Auf dem Schweizer Finanzplatz machen nach dem Ende des Lockdowns Gerüchte um einen massiven Stellenabbau die Runde. Wer eins und eins zusammenzählt, kommt zur Prognose: Es droht ein Kahlschlag.
Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie waren die Prioritäten im weltweiten Banking klar: Investieren in die digitale Transformation und Kosten einsparen. Das zeigte vergangenes Jahr eine Umfrage des Research-Unternehmens Virtuosa bei rund 100 Banken-CEO weltweit.
Mit dem Ende der Lockdown-Phase bei den Schweizer Banken sind diese Prioritäten nicht nur dieselben geblieben: Sie sind der – bislang noch unausgesprochene – Imperativ der Branche.
Digitaler Weckruf
Zwei Gründe dafür: Erstens hat der Lockdown die Banken und Kunden gezwungen, digitale Werkzeuge und Prozesse sowie Angebote und Dienstleistungen zu nutzen. Für alle Finanzdienstleister war der Corona-Lockdown eine Art digitaler Weckruf. Das traditionelle Bankenwesen hat realisiert, dass «Digital Customer Experience» mehr als ein Schlagwort ist, es ist der Kern einer kundenzentrierten Strategie.
Die Fintechs sehen sich ihrerseits als Technologieführer bestätigt und werden ihre Anstrengungen verdoppeln, um sich als Konkurrenten oder unerlässliche Partner der Banken stärker zu etablieren. Somit wird die Corona-Pandemie zu einem Katalysator der digitalen Transformation in der Finanzindustrie in der Schweiz und weltweit.
Zu stärkeren Kosteneinsparungen gezwungen
Zweitens werden die Auswirkungen einer globalen Rezession die Ertragslage der Banken so hart treffen, dass sie ihre bereits beschlossenen Effizienz- und Kostenprogramme deutlich beschleunigen müssen. Das kann nur heissen: Es wird in der gesamten Finanzindustrie und auf dem Schweizer Finanzplatz zu einem massiven Stellenabbau kommen.
Die Corona-Pandemie wird somit – wie bei der digitalen Transformation – zum Katalysator der Sparanstrengungen im Banking.
Bislang deutet sich dies erst an: Thomas Gottstein, der CEO der Credit Suisse (CS), sagte kürzlich in einem Interview, die fortlaufende Automatisierung werde dazu führen, dass die CS mittelfristig sicher mit weniger Personal auskommen werde.
Wenn Erträge nicht steigen, müssen Kosten runter
Es ist eines der ungelösten Rätsel im traditionellen globalen Banking, warum die jährlich zweistelligen Milliardenbeträge, die in die IT und digitale Transformation gesteckt werden, bislang keinen sichtbaren Einfluss auf die Erträge der jeweiligen Institute hatten. Hingegen wirken sie sich durchaus auf die Kosten und den Personaletat aus.
Das Beratungsunternehmen Oliver Wyman hielt im vergangenen Februar in einer Studie fest, der ausbleibende Ertragseffekt der anhaltenden Milliardeninvestitionen in die Technologie bringe die Banken gegenüber ihren Investoren zunehmend in Erklärungsnot.
Roboter ersetzen Personal
Entsprechend haben die Bank-CEOs ihre Kommunikation auf den Spareffekt der Tech-Investitionen verlegt: Roboter ersetzen Personal.
Die Personalverbände im Swiss Banking haben bereits früher Alarm geschlagen: Die Vorbereitungen auf den Arbeitsmarkt von morgen seien vergleichbar mit der Planung der Mondlandemission vor 50 Jahren, warnte Arbeitgeber-Banken-Präsident Lukas Gähwiler. Sprich: Die Entwicklungen bei den unter Transformationszwang stehenden Banken als Arbeitgeber sind schlicht nicht vorhersehbar.
Bleiben noch 60'000 Jobs?
Andere Banker nahmen da kein Blatt vor den Mund. UBS-C£hef Sergio Ermotti machte im Herbst 2017 die Prognose, die Digitalisierung werde in den nächsten zehn Jahren bis zu 30 Prozent der Stellen kosten. Die US-Grossbank Citigroup rechnete 2018 damit, dass Roboter in den nächsten fünf Jahren 10'000 ihrer bisher 20'000 Angestellten in den Bereichen Technologie und Operations ersetzen werden.
Auf den Schweizer Finanzplatz bezogen könnte das heissen: Von derzeit noch gut 90'000 reinen Bankjobs in der Schweiz werden noch rund 60'000 übrig bleiben.
Corona ist der «Big Bang»
Tim Throsby, ehemaliger Investmentbankchef von Barclays, sagte 2018 in dem Zusammenhang: «Wenn Ihr Job darin besteht, viel auf der Computer-Tastatur rumzuhacken, werden Sie wahrscheinlich keine glückliche Zukunft haben.»
Das klang damals im Jahr 2018 bereits bedrohlich – und ist heute eine reale Gefahr. Die vielfach ausgerufene vierte industrielle Revolution hat mit der Corona-Pandemie so richtig an Fahrt gewonnen.
UBS-CEO Ermotti war 2017 noch davon ausgegangen, dass sich der Wandel in Schritten vollziehen werde – nicht als «Big Bang».
Die Corona-Pandemie ist nun aber ein «Big Bang» und sie kann zu einer doppelten Zäsur im Swiss Banking führen: einer deutlich rascheren digitalen Transformation und einer massiv geringeren Anzahl Beschäftigter.