Mit der spärlichen Zuteilung von Chefposten an Kader der Credit Suisse bricht eine Zeit der schonungslosen Selbsterkenntnis an. Den CS-Angestellten droht, in der neuen Bank nur die zweite Geige spielen zu dürfen – oder sie verlassen das Orchester.
Die UBS packt den verwundeten Stier direkt bei den Hörnern: Gleichzeitig mit dem formellen Abschluss der Akquisition sind am Montag wichtige Posten im Management der Credit Suisse (CS) neu bestellt worden.
Dabei wurde deutlich, dass nur etwa ein Fünftel der 160 Führungspositionen in der fusionierten Bank durch Leute von der CS besetzt werden.
Gang nach Canossa
Das ist ein deutlicher Fingerzeig an die Adresse einer Belegschaft, der jetzt der sprichwörtliche Gang nach Canossa bevorsteht.
UBS-Präsident Colm Kelleher verwendete unlängst unzimperlich einen anderen Begriff: «kulturelle Kontamination». Um einen solchen Befall zu verhindern, will er die Messlatte bei der Übernahme von Angestellten der Credit Suisse sehr hoch ansetzen, berichtete auch finews.ch.
Mit den jüngsten Personalentscheiden dürfte es dem Personal der einst stolzen CS nun endgültig dämmern, dass viele von ihnen in der neuen Bank häufig nur die zweite Geige spielen werden. Andere haben bereits die Reissleine gezogen.
Angeknackste Egos
Diese bittere Warheit wird am Selbstverständnis der Betroffenen nagen, die sich vor noch nicht allzu langer Zeit gerne als Aushängeschild des Schweizer Banking verstanden.
Immerhin haben CS-Angestellte in der Schweiz, die aufgrund der düsteren Aussichten einen Wechsel zu einer anderen Bank anstreben, auf den ersten Blick keine schlechten Karten.
Keine Jobflaute
Ende Mai waren bei den zehn grössten Banken und Bankengruppen Schweiz zusammen knapp über 1000 Stellen ausgeschrieben. Mehr Personal suchten gemäss einer Untersuchung des Jobportals Indeed vor allem die Banken der Raiffeisen-Gruppe.
Ebenfalls deutlich mehr Stellen ausgeschrieben waren bei der Zürcher Kantonalbank, bei Julius Bär sowie bei der Postfinance.
Abschied ohne Wiederkehr
Jene CS-Leute, denen ein Bonus zusteht, sind allerdings quasi am Haken der Bank. Zumindest beim Kader gilt nämlich, dass der bezogene Cash-Anteil anteilsmässig zurückzuzahlen ist, wer die CS innerhalb von drei Jahren verlässt.
Darüber hinaus haben die neuen Herren von der UBS unverhohlen klar gemacht, dass für Banker, die jetzt das Weite suchen, später die Türe zu einer Rückkehr in den Schoss des neuen Bankenkolosses verschlossen bleibt.
Ausharren für den Bonus
Gleichwohl sind in der CS, die mit dem gestrigen Tag ihre Unabhängigkeit offiziell an die UBS verloren hat, in den vergangenen Wochen viele Kündigungen eingereicht worden. UBS-Chef Sergio Ermotti musste am (gestrigen) Montag am Schweizer Fernsehen «SRF» einräumen, dass rund 10 Prozent der Arbeitskräfte in den letzten Monaten und auch schon vor der Übernahme der CS den Rücken gekehrt haben.
Offenbar ist vielen Abgängern eine neue Perspektive wichtiger als der Verbleib bei einer noch nicht gefestigten kombinierten Bank. Sich lediglich wegen eines angekündigten Bonus an den Bürostuhl zu fesseln, ist für Skeptiker kein Grund zum Ausharren.
Angewiesen auf Fachkräfte
Angesichts der Kündigungswelle kann es sich die CS derzeit eigentlich nicht leisten, verbliebene verdiente Angestellte weiter zu vergraulen und noch mehr Personal zu verlieren, will sie ein weiteres Ausbluten stoppen.
Selbst bei einer engen Integration der CS-Tochter wird es ausserdem noch einige Zeit dauern, bis die neu formierte Bank auf Kurs ist und Schub aufnimmt. Deshalb ist auch nicht verwunderlich, dass die CS dieser Tage eigentlich sogar neues Personal sucht.
Sicherheit mit neuem Sozialplan
Um Fluchtbewegungen im grossen Stil zu unterbinden, kann in der Schweiz unter anderem ein Sozialplan dienen. Damit sollen Kündigungen sozial gestaltet und von einem Stellenabbau betroffene Angestellte bei den Weichenstellungen für ihre interne oder externe Laufbahn unterstützt werden.
Zwar verfügen beide Banken bereits über einen geltenden Sozialplan. Für den Schweizerische Bankpersonalverband (SBPV) reichen die bestehenden Vereinbarungen jedoch nicht aus.
Er fordert in einer Mitteilung vom Montag während des Integrationsprozesses einen übergeordneten, gemeinsamen Sozialplan, der mindestens fünf Jahre gelten soll. Dabei soll jeweils die für die Banker vorteilhaftere Regelung der beiden Sozialpläne gelten.
Unfaire «rote Linien»
Die Ungleichbehandlung des Personals der beiden Banken zeigt sich nach Ansicht des SBPV gerade auch in den neu definierten «roten Linien» für die Geschäftstätigkeiten der ehemaligen CS-Mitarbeitenden.
Mit diesen Vorschriften will die UBS in der übernommenen CS das Heft rasch in die Hand nehmen und eine neue Risikokultur etablieren, wie auch finews.ch berichtete.
Das Aufeinanderprallen zweier Unternehmenskulturen, die nicht zuletzt von der Rivalität der beiden Banken untereinander lebte, könnte allerdings zunächst zu einem explosiven Gemisch führen.
Mehr Schutz und Umschulung
Im neuen Sozialplan braucht es gemäss dem SBPV ausserdem zusätzliche Massnahmen wie einen verstärkten Kündigungsschutz für Angestellte ab 55 Jahren, grosszügigere Leistungen für ältere Arbeitskräfte ab 50 Jahren, eine Anrechnung der Beschäftigungsdauer oder die Übernahme von Kosten für Weiterbildung und Umschulung sowie Arbeitsmarktprogramme.
Bleiben oder Gehen: Den Angestellten beider Banken werden in den nächsten Monaten in jedem Fall unruhige Zeiten bevorstehen.