Auch die Bankiervereinigung befasst sich intensiv mit der Frage, was nach dem SNB-Entscheid von nächster Woche geschieht. Wie die Lobby anlässlich des Bankiertags angetönt hat, sind drei Optionen im Spiel.

Eigentlich nimmt die Branche den jährlichen Bankiertag zum Anlass, sich in ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft zu sonnen und dem hiesigen Politikbetrieb bis hinauf zum Bundesrat den Tarif durchzugeben. Doch diesmal ist es die Geldpolitik, die am Branchen-Stelldichein vom Donnerstag den Tarif durchgab: Mit Blick auf den Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) vom 19. September steht der Anlass ganz unter dem Eindruck der Negativzinsen.

Das war auch beim Medienauftritt von Bankiervereinigungspräsident Herbert J. Scheidt (Bild unten) und seinem Verbandschef Jörg Gasser (Bild weiter unten) deutlich zu spüren: Obwohl sie so weitreichende Themen wie die Nachhaltigkeit und den Standortwettbewerb ansprachen, mussten sie sich doch vor allem einer Frage widmen: Was geschieht, wenn die SNB nächste Woche den Strafzins von minus 0,75 Prozent auf den Sichtguthaben der Banken weiter verschärft?

Die Pressionen dazu sind da: Am (heutigen) Donnerstag hat die Europäischen Zentralbank (EZB) den Negativzins bereits von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent gesenkt.

Scheidt 500

Intensive Diskussionen

Die Schweizer Tageszeitung «Blick» will nun von anonymen Quellen erfahren haben, dass die Chefs diverser grosse Geldhäuser überlegen, bei einem solchen Vorhaben der Nationalbank die Negativzinsen auch an Kleinsparer weiterzugeben – ein Tabubruch, sind doch seit der Verschärfung der Negativzinsregimes Anfang 2015 bei den allermeisten Banken nur Institutionelle und vermögende Kunden zur Kasse gebeten worden. Schon vergangenen Juni hatte finews.ch analysiert, dass die Schweizer Banken bald vor einer harten Entscheidung stünden.

Wie Bankiervereinigungs-CEO Gasser ausführte, befasst sich auch die Verbandsleitung intensiv mit der Frage, ob das Tabu tatsächlich fallen muss.

Infrage kommen laut dem früheren Staatssekretär, der den Behördenbetrieb gut kennt, drei Optionen. Erstens, eine der systemrelevanten Banken des Landes prescht mit einer Senkung der Strafzinsgrenze vor und bereitet damit den Weg für die ganze Branche.

Gasser 500

Ein Fall für die Wettbewerbshüter?

Dies hätte den Vorteil, dass eine konzertierte Aktion aller Banken nicht im Voraus abgesprochen werden muss. Wie Gasser weiter ausführte, wäre diese zweite Option wohl wettbewerbsrechtlich relevant. Allerdings ist die Weitergabe von Negativzinsen an Kleinsparer für den «first mover» höchst riskant: Die Bank läuft Gefahr, dass ihre Kunden gleichsam über Nacht Milliarden von Franken abziehen und zur Konkurrenz verschieben.

Bleibt als dritte Möglichkeit, die Kleinsparer weiterhin schadlos zu halten und dafür von der SNB Entschädigungen einzufordern. Wie dies genau geschehen könnte, blieb seitens der Bankenlobby vage. Wohl sind damit aber die rund 2 Milliarden Franken angesprochen, welche die Branche jährlich als Strafzins an die Nationalbank abführen muss.

Bankpleiten sind nicht die einzige Gefahr

Sowieso wollen die Banken die Notenbank stärker in die Pflicht nehmen. Wie Präsident Scheidt ausführte, muss die Finanzmarktstabilität – eines von drei Mandaten der SNB – breiter gefasst werden. Ein reiner Fokus auf die Banken und deren Kapital- und Liquiditätsaustattung, findet der oberste Schweizer Banker, sei nicht mehr zeitgemäss.

Dies angesichts der neuen Risiken, welche die Stabilität bedrohen: Der Verband erkennt hier etwa die Cyberkriminalität, das Eindringen neuer, weniger regulierter Wettbewerber in den Finanzmarkt, sowie eben die Negativzinsen.

«Andauernde Negativzinsen bewirken massive strukturelle Schäden», warnte dazu Scheidt. Negative Auswirkungen sieht der Verbandspräsident am überhitzten Immobilienmarkt, bei den Renten und Sparguthaben, bei «Zombiefirmen» in der Realwirtschaft – und natürlich bei den Banken selber, die sinkende Zinsmargen mit mehr Volumen wettmachen.

Aus seiner Optik unterläuft die SNB damit ihren ureigenen Auftrag: «Man könnte heute sagen, dass die Negativzinsen die Stabilität des Finanzplatzes gefährden», sagte Scheidt.