Die jüngsten Verwerfungen an den Finanzmärkten hätten neue Prioritäten in der Vermögensverwaltung gesetzt, erklärt Maxime Carmignac im Gespräch mit finews.ch. Gerade weil es für Anlegerinnen und Anleger nun nicht einfacher werde, sei die Vertrauensbildung umso wichtiger, sagt die Französin.
Bevor Maxime Carmignac 2010 in die Firma ihres Vaters Edouard Carmignac einstieg, arbeitete sie bei der Strategie-Beratungsfirma McKinsey sowie für die New Yorker Investmentfirma Visium Asset Management.
Bei ihrem berühmten Vater und «Investment-Guru» verdiente sie sich zunächst ihre Sporen als Analystin ab. Seit 2013 ist sie Geschäftsführerin von Carmignac Grossbritannien.
Kaufhaus oder Boutique?
Maxime Carmignac verfolgt eine langfristige Anlagephilosophie und sitzt mit ihren Investments zumeist im selben Boot wie ihre Kundinnen und Kunden. «Da wir ein Familienunternehmen sind, wissen die Leute, dass ich auch in den kommenden Jahren noch hier sein werde», betont die Französin im Gespräch mit finews.ch. «Es hilft, im Laufe der Zeit dieses langfristige Vertrauen und diese Verantwortlichkeit aufzubauen», erklärt sie weiter.
Mit verwalteten Vermögen von 33 Milliarden Euro (33,2 Milliarden Franken) gehört das Unternehmen eindeutig zu den Boutique-Firmen in der Branche, was Carmignac nicht als Nachteil ansieht. Derzeit sei eine Polarisierung in der Branche zu beobachten. «Als grosser Vermögensverwalter kann man über den Preis und die Grösse konkurrieren. Als Boutique hingegen versucht man, in bestimmten Nischen sein Bestes zu geben, also Performance zu erzielen», unterstreich Carmignac. Schwierig sei es vor allem für mittelgrosse Firmen. Diese stünden unter Druck, sagt die Investment-Spezialistin.
Stress wegnehmen
In den vergangenen Jahren, als der Aktienmarkt boomte, genügte es vielen Anlegern, ihre Gelder in börsengehandelte Fonds (ETF) zu investieren und die Märkte ihre Arbeit machen zu lassen, stellt Carmignac fest. Doch mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine, den Zinserhöhungen der Zentralbanken und der steigenden Inflation seien die Märkte in Aufruhr versetzt worden, sagt Carmignac.
Vor diesem Hintergrund sagt sie weiter: «Ich denke, dass aktives Management aufgrund der schwierigen Zeiten relevanter und angemessener werden wird.» Sie gibt zwar zu, dass eine aktive Verwaltung einiges teurer ist, aber sie findet auch: «Gerade in Krisenzeiten ist es umso wichtiger, den Stress des Investierens Fachleuten zu delegieren, denen man vertraut.»
Auf Frauen hören
Chancen sieht Carmignac auch für Investorinnen, weil sie sich ihrem Anlageverhalten von Männern unterscheiden. «Frauen interessiert das Warum, während sich Männer auf das Wie konzentrieren», sagt sie und präzisiert: «Frauen wollen zum Beispiel wissen, dass sie mit ihrer Investition ein Haus kaufen und das Schulgeld für ihre Enkelkinder bezahlen können. Währenddessen Männer eher einen risikoreicheren Aspekt mögen. «Wenn es um Investitionen geht, sind Frauen im Allgemeinen langfristiger und leider oft auch weniger selbstbewusst als Männer», sagt die Französin.
Aus dieser Perspektive erscheint es passend, dass Carmignac auch Mitglied des Entwicklungsausschusses des Unternehmens ist, der für die Strategie des Unternehmens verantwortlich ist, die sich auf verantwortungsvolle Investitionen und Investitionslösungen konzentriert.
Nicht über Nacht
Dass Unternehmen, die nachhaltige Produkte anbieten, in Unternehmen investieren, die als nicht besonders nachhaltig gelten, erscheine zwar paradox. Doch der Weg eines Unternehmens hin zu mehr Nachhaltigkeit und zur Erfüllung der ESG-Ziele sei entscheidend. Es gehe darum, realistisch zu sein und den Blick nach vorne zu richten. «Wir können nicht über Nacht auf 100 Prozent erneuerbare Energien umsteigen», betont sie.
Auch beim nachhaltigen Investieren ist aktives Management hilfreich, wie Carmignac findet. «Wir haben bereits einige Titel veräussert, weil sie die ESG-Ziele nicht erfüllten. Das ist sehr wichtig und Teil unserer Philosophie.
Minenfeld im ESG-Bereich
Eine Herausforderung für Anleger im Bereich der Nachhaltigkeit sind standardisierte ESG-Daten, da diese derzeit nicht besonders strukturiert seien, erklärt Carmignac weiter. Im ESG-Sektor gebe es eine Vielzahl von Metriken, was eine Herausforderung darstelle.
«Diese Ausgangslage ist in der Tat ein Minenfeld. Als aktiver Manager müssen wir zunächst versuchen, agil und innovativ zu sein, denn es gibt immer neue Anbieter. Aber wir müssen auch den gesunden Menschenverstand walten lassen und versuchen zu verstehen, wer was gut kann.»
Ethische Einstellung
«Angesichts der fehlenden Klarheit seitens der Regulierungsbehörden und der fehlenden detaillierten Offenlegung seitens der Unternehmen sei es für einen verantwortungsbewussten Vermögensverwalter umso wichtiger, selber einen transparenten und nachvollziehbaren ESG-Investmentprozess und entsprechende -Kriterien zu haben.
Nur so können unsere Kundinnen und Kunden ihr Kapital aufgrund ihrer ethischen Einstellung zuweisen», betont Carmignac.