Die Leiterin Risikomanagement bei der Banque Reyl erklärt gegenüber finews.ch, wie der Fintech-Boom auch die Compliance herausfordert. Laut Florence Anglès droht dabei die grösste Gefahr im Alltag.


Frau Anglès, Sie sind Compliance-Expertin. Wird der viel beklatschte Fintech-Boom zum Alptraum für Ihr Metier?

Die Verbreitung von Fintech-Lösungen wird das Geschäftsmodell der Banken revolutionieren. Dasselbe gilt auch für die Compliance, da die Neuankömmlinge neue Risiken bergen und entsprechend neue Anforderung an die Vorsorge stellen. Besonders wachsam gilt es bei der Abwehr von Betrug und Geldwäscherei so wie der Terrorfinanzierung zu sein.

Stehen denn die entsprechenden Vorsichtsmassnahmen bereits?

Es gibt derzeit verschiedende Ansätze, um mit der Problematik umzugehen – die Dinge sind im Fluss. Ein Vorstoss machte etwa die EU-Kommission, indem sie letzten Juli vorschlug, virtuelle Währungen wie Bitcoin dem Geldwäscherei-Dispositiv zu unterstellen.

Abgesehen von der Geldwäscherei und der Terrorfinanzierung: Was sind die grössten Risiken, die auf das digitalisierte Banking zukommen ?

Die grössten Gefahren gehen vom Tagesgeschäft aus. So ist die Abwehr von Cyber-Attacken ein riesiges Thema in der Praxis. Dies umso mehr, wenn die Banken im Rahmen der Digitalisierung mit Dritten wie etwa Fintech-Playern zusammenarbeiten.

«Die Gesetzgeber antworten auf die Vergangenheit»

Wenn es zu Unfällen kommt – droht dann ein Backlash des Gesetzgebers wie nach der Finanzkrise?

Die Triologie der Basel-Bankenvorschriften zeigt es deutlich: Die Regulierer antworten mit ihren Vorschriften immer auf eine historische Problematik. Bei den Fintechs geht es nun aber darum, zukünftige Risiken zu antizipieren. Wichtig ist dabei, dass die Aufsichtsbehörden gleich lange Spiesse für die Neuankömmlinge wie für die angestammten Player schaffen. Dabei gilt es auch, die Verbraucher zu schützen.

Gelingt das in der Schweiz?

Mit dem Rundschreiben zum Digital Onboarding hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma letzten März bereits einen Schritt unternommen, um digitalen Geschäftsmodellen Hürden aus dem Weg zu räumen. Ebenfalls schlug die Behörde unregulierte so genannte Sandkästen vor, in denen Startups in kleinem Umfang ihre Produkte testen können.

Der Bundesrat hat im April Erleichterungen für Online-Finanzplattformen geschaffen und zudem das Eidgenössische Finanzdepartement beauftragt, eine Regulierung auszuarbeiten, die den Fintech-Geschäftsmodellen Rechnung trägt.

«Grossbritannien ist in der Fintech-Regulierung um Längen voraus»

Reicht das aus, um die Schweiz als Fintech-Hub zu etablieren ?

Ein Problem ist sicher die Harmonisierung der Regeln. Einmal in der Schweiz, wo eine Regulierung mit zwei Geschwindigkeiten für Fintechs und traditionelle Player vermieden werden sollte. Auch international gilt die Problematik – so ist etwa Grossbritannien der Schweiz in Sachen Fintech-Gesetzgebung um Längen voraus. Und die Startups sind sehr mobil.

Welche Fintech-Initiativen hat denn die Banque Reyl im Köcher?

Wie andere Marktteilnehmer beobachtet Reyl die rollende Fintech-Welle mit grosser Aufmerksamkeit. In unserem Fokus stehen dabei nicht nur die Chancen neuer Technologien wie etwa der Blockchain, sondern auch die damit verbundenen Risiken.

Um die spezifischen Herausforderungen von Fintech-Firmen zu verstehen, bin ich auch Mitglied der Branchenorganisation Swiss Finance + Technology Association (SFTA), wo ich unter anderem als Mentorin ein Zürcher Startup in Compliance-Fragen berate.


Florence Anglès ist Leiterin Risikomanagement bei der Genfer Banque Reyl & Cie. Sie wirkt dort auch als Expertin zum Thema Innovation, Regulierung und Risiko. Vor ihrem Amt bei Reyl war Anglès für das Beratungsunternehmen Deloitte und die Waadtländer Kantonalbank (BCV) tätig gewesen.