Die Berichterstattung über die Skandale der Credit Suisse fokussiert auf die Konsequenzen für die Bank und ihre Aktionäre. Was aber bedeuten die kürzlichen Entwicklungen für die Kunden? Dieser Frage geht der Bankenexperte Matthias Hunn für finews.ch nach.

Die Kunden möchten eine Credit Suisse (CS), die ehrlich kommuniziert, umsichtig und fair agiert und das Wohl der Kunden an erste Stelle stellt. Erhalten haben sie aber etwas anderes:

  • Die Bank hat wiederholt bewiesen, dass sie Risiken nicht adäquat beurteilen kann.
  • Die Bank wurde vor Gericht verurteilt und Mitarbeiter für ihr Verhalten inhaftiert.
  • Das Management hat sich gegenseitig bespitzelt.
  • Die Kommunikation gegenüber Kunden (Einsatz der besten Produkte im Markt) und Investoren (Erhöhung der Durchdringung der Kundendepots mit eigenen Produkten) stimmt nicht überein. Kunden können den Aussagen ihrer Berater nicht vertrauen.Die Bank wurde von der Aufsichtsbehörde wiederholt auf knappes Eigenkapital aufmerksam gemacht.
  • Etwa 1’400 sogenannte «Material Risk Takers» erhalten pro Jahr zusammen weit über eine Milliarde Franken. «Risk Takers»? Es sind Angestellte ohne Unternehmerrisiko.

Doch was sind die Konsequenzen für die Kunden? Manche von ihnen haben in den aktuell diskutierten Fällen Verluste erlitten:

  • CEO Thomas Gottstein hat in einem Interview angedeutet, dass die Verluste der Greensill-Fonds auf die Kunden überwälzt werden sollen.
  • Die CS hat ihren Kunden Wandelanleihen von Wirecard verkauft.
  • Als Konsortialbank beim Börsengang von Luckin Coffee hat die Bank ihren Kunden Aktien verkauft.
  • Die Beteiligung am Hedge-Fonds York Capital macht klar, dass die CS auch dessen Produkte aktiv verkauft hat.

Die Möglichkeiten, das Kundenverhalten von aussen präzis mitzuverfolgen, sind beschränkt. Einen Anhaltspunkt geben die Nettoneugelder. Auf globaler Basis wies die CS in den vergangenen zehn Jahren stets positive Neugeldzuflüsse aus. Unklar bleibt, wieviel organisch und wieviel akquisitorisch gewonnen wurde.

War 2020 ein Wendejahr?

Ähnlich sieht es bei den Privatkunden der Schweizer Einheit (Swiss Universal Bank) aus. Auch hier herrschten positive Nettoneugeld-Zuflüsse vor. Die Bank hat einzig 2020 mehr Kundengelder verloren als gewonnen. Im Geschäftsbericht wird das mit einem Geldabfluss bei einem einzelnen Superreichen begründet.

Die Geschäftszahlen ergeben somit keinen Hinweis darauf, dass eines der vielen Vorkommnisse zu einem sichtbaren Rückzug von Kundengeldern geführt hätte. Dass Schweizer Kunden ihre Bank nur ungern wechseln, ist bekannt. Doch was sind die Gründe für diese Zögerlichkeit?

  • Viele Kunden identifizieren sich oft stärker mit ihrem Berater als mit der Bank. Die Banken haben in den vergangenen Jahren allerdings viel dafür getan, damit genau das nicht mehr passiert. So bekämpfen sie Kundenverluste bei Beraterabgängen.
  • Die Kunden schätzen den Aufwand eines Bankwechsels sehr hoch ein, und vor allem haben sie keine Lust, sich damit auseinanderzusetzen.
  • Manche Kunden sind der Meinung, dass sowieso alle Banken gleich seien und mit einem Wechsel nichts zu gewinnen sei. Eng mit diesem Problem verbunden ist die Intransparenz der Leistungen und Angebote, insbesondere im Private Banking.
  • Manche Kunden trennen zwischen ihrer eigenen Erfahrungswelt und der «News-Welt». Sie lesen zwar die negative Berichterstattung über ihre Bank. Aber sie leiten daraus keinen Handlungsbedarf für sich selbst ab.

Was lässt sich daraus für ein Fazit ziehen? Bei den Gründen der Unzufriedenheit muss zwischen effektiven Handlungsauslösern und verstärkenden Gründen unterschieden werden.

  • Ein klarer Handlungsauslöser sind dauerhaft schlechte Renditen. Dies erkennen Kunden aber nur, wenn sie sich mit dem Thema ausführlich auseinandersetzen. Den meisten ist dies zu aufwändig.
  • Handlungsauslösend sind auch Beraterwechsel. Irgendwann ist es einer zuviel.
  • Skandale, Interessenkonflikte, hohe Preise und unangemessene Entschädigungen für das Management sind meistens «nur» handlungsverstärkend.

Auch Handlungsverstärker können etwas auslösen, sofern sie genügend Leidensdruck ausüben. Bis Ende 2020 haben die CS-Skandale diesen Schwellenwert offensichtlich noch nicht erreicht. Wird es 2021 anders sein?


Matthias Hunn ist Gründer und Geschäftsführer von FinGuide. Die Firma unterstützt Private-Banking-Kunden, den am besten zu den eigenen Bedürfnissen passenden Vermögensverwalter zu finden. Hunn verfügt über mehr als 35 Jahre an Erfahrung im Schweizer Finanzmarkt. Vor der Gründung von FinGuide verantwortete er während zehn Jahren Produkte, Preise und das Marketing bei der Migros Bank. Er studierte Betriebswirtschaft an der Universität Zürich und arbeitete während und nach dem Studium in verschiedenen Funktionen für die Credit Suisse.