Die Zukunft des Schweizer Asset Managements hängt vom  EU-Marktzugang ab, sagt Felix Haldner im Interview mit finews.ch. Der Fondsverbands-Präsident und Partners-Group-Manager warnt vor Lippenbekenntnissen zur Nachhaltigkeit.


Herr Haldner, enorme Summen sind weltweit in Branchen, Industrien und Unternehmen investiert. Nehmen Asset Manager ihre unternehmerische Verantwortung genügend wahr?

Asset Manager haben eine hohe Verantwortung, unter anderem weil sie die Ersparnisse der Anleger in die Realwirtschaft leiten. Zu ihrer Analyse zählen Gespräche mit dem Management und Verwaltungsrat. Auch die Ausübung von Stimmrechten gehört zu ihrem Verantwortungsbereich. Wünschenswert wäre, dass sich die Portfoliomanager stärker einbringen und ihre Stimmen nach Massgabe ihrer Zufriedenheit mit der unternehmerischen Leistung einer Führungsmannschaft abgeben, statt sich auf Checklisten von Stimmrechtsberatern abzustützen oder – noch schlimmer – die Stimmrechtsausübung an eine Compliance-Abteilung zu delegieren.

Wie meinen Sie das?

Ich beobachte oft, dass sich Asset Manager auf regulatorische und Governance-Aspekte im Verwaltungsrat fokussieren und die Unternehmen nach den gängigen Verhaltensempfehlungen bewerten. Wichtig wäre jedoch, dass sie sich aufs Unternehmerische konzentrieren.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel: Ist im Verwaltungsrat die richtige Mischung von Know-how, Branchenkenntnis und Compliance vorhanden, welche das Unternehmen effektiv weiterbringt? Hat der Verwaltungsrat wirklich die Fähigkeit, die Strategie zu definieren oder auch anzupassen, wenn es nötig ist?

«Es gibt wirksamere Methoden, als Briefe zu schreiben»

Und kann er auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung auftreten und diese fördern und fordern? Das ist bei börsenkotierten Gesellschaften längst nicht immer der Fall und müsste durch einen Portfolio-Manager entsprechend beurteilt werden.

Blackrock-Chef Larry Fink schreibt jährlich seine inzwischen berühmten Briefe an die Chefs der Unternehmen, in denen er sie den Einfluss spüren lässt, den Blackrock als grösster Vermögensverwalter der Welt hat. Ist das der richtige Weg?

Diese Briefe sind sicherlich ein Zeichen dafür, dass Blackrock sich seiner Verantwortung bewusst ist. Wenn Larry Fink wie zuletzt die Unternehmensführer zu mehr Nachhaltigkeit aufruft, dann ist das richtig. Weitere, auch kleinere Asset Manager sollten diesem Beispiel folgen. Es gibt zudem wirksamere Methoden, als Briefe zu schreiben.

Würde sich ein aktiverer Ansatz von Portfoliomanagern in besserer Performance auswirken?

Das kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Partners Group ist quasi ein extremes Beispiel eines aktiven Investors, weil wir Mehrheitsbeteiligungen eingehen. Unsere Investments in Privatmarktanlagen zeigen eine nachhaltige Outperformance zu den Aktienmärkten.

«Sie müssen ausländische Märkte bedienen, um internationale Bedeutung zu gewinnen»

Das führen wir unter anderem darauf zurück, dass wir die Unternehmen sorgfältig auswählen, diese dann aber auch in ihrer weiteren Entwicklung über Jahre hinweg eng begleiten und gemeinsam mit dem Managementteam unternehmerisch Werte schaffen. Das sind die wesentlichen Zutaten, wie Outperformance zustande kommt.

Die Schweiz will sich stärker als Standort für Asset Management positionieren. Die Zukunft der Branche ist zwar bezüglich ihres Wachstums rosig, doch bezüglich immer tiefer sinkenden Margen auch unsicher. Wie kann sich die Schweiz in diesem harten Umfeld positionieren?

Leider wachsen die verwalteten Vermögen schneller im Ausland als in der Schweiz, was an der Altersstruktur und der demografischen Entwicklung liegt. Um an internationaler Bedeutung zu gewinnen, gibt es für Schweizer Asset Manager nur eines: Sie müssen die ausländischen Märkte bedienen, also ihre Dienstleistungen exportieren.

Die Schweiz braucht den freien Marktzugang...

...genau. Für grössere Asset Manager ist der heute fehlende Marktzugang vielfach kein unlösbares Problem, da sie über internationale Niederlassungen verfügen. Kleinere Asset Manager sind aber extrem eingeschränkt.

«Es gibt eine ganz hohe Übereinstimmung mit Finma und Bundesrat»

Volkswirtschaftlich würde für die Schweiz der freie Marktzugang insbesondere zur Bedienung institutioneller Anleger im Ausland sehr viel Sinn machen, da viele Arbeitsplätze im Inland bleiben würden.

Ist das so?

Schauen Sie, wir als Partners Group können ohne weiteres zu einer Pensionskasse in Schweden reisen, um sie als Kundin zu gewinnen. Denn wir haben Niederlassungen in der EU. Wenn die Schweiz in der EU den vollen freien Marktzugang hätte, könnten wir solche Kunden aus der Schweiz heraus bedienen.

Mit der Asset Management Initiative und dem Nachfolge-Projekt Asset Management Plattform sind es vor allem private Initiativen, welche den freien Marktzugang fordern und verfolgen. Sie sind auch Präsident des Fondsverbands Sfama. Fühlen Sie sich von Bern zu wenig unterstützt?

Nein, überhaupt nicht. Es gibt mit dem Eidgenössischen Finanzdepartment, mit dem Bundesrat wie auch mit der Finma eine ganz hohe Übereinstimmung dazu, dass der freie Marktzutritt essenziell für den Asset-Management-Standort Schweiz ist.

«Viele Anbieter betreiben primär Produkteherstellung, als Asset Management»

Das Problem ist, dass insbesondere im Verhältnis zur EU der politische Prozess aus verschiedenen Gründen – Stichwort Brexit und institutionelles Rahmenabkommen – sehr zäh verläuft.

Asset Management ist insgesamt ein sehr weit gefasster Begriff und eine sehr fragmentierte Branche. Auf einen Nenner gebracht: Wie und wo soll sich die Schweiz im internationalen Wettbewerb behaupten?

Bei den passiven Anlagen ist der Kuchen auf einige wenige grosse US-Anbieter verteilt und der Zug abgefahren. Auch das übrige Massengeschäft ist in den Händen grosser Institute, die in der Regel einen bedeutenden Heimmarkt haben. Aus meiner Sicht betreiben viele dieser Anbieter auch primär Produkteherstellung, als Asset Management. Das sollte für die Schweiz nicht erstrebenswert sein.

Was sollte das Ziel sein?

Neben ihren sicherlich sehr nützlichen, allgemeinen Vorteilen wie die gute Infrastruktur oder das hohe Bildungsniveau hat die Schweiz auch einen Ruf als Standort für Tüftler und Innovatoren. Das trifft auch für viele Schweizer Asset Manager zu. Ich denke, das ist der richtige Weg.

«Wichtig ist, dass die Wertschöpfung höher ist»

Wir sollten uns nebst einem breiten Grundangebot eher auf Nischen und Spezialitäten mit innovativen Angeboten fokussieren. Dazu gehören sicher auch die nicht-traditionellen Anlagen, wie Privatmarkt oder auch Insurance Linked Securities und vieles mehr.

Bleibt da das Wachstumspotenzial nicht beschränkt?

Wichtig ist, dass in diesen Nischen die Wertschöpfung und damit oft auch die Margen bedeutend höher sind. Es sollte darum das Ziel sein, Rahmenbedingungen zu schaffen und zu pflegen, die den Standort Schweiz auch für internationale Fachkräfte interessant machen, die in diesem Bereich kreativ tätig werden möchten.

Internationale Asset Manager nutzen Fachkräfte hierzulande in erster Linie im Vertrieb.

Daran ist sicherlich nichts falsch. Die Kunden in der Schweiz haben dadurch eine grössere Auswahl an Angeboten und lokale Asset Manager müssen sich im Wettbewerb mit den besten behaupten. Ich würde mir allerdings wünschen, dass internationale Asset Manager in der Schweiz nicht nur Vertriebs- sondern auch Produktionsstrukturen aufbauen würden.

Welche Prioritäten hat die Asset Management Plattform zur Stärkung des Standortes Schweiz sonst noch?

Eine grosse Herausforderung ist, die Disziplin Asset Management als wichtigen Beitrag zum volkswirtschaftlichen Wohlergehen sichtbarer zu machen und zu fördern. Ein Stichwort hierfür lautet: Altersvorsorge.

Das Asset Management als Retter der Sozialwerke?

Das ist nun etwas vereinfacht gesagt. Es geht uns in erster Linie um eine Verbesserung der Wahrnehmung, dass die Sicherung der Vorsorgewerke sich auch durch eine bessere Rendite auf den Vermögen lösen liesse, anstatt bloss über die Erhöhung der Beiträge durch Arbeitgeber und -nehmer oder die Kürzung von Renten.

«Die gesetzlichen Anreize sind falsch gesetzt»

Ich glaube, diese Erkenntnis ist in der Schweiz noch nicht sehr weit verbreitet.

Arbeiten denn die Pensionskassen nicht nach bestem Wissen und Gewissen, um die höchste mögliche Performance zu erzielen?

Davon gehe ich aus. Allerdings sind die gesetzlichen Anreize teilweise falsch gesetzt. Pensionskassen werden heute für eine höhere Rentierlichkeit und damit oft risikoreichere Anlagestrategie quasi bestraft, wenn sie in einem Jahr eine schlechtere Performance erzielen und in Unterdeckung fallen. Das ist eine unnötige statische Betrachtung, wenn man bedenkt, dass Pensionskassen einen sehr langen Anlagehorizont haben. 

Ein Hoffnungsträger im Asset Management ist der Trend zu nachhaltigem Investieren. Die Schweiz müsste doch prädestiniert sein, Vorreiterin dieses Trends zu sein.

Da würde ihnen kaum jemand widersprechen. Doch glaube ich, dass Asset Manager in London, New York, Hongkong oder Singapur denselben Anspruch haben. Tatsache ist: Auch in Sachen Nachhaltigkeit muss sich die Schweiz einen Wettbewerbsvorteil erkämpfen.

«Sonst sind Enttäuschungen vorprogrammiert»

Doch auch hier sehe ich Standortvorteile: Denn die Schweiz ist keine Monokultur in Sachen Ausbildung, sondern ein Wissenschaftsstandort mit verschiedenen Fachrichtungen, die beispielsweise für eine Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmen relevant sein können.

Wie ernst ist es dem Asset Management mit der Nachhaltigkeit tatsächlich?

Ich sehe die Gefahr von Lippenbekenntnissen. Die Asset Management Plattform wird sich darum auch darum bemühen, Begriffe zu erklären, Transparenz zu schaffen und allenfalls Standards zu definieren. Sonst sind Enttäuschungen bei Kunden und aus gesellschaftlicher Sicht vorprogrammiert.

Das klingt besorgt.

Tatsächlich beobachte ich, dass gerade im Vertrieb von Produkten schnell Begriffe aus reinen Marketingzwecken verwendet werden. Doch müssen Kunden sicher sein können, dass sie auch ein Nachhaltigkeitsprodukt erhalten, das den versprochenen Mehrwert bringt und transparent in Bezug auf dessen Eigenschaften und Performance ist.


Felix Haldner ist Partner beim auf Privatmarktanlagen spezialisierte Vermögensverwalter Partners Group. Zudem ist er Präsident der Swiss Funds and Asset Management Association (Sfama) und Vize-Präsident der Asset Management Plattform Schweiz.