Europaweit lassen Anleger die Finger von Bankaktien, zumal die Chefs der meisten Finanzinstitute strategisch sehr zögerlich und mutlos agieren. Doch es gibt auch Ausnahmen.
Seit UBS-Chef Sergio Ermotti 2012 eine neue Strategie mit dem Fokus auf Vermögensverwaltung präsentierte, hat er höchstens noch kosmetische Änderungen daran vorgenommen. Nun muss er sich immer häufiger die Frage gefallen lassen, ob die Richtung noch stimmt, während der Kurs der UBS-Aktie immer näher der tiefen Marke von 10 Franken zusteuert.
Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam wiederum stellte seine Strategie erst vor rund vier Jahren vor, und nach den jüngsten Erfolgen der dreijährigen Transformation sind die kritischen Stimmen (noch) verhaltener. Doch die Ausrichtung der CS auf die Vermögensverwaltung mit einer Investmentbank als Zuliefererin entspricht im Wesentlichen den Ambitionen der Konkurrentin UBS.
Wo bleibt der grosse Wurf?
Gleichzeitig sind beide Institute denselben widrigen Bedingungen ausgesetzt: Niedrige Zinsen, inaktive, sprich zurückhaltende Kunden sowie hohe Regulierungskosten. Vor diesem Hintergrund scheint es für sehr schwierig oder vielleicht fast unmöglich, die Anleger zufrieden zu stellen.
Und damit wird auch klar: So sehr sich die UBS und die CS von anderen europäischen Banken unterscheiden wollen, letztlich haben sie doch vieles gemeinsam mit ihren Wettbewerbern: Der grosse Wurf bleibt aus – die Umsetzung einer bahnbrechenden Vision bleibt im Unklaren.
Andere Vorbilder
Doch nicht alle europäischen Bankenchefs geben sich damit zufrieden, bloss an der Kostenschraube zu drehen und die Geschäftsbereiche gegeneinander auszuspielen. Eine Ausnahme macht Ralph Hamers, CEO des niederländischen Finanzkonzerns ING. Er orientiert sich dabei weit über die Bankbranche hinaus. Schon vor zwei Jahren bezeichnete er in einem Interview mit finews.ch Firmen wie Facebook, Apple und Amazon als Inspiration und Vorbilder.
Der 53-jährige Hamers will seine Bank denn auch in eine «Tech-Plattform» umwandeln. Um dieses Ziel zu erreichen, strebt ING in allen Märkten, wo das Institut tätig ist, zu mindestens 90 Prozent eine Standardisierung der Prozesse und Abläufe an. Dieses Vorhaben lancierte er bereits 2016, und abgeschlossen soll es frühestens 2022 sein. Der Holländer braucht also noch einen langen Atem, wie das britische Branchenmagazin «Euromoney» unlängst feststellte.
Neue Projekte schnell umgesetzt
Doch schon jetzt ist die Bank in der Lage, neue Projekte schnell umzusetzen. So hat beispielsweise der Aufbau einer Smartphone-Bank in den Philippinen gerade mal neun Monate gedauert. Das heisst, das unternehmen ist vergleichsweise gut gerüstet gegenüber den Herausforderung der Neo-Banken.
Indes, auch Hamers strapaziert die Geduld der Aktionäre. Die Bewertung der ING-Aktie liegt mit knapp 70 Prozent ihres Buchwerts zwischen den Titeln der CS und der UBS.
In Sippenhaft
Der Unterschied zur Schweizer Konkurrenz liegt allerdings darin, dass Hamers selbst nach sechs Jahren an der Spitze der Bank noch immer grosse Pläne hat und auch laut darüber nachdenkt – etwa über eine Akquisition der Commerzbank oder über einen (erneuten) Markteintritt in den USA.
So wagemutig geben sich die Chefs anderer Banken in Europa kaum, eher kaprizieren sie sich auf weitere Kostensenkungen – anstatt spannende Szenarien in einer sich radikal wandelnden Bankenwelt zu entwerfen. Darum befinden sich auch die meisten Bankaktien sozusagen in Sippenhaft, sprich, sie kommen nicht vom Fleck. Doch sollten die Investoren einmal genauer hinsehen und den Wert von echten Strategien erkennen, könnte sich im Nu einiges ändern.