Die Banken sollten sich ein Beispiel am Online-Versandhändler Amazon nehmen, findet Ben Robinson, Marketingchef beim Schweizer Bankensoftware-Anbieter Temenos. Zudem schwärmt er für den Fintech-Standort Genf.

Herr Robinson, wieso wurde Temenos in Genf gegründet? Genf ist ja nicht gerade als Software-Metropole bekannt.

Der erste Grund war, dass der Gründer von Temenos in Genf zu Hause war. Zweitens ist Genf ein Hub für Banking. Nicht für IT, aber für die Finanzindustrie. Wir haben zuerst Software für Privatbanken entwickelt und sie erst später zu einer Lösung für Retailbanken ausgebaut. 

Ich glaube, Genf hat eine gute Chance, die Fintech-Haupststadt der Schweiz zu werden. Das Ökosystem ist wichtig, und rund um die Fintech-Community «Fusion» entwickelt sich ein solches. Fintech wird in Genf oder Zürich oder in beiden Plätzen sich entwickeln.

Temenos hat sich bei «Fusion» engagiert. Was ist die Strategie von Temenos gegenüber Fintech-Startups?

Temenos ist einer der Kernsponsoren von «Fusion». Das hat verschiedene Gründe. Wir wollen der Community etwas zurückgeben, wollen aber auch genau verfolgen, was in der Fintech-Szene passiert und Trends feststellen.

«Genf hat gute Chancen, die Fintech-Hauptstadt der Schweiz zu werden»

Wie funktioniert der Temenos-Marktplatz?

So wie der Apple Store. Man kann eine Applikation im Marktplatz auch kaufen und in ein System integrieren. Grundsätzlich wollen wir möglichst viele Leute motivieren, zusätzliche Apps zu entwickeln. Wir wollen es unserer Bank-Community einfach machen, Zugang zu Innovation zu erlangen.

Sie umarmen also ihre Feinde? Denn die App-Entwickler können ja auch Konkurrenten sein oder werden.

Die Entwickler erkennen die wichtigen Themen der Finanzindustrie: zu hohe Profite, oder zu hohe Kosten wegen Friktionen in den Transaktionen, Demokratisierung des Banking, indem man die Services mehr Menschen zugänglich macht. Aber App-Entwickler stehen vor hohen Barrieren. Sie brauchen Vertriebskanäle und man muss ihnen vertrauen.

«Banken müssen die Distribution kontrollieren»

Banken müssen verstehen, dass sie ihr Geschäft in jedem Fall kannibalisieren müssen. Sie werden gewisse Ertragsströme aufgeben müssen, wenn sie die Anlaufstelle für Kunden bleiben wollen. Diese Erkenntnis ist kritisch, denn Fintechs erobern schon heute Marktanteile im Kreditwesen, Zahlungsverkehr oder Devisenhandel.

Wenn Banken nicht mehr Anlaufstelle für die Kunden sind, werden sie die Kontrolle über die Kundenbeziehung verlieren und damit die Fähigkeit zu Up- und Cross-Selling. Banken wären gut beraten, Fintech-Services über ihre eigene Plattform anzubieten, weil sie so wenigstens die Kundenbeziehung behalten.

Das grösste Potential, die Bankenwelt zu verändern, hat die Blockchain-Technologie. Hat es auch Blockchain-Firmen bei «Fusion»?

Ja, zwei Unternehmen befassen sich mit Blockchain. Der entscheidende Punkt für die Banken wird die Distribution sein. Amazon ist ein gutes Beispiel: Man bestellt ein Buch bei Amazon und glaubt, man kaufe es dort und es würde einem von Amazon geliefert. Das stimmt aber gar nicht, denn Amazon arbeitet mit einer Myriade von Partnern.

Amazon beherrscht nicht die Wertschöpfungs-Kette, sondern nur die Distribution. Aber Amazon schöpft den Grossteil des Profits ab. Banken müssen also sehr genau darauf schauen, die Distribution zu kontrollieren.


Das ganze Interview mit Ben Robinson, Marketing-Chef bei Temenos, finden Sie auf inside-it.ch.