Ein mittelalterlicher Bill Gates
Für den preisgekrönten Fondsmanager Leber ist Datini der Bill Gates des Mittelalters. «Er dachte global, ging Risiken ein und hatte einen Weitblick wie Gates», sagte Leber gegenüber dem «Handelsblatt» (Artikel bezahlpflichtig).
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» berief sich auf die Aussagen mehrerer Historiker, als sie Datini beschrieb als einen, der alles tat, was Profit versprach, ein hervorragender Netzwerker war und bei seinen Unternehmungen immer auf die neusten Methoden seiner Zeit setzte. Bei seiner Tätigkeit als Banker und Financier setzte Datini unter anderem auf Obligationen, Leerverkäufe und Absicherungsinstrumente.
Die Nähe der Päpste
Datini kam 1335 zur Welt. Nach einem ein Jahr dauernden Versuch als Schuhmacher in Florenz ging er 1350 nach Avignon, dem zwischenzeitlichen Papstsitz in Südfrankreich. Vom dortigen Reichtum profitierend, machte Datini die nächsten 32 Jahre ein Vermögen mit dem Handel von Waffen, Stoffen und Reliquien. Als das Papsttum nach Rom zurückkehrte, folgte auch Datini.
Seine Heimatstadt Prato wählte er als Hauptsitz einer eigentlichen Holding-Gesellschaft, die bis zu 200 Firmen zählte und die in ganz Europa Aktivitäten hatte. Als kluger Kaufmann diversifizierte Datini seine Aktivitäten – und eröffnete unter anderem auch eine Bank. Zeit seines Lebens blieb Datini seinen Grundsätzen treu: Er hielt sich von politischen Scharmützeln fern, doch wenn der Krieg seine Katastrophen brachte, zog er daraus riesige Gewinne.
Stiftung für die Armen
Bei seinem Tod im Jahr 1410 hinterliess Datini ein – nach heutigen Schätzungen – Milliardenvermögen. Nachdem er seine Familie in einem Testament wohl bedacht hatte, stiftete er den grössten Teil des Geldes den Armen – die Fondazione Casa dei Pia del Ceppo dei poveri hat bis heute überdauert.
Könnte Datini mit seiner Armenstiftung ebenfalls ein Vorbild für Bill Gates gewesen sein, so ist der «Kaufmann von Prato» (so lautet der Titel eines 1957 erschienen Buches über ihn) ein ziemlich genaues Abbild von Unternehmern und Bankiers des 21. Jahrhunderts, die mit diszipliniertem Risiko, immer nach Opportunitäten suchend, ihre Deals und Geschäfte machen und dabei ihr gesellschaftliches Gewissen nicht vergessen.
Das Datini-Prinzip verinnerlicht
Darum benannte Leber seinen Fonds nach Datini: Weil dieser flexibel agierte, auf unterschiedliche Finanzinstrumente setzte, in die neusten Methoden und Themen seiner Zeit investierte und Ideen mit kalkulierter Risikobereitschaft kombinierte.
Leber, der den Fonds selber managt, scheint das Datini-Prinzip gut verinnerlicht haben. Der Fonds liegt im laufenden Jahr mit fast 9 Prozent im Plus.