Sie gelten gemeinhin als sichere Banken: die Staatsinstitute. Reto Schiltknecht, Rechtsanwalt und ehemaliges Finma-Mitglied, zeigt in einem Aufsatz auf, dass Kantonalbanken die Kantone im Krisenfall in Bedrängnis bringen können und wie sich diese dagegen wappnen können.
Kantonalbanken sind zentrale Akteure im Schweizer Finanzwesen und dominieren das Retailbanking mit hohen Marktanteilen, insbesondere im Hypothekargeschäft. Als staatlich unterstützte Institute tragen sie erheblich zur regionalen Wirtschaft bei, bergen jedoch Risiken für die Kantone als Eigentümer, wie Reto Schiltknecht in einem jüngst erschienenen Aufsatz der Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht aufzeigt.
Das ehemalige Finma-Mitglied Reto Schiltknecht (Bild: zVg)
Der Rechtanwalt arbeitete von 2010 bis 2021 für die Finanzmarktaufsicht Finma, wo er unter anderem mitverantwortlich war, die heutige «Too big to fail»-Gesetzgebung zu entwickeln und umzusetzen.
Im Krisenfall LUKB eine zu hohe Belastung
Schiltknecht stellt die Risiken der Eigner anhand der Beispiele der Luzerner und Berner Kantonalbank dar.
Die Luzerner Kantonalbank (LUKB) stellt ein Klumpenrisiko für den Kanton Luzern dar. Ihre Bilanzsumme liegt mit 190 Prozent des kantonalen Bruttoinlandprodukts (BIP) weit über der Wirtschaftsleistung des Kantons. Im Krisenfall würde ein Verlust von beispielsweise 20 Prozent der Bankaktiven rund 11,5 Milliarden Franken ausmachen – fast das Dreifache des jährlichen Staatsaufwands von Luzern.
Solche Belastungen könnten wahrscheinlich nur durch eine erhebliche Neuverschuldung bewältigt werden, die Luzerns Verschuldung um ein Vielfaches erhöhen würde, kommt Schiltknecht zum Schluss. Dies wäre ohne Steuererhöhungen kaum zu bewerkstelligen und würde die finanzielle Handlungsfähigkeit des Kantons stark einschränken.
Viel entspanntere Situation in Bern
Im Gegensatz dazu ist die Berner Kantonalbank deutlich weniger riskant für ihren Eigentümer. Ihre Bilanzsumme entspricht lediglich 47 Prozent des BIP des Kantons Bern, was eine deutlich geringere Risikoexposition bedeutet. Ein Verlust von 20 Prozent ihrer Aktiven würde rund 8 Milliarden Franken betragen, was auf Basis 2023 65 Prozent des jährlichen Staatsaufwands entspricht. Zwar müsste wohl auch Bern im Krisenfall auf den Kapitalmarkt zurückgreifen, jedoch wäre die Belastung für den Kanton weit weniger gravierend.
Der Sitz der Berner Kantonalbank auf dem Bundesplatz in Bern. (Bild: zVg)
Diese Unterschiede verdeutlichen laut Schiltknecht, wie wichtig es ist, die Risiken einzelner Kantonalbanken im Verhältnis zur wirtschaftlichen Stärke ihres Eigentümerkantons zu analysieren.
Freiwillige Krisenvorsorge angezeigt
Für den Kanton Luzern besteht seiner Ansicht nach Handlungsbedarf in enger Abstimmung mit der Bank, die Kapitalbasis weiter zu stärken, die Ausgabe von Bail-in Bonds in Erwägung zu ziehen und Krisenpläne zu konzipieren und umzusetzen.
Dabei versteht Schiltknecht darunter nicht die Erstellung eines Notfallplans, wie dies gemäss Art. 60 ff. Bankenverordnung für systemrelevante Banken vorgeschrieben ist, sondern eine freiwillige Krisenvorsorge. Ein solcher Art erstellter Notfallplan einer nicht systemrelevanten Bank geht auf die individuellen Notwendigkeiten/Bedürfnisse der entsprechenden Bank ein. «Wichtig ist», so Schiltknecht, «dass es sich um einen Plan handelt, bei welchem die Bank selbst mit Hilfe des Eigners noch zu einer Stabilisierung in einer Krisensituation in der Lage ist.» Es handelt sich also nicht um einen Sanierungsplan im Sinne von Art. 25 ff. Bankengesetz, bei welchem die Finma das Zepter übernimmt.
Im Fall der LUKB könnte das etwa heissen:
- Vorbereitung des Einsatzes der Staatsgarantie mit Detailabläufen unter Angabe der zur Verfügung stehenden Zeit usw.
- Welche Kapitalquote (CET1, Tier1 und Gesamtkapital) ist die Richtige?
- Kapitalbeschaffungsmassnahmen der Bank unter erschwerten Bedingungen, z.B. Vorbereitung Kapitaleinschuss des Kantons, wenn die Kapitalaufnahme am Markt nicht mehr oder nicht mehr zeitgerecht möglich ist.
- Krisenorganisation und -kommunikation im Zusammenspiel zwischen Kanton und Bank und weiteren Anspruchsgruppen (muss periodisch geübt werden).
Selbstbeurteilung vornehmen
Für Bern bleibt seiner Ansicht nach die Aufgabe, diese stabilere Ausgangslage zu nutzen, um ebenfalls frühzeitig Risiken zu adressieren und die Rettungskapazität zu sichern.
Schiltknecht hat seine Erläuterungen anhand der Luzerner und Berner Kantonalbank aufgeführt. Grundsätzlich gelten seine Vorschläge für jegliche Kantonalbanken: «Sie sollten eine Selbstbeurteilung vornehmen und beurteilen, wie hoch die Risikoexposition für den Kanton ist, wie es um die Rettungskapazität des Kantons bestellt ist und was man investieren will, um die Bank im Krisenfall zu retten und weiterzuführen», sagt er.
Nutzen der Kantonalbanken ist unbestritten
Und trotz der Risiken bleibt der langfristige Nutzen der Kantonalbanken auch für das ehemalige Finma-Mitglied unbestritten: Sie stärken die lokale Wirtschaft und gewährleisten wichtige Bankdienstleistungen. Damit sie jedoch auch in Krisenzeiten ein Erfolgsmodell bleiben, müssen die Kantone zusammen mit «ihren» Banken die spezifischen Herausforderungen realistisch bewerten und gezielte Maßnahmen ergreifen.