Im Jahr 2015 vereinbarte die internationale Staatengemeinschaft die 17 globalen Uno-Nachhaltigkeitsziele, um Armut, Ungleichheit, Klimakrise und Umweltzerstörung zu bewältigen sowie Gerechtigkeit und Frieden bis 2030 zu fördern. Was hat sich seitdem getan?
Von Katharina Sommerrock, Director Investor Relations and Business Development LGT Lightstone
Seit der Verabschiedung der Uno-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) vor vier Jahren gibt es auf den ersten Blick einige positive Fortschritte zu verzeichnen: Extreme Armut und Kindersterblichkeit nehmen ab, der Zugang zu Energie und menschenwürdiger Arbeit wächst.
Doch Anfang November zog Uno-Generalsekretär António Guterres in der «Financial Times» eine eher ernüchternde Zwischenbilanz: «Insgesamt sind wir ernsthaft vom Kurs abgekommen», sagte er. So nehme der Hunger zu, der Hälfte der Weltbevölkerung fehle es an Grundbildung und grundlegender Gesundheitsversorgung, Frauen seien in allen Teilen der Welt weiterhin mit Diskriminierung und struktureller Benachteiligung konfrontiert.
Kritische Bereiche
Guterres‘ Zwischenbilanz beruht auf den Erkenntnissen des «Sustainable Development Goals Report 2019», der die Frage beantworten soll, ob unser heutiges Handeln die richtige Grundlage für die Erreichung der SDGs schafft. Der Bericht zeigt, dass in einigen kritischen Bereichen Fortschritte erzielt werden und dass einige positive Trends erkennbar sind.
Neben den eingangs zitierten Erfolgen ist erwähnenswert, dass Staaten konkrete Massnahmen zum Schutz unseres Planeten ergreifen: Seit 2010 haben sich die Meeresschutzgebiete verdoppelt; die Staaten arbeiten gemeinsam an der Bekämpfung der illegalen Fischerei; und 186 Parteien haben das Pariser Übereinkommen über den Klimawandel ratifiziert. Etwa 150 Länder haben nationale Strategien entwickelt, um auf die Herausforderungen der schnellen Urbanisierung zu reagieren, und 71 Länder und die EU verfügen inzwischen über mehr als 300 Strategien und Instrumente zur Unterstützung eines nachhaltigen Konsums und einer nachhaltigen Produktion.
Vom Kurs abgekommen
Der Bericht zeigt aber vor allem auf, dass noch viel zu tun ist und sich viele Indikatoren in den letzten Jahren zu langsam verbessert oder sogar verschlechtert haben. Dringender Handlungsbedarf besteht etwa in folgenden Bereichen:
- Die zunehmende Ungleichheit zwischen und innerhalb der Staaten erfordert dringend Aufmerksamkeit. Drei Viertel der unterentwickelten Kinder leben in Südasien und in Afrika südlich der Sahara; die extreme Armut ist in ländlichen Gebieten dreimal so hoch wie in städtischen Gebieten; junge Menschen sind eher arbeitslos wie Erwachsene; nur ein Viertel der Menschen mit schweren Behinderungen bezieht eine Invalidenrente; und Frauen und Mädchen sind immer noch mit Hindernissen für die Erreichung der Gleichstellung konfrontiert.
- Das Jahr 2018 war das viertwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Der Anstieg der Kohlendioxidkonzentration setzte sich 2018 fort. Der Säuregehalt des Ozeans ist 26 Prozent höher als in vorindustriellen Zeiten und wird voraussichtlich bis 2100 um 100 Prozent bis 150 Prozent steigen, bei der derzeitigen Rate der CO2-Emissionen.
- Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, sank von 36 Prozent im Jahr 1990 auf 8,6 Prozent im Jahr 2018, aber das Tempo der Armutsbekämpfung beginnt sich zu verlangsamen, aufgrund festgefahrener Benachteiligungen, gewalttätiger Konflikte und Anfälligkeiten für Naturkatastrophen.
- Der globale Hunger ist nach einem anhaltenden Rückgang wieder gestiegen.
Fehlende Finanzierung
Offensichtlich reichen die bisherigen Ansätze, Massnahmen und Mittel nicht aus, um die Erreichung der SDGs messbar voranzubringen und bis 2030 Realität werden zu lassen. Guterres sieht gemäss seines eingangs erwähnten «FT»-Beitrags in der fehlenden Finanzierung einen Grund für den schleppenden Fortschritt.
Öffentliche Mittel von Regierungen reichen nicht aus, es braucht private Investitionen, um die Lücke zu schliessen, und entsprechend förderliche regulatorische und politische Rahmenbedingungen. Dies unterstreicht auch der «Financing for Sustainable Development Report (FSDR) 2019» der Inter-Agency Task Force on Financing for Development. Um diesen Mangel zu beheben, hat der Generalsekretär im Oktober 2019 die Global Investors for Sustainable Development (GISD) Alliance als Teil seiner Strategie zur Finanzierung der Agenda für nachhaltige Entwicklung von 2030 einberufen.
Hoffung ruht auf der Privatwirtschaft
Die GISD Alliance besteht aus 30 CEOs, anerkannten Führungskräften grosser Finanzinstitute und Unternehmen aus allen Regionen der Welt, und zielt darauf ab, die Erkenntnisse der Führungskräfte des Privatsektors zu nutzen, um Hindernisse zu beseitigen und Lösungen für die Mobilisierung von Ressourcen für eine nachhaltige Entwicklung zu finden.
Denn Opportunitäten für Investoren bieten die SDGs allemal: der Bericht «Better business, better world» listet 60 Wachstumsfelder im Zusammenhang mit der Erreichung der globalen Ziele in vier Wirtschaftssystemen auf: Nahrung und Landwirtschaft, Städte, Energie und Materialien sowie Gesundheit und Wohlbefinden.
Die Zwischenbilanz verdeutlicht, dass zur Erreichung der SDGs die Hoffnung vor allem auf der Privatwirtschaft liegt. Wir müssen Unternehmen und Investoren zusammenbringen und die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Nur so können wir für uns und die Generationen nach uns eine nachhaltige Zukunft gestalten, in der «people, planet und profit» im Gleichgewicht sind.
Katharina Sommerrock vertritt seit 2013 bei der LGT Themen von nachhaltigem Anlegen im Allgemeinen bis zu Impact Investing und Venture Philanthropy im Speziellen. Derzeit ist sie bei LGT Lightstone, der globalen Plattform der LGT für direkte Private Equity Impact-Investitionen, für Investor Relations & Business Development zuständig. Zuvor studierte sie Betriebswirtschaft und arbeitete acht Jahre lang für die internationale Strategieberatung Bain & Company, wo sie hauptsächlich Finanz- und Private–Equity-Unternehmen beriet. Während dieser Zeit absolvierte sie auch eine Dissertation zu Social Entrepreneurship – ein Thema, das seither fester Bestandteil ihres Berufslebens ist.